zu der Pritsche, auf der ihre Tasche lag.
„Ja. Wir sind verheiratet“, erwiderte Erik tonlos.
Warum nur war er so kalt, so abweisend? Iris hatte ihn jede Sekunde der letzten Jahre schmerzlich vermisst. Der Gedanke nun endlich wieder bei ihm zu sein, erfüllte sie mit einer derartigen Freude, dass sie an sich halten musste, damit sie ihm nicht sofort um den Hals fiel. Doch ihm schien es da anders zu gehen. Was könnte es sonst für einen Grund für sein Verhalten geben?
„Ist das alles, was du mir zu sagen hast?“, krächzte sie und musste schwer schlucken.
Eriks Schultern spannten sich an und einige Augenblicke vergingen, ehe er sich steif erhob und zu ihr umdrehte. Er starrte an ihr vorbei an die Wand, so als wäre es zu viel für ihn, ihr direkt ins Gesicht zu sehen. Als er sprach, war seine Stimme hart und voller Schmerz. „Du hast mich mit unserem Mädchen alleingelassen. Mit all den Sorgen und Problemen. Ich habe stets mein Bestes getan, um sie zu beschützen, aber ohne dich …“
„So siehst du das?“, unterbrach sie ihn unwirsch. „Du glaubst, ich hätte euch im Stich gelassen? Du denkst, ich hätte auch nur irgendetwas davon gewollt? Meinst du, ich habe nicht gelitten, deine Sorgen geteilt? Wie kannst du nur so etwas sagen? Ich habe alles in meiner Macht Stehende unternommen, um euch in Sicherheit zu wissen. Ich habe täglich mein Leben riskiert, damit sie euch nicht aufspüren. Mich ständig verstellt, gelogen und getan, was auch immer sie mir aufgetragen haben, nur damit sie nicht an meiner Loyalität zweifeln!“ Das Blut rauschte laut in ihren Ohren und ihre Nägel gruben sich tief in ihre Handflächen.
„Du hast dich verändert. Ich kenne dich nicht mehr“, erwiderte Erik scheinbar ungerührt.
„Ja“, bestätigte sie atemlos.
Einen kurzen Moment lang trafen sich ihre Blicke, dann drehte Erik sich weg, trat zu seiner Pritsche und schlüpfte unter die Decke.
Iris stand einfach nur da. Unfähig, sich zu bewegen. Unfähig, ihren Schmerz in den Griff zu bekommen. Schließlich legte auch sie sich ins Bett, richtete ihren Blick auf Eriks dunkle Silhouette auf der Pritsche neben ihrer. Heiße Tränen rannen lautlos über ihr Gesicht.
Kapitel 3
Ein lauter Knall ließ Daria im Bett hochfahren. Sie hörte Schritte am Gang.
Vincent sprang aus dem Bett und schlüpfte eilig in seine Sachen. „Du bleibst hier“, flüsterte er eindringlich und öffnete die Tür nur einen Spalt breit, um nach draußen zu sehen.
„Ich bin eure Mutter und ihr werdet tun, was ich euch sage!“, erklang eine aufgekratzte Frauenstimme.
„Das kannst du nicht entscheiden!“, brüllte eine andere zurück. Das war Lea.
Eilig schlug Daria die dunkelgrüne Felddecke zur Seite und folgte Vincent auf den Flur.
Dort standen die Zwillinge und ihre Mutter. Leo war blass um die Nase, wohingegen Leas Wangen feuerrot glühten. Ihre Mutter streckte eine Hand nach ihr aus, doch Lea schlug sie energisch weg.
„Ich werde nicht zulassen, dass ihr wie euer Vater für diesen Wahnsinn drauf geht. Wir können das nicht gewinnen! Wollt ihr wirklich für eure Freundin sterben?“, kreischte sie und fuhr sich aufgebracht durch die Haare.
„Du drehst gerade voll durch, Mama. Beruhige dich doch“, versuchte Leo, seine Mutter zu beschwichtigen. Doch seine Worte brachten sie noch mehr in Rage.
„Ich soll mich beruhigen? Ich werde sicher nicht tatenlos dabei zusehen, wie meine Kinder ihr Leben für eine aussichtslose Sache opfern!“
Mittlerweile hatten sich auch andere Türen geöffnet. Köpfe wurden auf den Gang hinausgestreckt und Sophia eilte auf die Streitenden zu.
„Sandra, jetzt sei doch vernünftig und …“, setzte sie an, wurde aber gleich wieder unterbrochen.
„Ich bin vernünftig! Aber ihr, ihr seid alle des Wahnsinns, wenn ihr denkt, dass wir heil aus der Sache rauskommen.“
Sophia starrte die Mutter der Zwillinge entgeistert an, wusste offenbar nicht, wie sie auf deren Hysterie reagieren sollte.
Iris trat auf das Grüppchen zu und legte Sandra, die nun haltlos zu schluchzen begonnen hatte, einen Arm um die Schultern. Leise redete sie auf diese ein und führte sie schließlich in ihr Zimmer.
Zurück blieben die ziemlich aufgewühlt aussehenden Zwillinge und Sophia, die so laut mit den Zähnen knirschte, dass man es sicher noch ein Stockwerk tiefer hören konnte.
„Na, das war ja mal ein Weckruf“, stellte Ben betreten fest und schlurfte mit einer Knitterfalte im verschlafenen Gesicht zurück in sein Zimmer.
Als Daria mit ihrem Kosmetiktäschchen und einem Handtuch bewaffnet das Gemeinschaftsbad der Damen betrat, waren schon einige dabei, sich für das Frühstück frisch zu machen. Eine der Duschen lief. Izzy putzte sich gerade die Zähne und warf Daria mit der Zahnbürste im Mund ein Lächeln zu. Neben ihr stand Lea, die Arme am Waschtisch abgestützt, und starrte verbissen ihr Spiegelbild an.
„Hey“, setzte Daria an, woraufhin sich Lea zu ihr umdrehte. Sie war sichtlich mitgenommen. Ihre Wangen waren immer noch gerötet, wohingegen der Rest ihres Gesichts blasser als üblich wirkte. Unsicher rang sie die Hände und machte einen Schritt auf Daria zu.
„Es tut mir so leid, was meine Mutter da gesagt hat. Leo und ich, wir …“ Lea brach ab und biss sich auf die Lippe. Tränen traten ihr in die Augen.
Daria legte ihre Sachen auf dem Waschbecken neben sich ab und nahm ihre Freundin fest in die Arme. Lea begann leise zu weinen, während sie zitternd nach Luft schnappte. Daria war drauf und dran mit zu heulen, weil ihr Lea dermaßen leidtat.
„Dafür musst du dich wirklich nicht bei mir entschuldigen,“ sagte sie sanft und strich Lea über den Rücken. Langsam wurde ihre steife Haltung lockerer und sie erwiderte die Umarmung zaghaft.
„Wir stehen zu dir, Daria. Wir wissen, was auf dem Spiel steht, und wir werden an eurer Seite kämpfen, egal was sie sagt oder tut. Es ist nur …“ Leas Stimme brach.
„Es ist eure Mutter. Ich verstehe das, besser als du vielleicht denken magst. Ich würde auch verstehen, wenn …“
Lea schüttelte energisch den Kopf an Darias Schulter. Dann löste sie sich von ihr und wischte mit dem Ärmel ihres Shirts über ihr tränennasses Gesicht.
„Es ist falsch, was sie sagt“, stieß Lea hervor, bemüht ihre Fassung wieder zu erlangen.
„Sie hat Angst“, erwiderte Daria.
„Du solltest sie nicht in Schutz nehmen. Nein, das solltest du nicht“, gab Lea mit rauer Stimme zurück, schnappte sich Handtuch und Seife und schlüpfte in eine der Duschkabinen.
Izzy griff nach Darias Hand und drückte sie leicht. „Gib ihr etwas Zeit. Es ist momentan für jeden hier etwas viel.“
Daria nickte langsam. Es war schrecklich für sie, ihre Freunde und deren Familien, ja all diese Menschen, die hier mit ihr in dem Bunker untergebracht waren, in eine solch ausweglos erscheinende Situation gebracht zu haben. Offenbar standen ihr diese Gedanken ins Gesicht geschrieben, denn Izzy drückte erneut ihre Hand.
„Es ist nicht deine Schuld. Die Auserwählten sind hier die Übeltäter“, bekräftigte Izzy und sah Daria ernst an.
„Aber wenn es mich und Vincent und unser Baby“, noch immer fühlte es sich unwirklich an, es laut auszusprechen, „nicht gäbe, dann wärt ihr alle in Sicherheit.“
„Nein, wären wir nicht“, sagte Izzy bestimmt. „Ihre Ideologie würden sie trotzdem leben. Sie würden trotzdem morden und jeden bedrohen, der ihre Ansichten nicht teilt.“
„Aber ihr könntet …“, setzte Daria an.
„Was?“, unterbrach Izzy sie schroff. „All den Schrecken, den sie mit ihren Machenschaften verbreiten, hinnehmen? Uns ihnen anschließen, damit wir nicht mehr Ziel ihrer Angriffe wären?“ Wütend