Andrea Appelfelder

Broken Bones


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nur zeigen, dass er unbesiegbar und den Menschen überlegen war.

      Die Stimmung auf der mit der Ehrung verbundene Party war fröhlich und ausgelassen. Berühmte deutsche und amerikanische Schauspieler und angesehene Politiker tranken und redeten in froher Erwartung auf diese selten gewordene Auszeichnung miteinander.

      Der Junge, welcher noch im Teenageralter war, sah sich das Geschehen aus der Ferne, durch sein Zielfernrohr an und lachte leise.

      „Wenn sie nur wüssten, was ihr großer Held in Wirklichkeit für einer ist.“

      Aber so schnell, wie er zu lachen begonnen hatte, verstummte er wieder und seine Miene verhärtete sich. Nun wurde er fast schon ein wenig melancholisch.

      „Ich bereue schon jetzt, dass ich gelacht habe. Das hier ist schließlich kein Spiel. Aber wenigstens habe ich mich für den richtigen Weg entschieden. So habe ich wenigstens die Möglichkeit, ein Monster, wie ihn hier, zu töten. Man müsste jeden, der Kindern solch unvorstellbares Leid antut, töten. Aber das wird wohl nicht möglich sein. Es gibt einfach zu viele, welche das Blut junger Menschen begehren.“

      Der Preisträger wollte gerade das Podest für seine Rede betreten, als er einen Rückstoß spürte und an der Stirn blutend nach vorne kippte.

      Stille breitete sich zwischen den betroffenen Zuschauern aus. Die Blicke aller Versammelten richteten sich auf den Stürzenden, aber noch bevor sein Körper zu Boden prallte, löste er sich in Asche auf. Der kalte Wind zerstreute und vermischte die Überreste schließlich mit dem Schnee, der immer noch vom Himmel fiel. Der einst so selbstsichere Vampir war nun nicht mehr das Problem der Menschheit. Der einzige Ort, an dem er jetzt noch Schwierigkeiten machen konnte, war das Reich der Toten, für das Reich der Lebenden war er nun ein für alle mal verloren.

      Die Menge, von den Schönsten der Schönen Deutschlands und Amerikas Highsociety, die das Theater mit ansehen mussten, schrien und rannten wie wild durcheinander. In diesem wilden Getümmel nahmen die Passanten keine Rücksicht auf ihre Kameraden und bahnten sich ihre Wege mit allen Mitteln in das sichere Innere. Schließlich musste jeder von ihnen fürchten, der Nächste zu sein.

      Niemand von ihnen konnte auch nur ansatzweise ahnen, dass es der Schütze nur auf den smarten Vampir abgesehen hatte.

      Das Chaos, was der Todesengel auf dem Dach des Hochhauses verursacht hatte, bekam der junge Mann, den man jetzt erst richtig erkennen konnte, gar nicht mehr mit. Er hatte seinen Job erledigt und der Rest war ihm wie immer egal.

      Der Schütze, der erst sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein musste, stand auf und verstaute seine Waffe, die noch etwas warm vom abgefeuerten Schuss war, in den mitgebrachten Waffenkoffer.

      Er hatte pechschwarzes Haar, war schmächtig und hatte ein ebenmäßiges, hübsches Gesicht, was er aber größtenteils unter einem dicken grauen Schal verbarg.

      Nachdem er den Waffenkoffer geschlossen hatte, stand er auf und lief bis zur Dachkante und sprang von dort aus die fünfundzwanzig Stockwerke des Hochhauses hinab. Aber anstatt auf dem harten Asphaltboden aufzuprallen, landete er behände und problemlos auf seinen eigenen Füßen. Dieser junge Assassin war nämlich auch ein Vampir.

      Auf dem Gehweg angekommen, schaute er sich kurz um, ob er bemerkt worden war. Ihm fiel nichts Verdächtiges auf und so mischte er sich, als wäre nichts geschehen, zwischen die umherstehenden Menschen, die auf die zwölf Schläge der großen Kirschturmuhr warteten.

      Die Polizei, welche schon von der schrecklichen Tat in Kenntnis gesetzt wurden war, war bereits mit mehreren Einsatzwagen im Anmarsch. Von überallher waren die Sirenen zu hören.

      Dem Vampir interessierte das alles, was er angerichtet hatte, nicht. Er ging einfach mit seinen Koffer in der Hand, in der sich noch die Tatwaffe befand, weiter.

      Was machte es schon, wenn die reichen Weicheier etwas Angst schoben. Alles, was zählte, war, dass er diesen Vampir, der soviel Leid verursacht hatte, getötet hatte.

      Plötzlich hörte er ein lautes Knallen, angsterfüllt wandte er sich dem Himmel zu und sah die bunten Lichter des Feuerwerks. Zeitgleich hörte er das Schlagen der Uhr und dachte wehmütig: Mitternacht, schon wieder ist ein neues Jahr in meinem Dasein vergangen. Was dieses neue Jahr wohl wieder bringt?

      Er ließ die letzten Jahre in seinem Kopf Revue passieren, aber in diesem Moment musste er auch an den anderen Vampir denken.

       Man hatte mich beauftragt, diesen Vampir für das, was er getan hat, zu töten. Es ist nicht so, dass ich ihn in Schutz nehmen möchte, aber Menschen, die etwas Ähnliches oder sogar Schlimmeres tun, dürfen entweder weiterhin frei herumlaufen oder sie bekommen einen langen Urlaub in einem Gefängnis mit gratis Kost und Logis.

       Sie können dort sogar weiterleben und wenn sie wieder herauskommen, machen sie dann einfach da weiter wo sie aufgehört haben.

       Irgendwie finde ich das alles nicht fair. Vampire sind anders als Menschen, das kann man nicht abstreiten. Bei uns kommt es aber nur sehr selten vor, dass wir Menschen töten und noch seltener kommt es vor, dass wir uns gegenseitig töten. Allerdings kann ich auch nicht von allen sprechen, schließlich gibt es noch die Süchtigen, die ich berücksichtigen muss. Das sind diejenigen von uns, die dem Blut völlig verfallen sind.

       Blut ist für die, die so sind wie ich, eine Droge, über die man triumphieren kann oder von ihr beherrscht wird. Diese, welche dem roten Lebenssaft völlig verfallen sind, haben nur noch zwei Bedürfnisse: Die Selbsterhaltung und das Aufnehmen von Futter.

       In diesem Stadium sind sie nur noch Monster, den Zombies aus den alten Filmen ähnlich, die ausgelöscht werden müssen.

       Aber es ärgert mich, dass die Menschen einfach so dumm sind. In drei Weltkriegen haben sie nicht gelernt sich gegenseitig zu achten und gleichberechtigt zu behandeln.

      Der Vampir nutzte den aufkommenden Trubel und lief durch die mit Knallen und Sirenen erfüllte Nacht.

       Wenn die Menschen nicht so viele von uns im finsteren Mittelalter getötet hätten, könnte man fast Mitleid mit ihnen haben.

       Es gibt so viele Wesen, von denen sie nicht den Hauch einer Ahnung haben und wie die unbekannten Monster dann mit ihnen umgehen, wenn sie sich dafür entschieden haben Menschen zu quälen oder zu essen.

       Aber sie gehen auch nicht besser mit uns um. Es ist ja nicht so, dass ich sie hasse, aber ich liebe sie auch nicht, schließlich haben sie so viele von uns getötet.

      Der Junge lachte und führte seine Gedanken fort.

       I ch habe eigentlich keinen Grund mich zu beschweren, im Laufe der letzten einhundert Jahre habe ich bestimmt genauso viele von meiner eigenen Art getötet wie sie.

       Mich nervt es einfach nur, dass sie so undankbar sind. Einmal hat mein Freund Marik, vor sehr vielen Jahren, einigen Menschen das Leben gerettet und sich dabei als das geoutet, was er nun mal ist und hat danach nur Verachtung geerntet.

       Auch wenn wir das sind was wir sind, können diese Wesen uns doch akzeptieren, so wie wir sind. Aber vor allen Dingen hat uns schon die Geschichte gelehrt, dass die, die anders sind, niemals von ihnen anerkannt werden, das Gegenteil ist der Fall. Sollten sie einmal erkennen, dass wir wirklich existieren, werden sie uns bis auf den Letzten ausmerzen.

       Aus diesem Grund offenbaren wir uns ni emals. Mitleid sollte ich bei der Vorgeschichte der Menschen auch nicht haben. Denn schließlich und letztendlich töten sie doch alles, was sie nicht kennen oder verstehen.

       Naja, egal ob diese ungewöhnlichen haarlosen Affen böse sind oder gut, wenn sie wüssten, dass ich, der Vampir Angel, ihren Volkshelden getötet habe, würden sie mich gnadenlos vernichten.

      Der Junge blickte sich noch einmal um.