Dennis Blesinger

OMMYA - Freund und Feind


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auch nicht.« Jochen, sonst die gute Laune in Natur, schüttelte genervt den Kopf. »Alles, was schieflaufen kann, geht schief. Wir liegen zwei Tage hinter dem Zeitplan zurück.« Er blickte sich um. Dann frag­te er, ehrlich erstaunt: »Wo kommt eigentlich dieses ganze Zeug her? Alleine in den letzten drei Monaten ha­ben wir dreiundvierzig neue Artefakte rein bekommen. Ist irgendwas nicht in Ordnung?«

      »Ich glaube, das liegt an dem Rhythmus der Tore«, erklang eine Stimme von hinten. Sahra und Hansen kamen auf die beiden zu. Auch sie sahen müde aus. René ließ seinen Blick über die beiden wandern und behielt sein Grinsen gerade noch unter Kontrolle.

      »Was?«

      »Die Übergänge nähern sich ihrer Hochzeit«, fuhr Sahra fort, während sie sich um einen Schrank herum schlängelte, den jemand mitten im Gang abgestellt hatte. Ein großer Löwenkopf war auf der Vorderseite zu se­hen, sowie weitere Schnitzereien, unter anderem die Abbildungen von vier Menschen, die mit Kronen auf den Häuptern auf Thronen saßen. Andere Fabelgestalten wie Faune, Zentauren und dergleichen vervollstän­digten das Bild.

      »Da sind sie aktiver als sonst«, erklärte Sahra auf Renés fragenden Blick hin. »Das heißt wohl auch, dass mehr Zeug von anderen Welten in unsere gelangt.«

      »Na super«, kommentierte René. Das war genau das, was er brauchte. Bevor er die entsprechende Frage stellen konnte, hielt Sahra grinsend einen kleinen Gegenstand hoch, nicht größer als ein Smartphone.

      »Das ist ein Prototyp«, meinte sie, sichtlich stolz. »Es zeigt das Niveau der Tore an.« Sie bedeutete dem Rest, ihr zu folgen. Zusammen entfernten sie sich von dem allgemeinen Durcheinander und gingen zu einem Baum, der am Rande der Halle stand und durch den René vor all den Jahren unbeabsichtigterweise nach Shan-Gri-La gelangt war. Damals hatte sich der Baum in einem Wald befunden, war dann jedoch kurzerhand umgesiedelt worden. Die Eiche und die Waldnymphe, die darin wohnte, hatten den Umzug beide gut überstanden. Sahra hielt das Gerät kurz vor die ovale Höhlung, die den Übergang darstellte, und zeigte René dann das Display des Gerätes.

      »Eins Komma Sieben«, las René gehorsam ab. »Was bedeute das?«

      »Auf einer Skala von was auch immer bis keine Ahnung ist das Portal jetzt auf dem Niveau Eins Komma Sieben«, erklärte Sahra. Offensichtlich handelte es sich bei dieser Information um etwas Atemberaubendes, denn das Grinsen drohte, ihren Kopf in zwei Hälften zu teilen.

      »Eins Komma Sieben was?«, fragte Jochen. Sahras Grinsen verschwand zum Teil.

      »Äh, keine Ahnung, da sind wir noch am überlegen. Wir haben noch keinen Namen für die Einheit. Aber vor drei Monaten waren es Eins Komma Sechs Neun Neun.«

      »Es steigt?«, fragte René. »Was heißt das?«

      »Gute Frage«, meinte Sahra gutgelaunt. »Aber es steigt jetzt langsamer als in den vergangenen Monaten. Was bedeutet, dass wir wahrscheinlich irgendwann ein Maximum erreichen werden.«

      »Und dann?«

      »Keine Ahnung«, gab die Blondine offen zu. »Ich nehme an, dass es dann wieder fällt. Und ich habe auch keine Ahnung, was was bedeutet. Das Ganze ist ziemlich experimentell. André und ich haben Monate gebraucht, um überhaupt herauszufinden, in welchem Frequenzbereich wir suchen müssen, um die Werte zu erhalten.«

      »Wozu?«

      »Wir glauben«, schaltete sich nun André Hansen ein, »dass die Übergänge einem bestimmten Rhythmus unterliegen. Was das genau heißt, wissen wir noch nicht, aber wir vermuten, dass die Menge an Artefakten, die durchkommen und auf dieser Seite erscheinen, etwas damit zu tun hat. Ebenso wie die Übergänge, die entste­hen.«

      »Erklärt das auch, warum wir mittlerweile Gegenstände aus Welten erhalten, die gar nicht mehr existie­ren?«, fragte René spitz und nickte in Richtung des Wandschrankes, der nach wie vor den Gang blockierte.

      »Kann sein«, gab Sahra zu. »Ich habe keine Ahnung. Dafür müssen wir die Sache ein wenig beobachten. Ist sozusagen eine Langzeitstudie.«

      René nickte. Solange es langfristig dazu beitrug, das organisierte Chaos der Abteilung ein wenig mehr berechenbar zu machen, war es ihm recht. Etwas schepperte im Hintergrund, woraufhin Jochen die Augen ver­drehte und sich mit grimmigem Gesichtsausdruck davon machte. René blickte ihm kurz hinterher, wandte sich dann wieder Sahra und André Hansen zu.

      »Hüpf mal«, meinte er zu Sahra.

      »Was?«

      »Hüpf mal auf der Stelle.«

      Einen Augenblick schien Sahra zu überlegen, dann zuckte sie mit den Schultern und tat, wie geheißen.

      René nickte. Er war kurz davor, Sahra die Übung wiederholen zu lassen, allerdings wurde aufgrund ihres Ge­sichtsausdruckes deutlich, dass sie den Sinn der Aktion erraten hatte. Nachdem er sichergestellt hatte, dass ih­nen niemand zusah, fischte er den BH, den er eben in Dornröschens Bett gefunden hatte, aus seiner Jackenta­sche und reichte ihn seiner Kollegin.

      »Hier«, meinte er so ernst wie möglich. Weder er noch Sahra warfen einen Blick zur Seite, um Hansen, dessen Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate angenommen hatte, nicht noch weiter in Verlegenheit zu bringen.

      »Was mich an etwas erinnert.« René holte einen Notizblock hervor, den er immer dabei hatte und las einige Augenblicke lang konzentriert. »Ja. Hier. Könntest du dich bei Gelegenheit mal um die Überwachungskamera Nummer 37 kümmern? Im Gegensatz zu den meisten anderen Kameras, die hier alles überwachen und auf­nehmen, unter anderem Nummer 7, die sich direkt über dem Bett befindet«, er machte eine Pause und deutete in Richtung Decke, an der ein kleiner schwarzer Kasten in ca. 10 Metern Höhe hing und durch eine kleine blin­kende Diode andeutete, dass die im Inneren befindliche Kamera arbeitete. Sahras Blick folgte seinem Finger. René konnte förmlich die Gedanken rattern hören. So ernst wie möglich fuhr er fort: »Im Gegensatz zu den anderen funktioniert Nummer 37 aus irgendwelchen Gründen andauernd nicht. Die Technik hat schon alles mögliche ausgetauscht, aber das Ding zeigt einfach we­der Bild noch Ton an. Muss an der Software liegen.«

      Einige Sekunden lang verschränkten sich die Blicke von René und Sahra ineinander. Botschaften wurden ausgetauscht, Absprachen getroffen und Versprechen gegeben. Schließlich nickte Sahra ernst.

      »Kamera 37?«, fragte sie.

      »Ja, das ist der Lagerraum da hinten.« René wedelte mit der Hand unbestimmt in eine Richtung. »Da haben wir die Feldbetten und ein paar alte Spinde eingelagert. Ich weiß, die Chance, dass sich da mal jemand hin verirrt, ist gleich Null, aber wenn du mal Zeit hast, wär's nett, wenn du dich drum kümmerst.«

      »Feldbetten.«

      »Ja.«

      »Alles klar. Wenn ich Zeit habe.«

      »Ist nicht dringend.«

      Eine weiterer Blickkontakt folgte. Bevor jedoch jemand ein weiteres Wort von sich geben konnte, ertönte ein leiser Knall hinter ihnen, gefolgt von einem surren­den Zischen. Dann war ein gurgelndes Geräusch zu hö­ren, danach ein dumpfer Aufprall. Alarmiert setzten sich alle drei in Bewegung, Hansen zuletzt. Als sie um die Ecke bogen, bot sich ihnen ein Anblick, der René auf­stöhnen ließ.

      Auf dem Boden lag eine Gestalt, die alle vier sofort als Hexe identifizierten. Die Frau trug schwarze Kleidung, schwere schwarze Stiefel, hatte langes, strähniges weißes Haar, eine krumme Nase, auf der eine dicke fet­te Warze saß, und auf dem Kopf einen spitzen und selbstverständlich auch schwarzen Hut. Zitternd lag sie auf dem Boden und war die Ursache für das gurgelnde Geräusch. Wenige Meter entfernt befand sich ein Be­sen, der auf etwa einem halben Meter Höhe in der Luft schwebte. Aus der Brust der Hexe ragten zwei kleine Pfeile, die durch Kabel mit einem Taser verbunden wa­ren, der wiederum in der Hand eines Wachmannes lag.

      Ein Grummeln erklang aus Jochens Mund, als er mit grimmiger Miene auf den Wachmann zuging.

      »Brakovic, Sie Pfeife! Was habe ich Ihnen über den Taser gesagt?« Noch während er dies sagte, entfernte er vorsichtig die beiden Projektile von dem Opfer und half der Frau, sich aufzurichten.

      Bevor