Peter Schottke

Patrick und die rote Magie


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Frosch in meiner Hemdtasche!”

      „Versuch nicht abzulenken, Freundchen.” Er zog die letzten Windungen stramm und vollendete sein Werk mit ein paar festen Knoten.

      Patrick schwirrte der Kopf. Wie sollte er hier wieder herauskommen? Was bedeutete der Gnomenangriff?

      „Nun komm endlich!” – „Fertig.” Der Grenzwächter packte seine Hellebarde und folgte seinem Kollegen im Laufschritt den Pfad die Böschung hinab. Nach wenigen Sekunden waren ihre Köpfe hinter der Kuppe verschwunden und Patrick war allein zurückgeblieben.

      Jetzt stand er also einsam und fest verschnürt auf der Hochebene und hatte wahrscheinlich von allen Beteiligten den besten Blick auf das Kampfgeschehen. Er sah genau, dass die Gnomenmassen nicht nur die Stadt und die umliegenden Freiflächen erobert hatten, sondern sich auch vor der Brücke zur Palastinsel tummelten. Das Klirren ihrer Waffen und ihr heiseres Geschrei klangen sogar bis zu ihm auf die Hochebene hinauf, obwohl er sich bestimmt einen Kilometer weit weg von der Hauptstadt befand. Patrick konnte die Gegenwehr der Zwerge beobachten, die die Palastmauern mit Speeren und Pfeilen verteidigten. Zwischen den Häusern der Stadt wurde nur noch vereinzelt gefochten – Winzlingen schien weitgehend in der Hand der Angreifer zu sein. Ihre Übermacht wirkte erdrückend.

      Im Hintergrund, jenseits der Stadt, sah Patrick die Hohe Klippe aufragen, mit Torturiels Festung dicht unter dem Spitzgipfel. Rötliche Nebel umwaberten das Bergmassiv.

      Dieser winzige Punkt am Himmel irritierte ihn. Er hatte nichts mit der Hohen Klippe zu tun; er bewegte sich vielmehr aus dem Luftraum über dem Palast in einem weiten Bogen über das Schlachtfeld, um dann Ziel zu nehmen auf …

      Auf die Hochebene. Patrick kneistete. Kein Zweifel: Dieser Punkt hielt geradewegs auf ihn zu. Das Sonnenlicht blendete Patrick, deshalb war es ihm unmöglich zu erkennen, worum es sich handelte.

      Dann lenkte ihn eine Berührung ab, die er an seinem rechten Fuß spürte. Er verrenkte den Hals, um hinunterzuspähen.

      Da ringelte sich etwas.

      Die Fesseln saßen stramm und hinderten ihn, es genauer in Augenschein zu nehmen. Doch schon zwei Sekunden später war dies kein Problem mehr, denn das Etwas erwies sich als sehr entgegenkommend, indem es sich sein Bein heraufschlängelte.

      Patrick fühlte ein Kribbeln auf der Haut. Schon wieder eine Schlange! Er erkannte genau die doppelspitzige Zunge, die in eifrigen Stößen aus dem Maul herauszuckte. Aber das hier war keine Schlickschlange. Giftgrün war das Tier, dünn und kaum zwanzig Zentimeter lang, doch es wirkte sehr selbstbewusst und schob sich emsig an seinem Bein in die Höhe. Wade. Knie. Oberschenkel. Der kleine Kopf schwenkte forschend hin und her. Zungenzüngeln. Patrick brach Schweiß aus. Jetzt richtete die Schlange ihren scharfen Blick direkt auf ihn. Er war wie hypnotisiert von den geschlitzten Pupillen. Noch höher kroch das Reptil, über Hüfte und Bauch, über die Windungen des Seils, erreichte fast Halshöhe, verhielt, tastete suchend umher …

      Und stieß zu!

      Patrick entfuhr ein Schreckenslaut, als der Schlangenkopf sich blitzschnell in seine Hemdtasche vergrub.

      Entsetzt beobachtete er, wie ein wildes Gerangel in der Tasche losbrach. Zischen, Quaken, Fauchen und dissonante Tonintervalle mischten sich zu einem ohrenbetäubenden Gezeter. Als Höhepunkt schoss Quakarotti senkrecht aus der Tasche; knapp hinter ihm folgten die zuschnappenden Schlangenkiefer. In hohem Bogen landete der Frosch im Gras und suchte mit wilden Sprüngen das Weite. Die Schlange schickte ihm ein wütendes Zischen hinterher. Patrick wünschte, sie würde ebenfalls seine Brusttasche verlassen, doch das Reptil wand und rekelte sich; er spürte die Bewegungen durch den dünnen Hemdstoff.

      „Verschwinde”, flüsterte er dem Tier zu, eindringlich, aber bemüht, es nicht zu reizen. Doch der Schlange schien es in seiner Tasche zu gefallen, sie ringelte sich zusammen und zog ihren Kopf ein.

      „Hau ab! Ich kann dich hier nicht gebrauchen!”

      „Das ist ja eine nette Begrüßung, mein Junge.”

      Patricks Kopf fuhr herum, soweit es die Fesselung zuließ. Neben ihm landete ein seltsames Flatterwesen und auf diesem saß eine wohlbekannte Person in rosa Kleidern und mit spitzem Hut.

      „Tun Sie etwas!”, rief er der Fee zu.

      Pryssalias Reittier trabte langsam aus und ließ keuchend den Kopf hängen. Sie tätschelte seinen Hals und erkundigte sich: „Gern. Und was?”

      Patrick spürte, wie sich alles an ihm verkrampfte. „Ich habe eine Giftschlange in meiner Brusttasche.”

      Die Fee zeigte sich erstaunt. „Wie unratsam. Warum denn nur?”

      „Sie wollte meinen Frosch fangen.”

      „Ich verstehe. Wieso entfernst du sie nicht?”

      Patrick verdrehte die Augen und zwang sich zur Ruhe. „Sehen Sie nicht, dass ich gefesselt bin?”

      „Tatsächlich. Na, wer tut denn so etwas?”

      „Erkläre ich später. Machen Sie mich los! Aber erst holen Sie die Schlange da raus!”

      „Nur keine übertriebene Hast. Wie die hochverehrte Feenfürstin so trefflich zu sagen pflegt: Es wird nichts so heiß gegessen wie die Taube auf dem Dach.”

      Es dauerte endlose Sekunden, bis die Fee abgestiegen und zu ihm getreten war. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte in Patricks Tasche.

      „Keine Gefahr”, verkündete sie. „Das ist nur eine Grüngrasnatter. Vollkommen ungiftig.”

      „Sind Sie ganz sicher? Nicht etwa ungiftig beim dritten Versuch?”

      „Ganz sicher. Absolut ungiftig für Zwerge.”

      „Ich bin kein Zwerg!”

      „Ach ja, richtig. Na dann eben auch für Menschen. Ich glaube, ihr behagt deine Körperwärme.”

      „Aber sie behagt mir nicht. Nehmen Sie sie raus!”

      Die Fee schüttelte den Kopf. „Wenn wir sie jetzt stören, beißt sie vielleicht. Lassen wir sie eine Weile in Ruhe. Später wird sie friedfertiger sein. Wie die hochverehrte Feenfürstin so trefflich zu sagen pflegt: Die Zeit heiligt alle Mittel.” Sie inspizierte Patricks Fesseln auf der Rückseite des Baumstammes. „Aha. Zwergenknoten. Spezielle Knüpftechnik, die nur die Grenzwachen beherrschen.”

      Patrick war verblüfft. „Gar nicht blöd”, rutschte ihm raus. Dann verbesserte er sich schnell: „Diese Knotentechnik, meine ich.”

      Die Fee ging nicht darauf ein. „Ich werde dich jetzt befreien.”

      „Danke”, seufzte Patrick erleichtert.

      „Allerdings werde ich wohl ein bisschen zaubern müssen.”

      Patrick war sofort alarmiert. „Ist das wirklich nötig?”

      „Unbedingt. Zwergenknoten sind Zwergenknoten. Und Grenzwachenzwergenknoten sind Zwergenknoten hoch zwei.”

      „Ich will keine Zaubereiversuche! Wer weiß, ob Sie meine Hände nicht in Marmelade verwandeln, oder den Baum in ein mordgieriges Monster!”

      „Aber beim dritten Versuch -”

      „Ich will nicht mal einen ersten Versuch! Machen Sie’s per Hand, na los!”

      „Zwergenknoten? Weißt du überhaupt, was du da verlangst, Patrick?”

      „Schneiden Sie das Zeug einfach durch! Los, suchen Sie mal in meinen Hosentaschen, da muss irgendwo ein Taschenmesser sein.”

      Widerstrebend durchsuchte die Fee Patricks linke Hosentasche und beförderte allerlei Dinge zutage: zerknüllte Taschentücher, Krümel von Kartoffelchips, Kaugummireste, ein zerknittertes Dschungeljungs-Sammelbild, eine Fernbedienung …

      Sie runzelte die Stirn. „Dieses nutzlose Ding hast du immer noch bei dir?”

      „Probieren Sie’s in der anderen Tasche!”

      Die