Til Erwig

EIN HIMMLISCHER JOB


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sich auf der sicheren Seite, zumal Kozak seinem Plan offenbar zustimmt.

      „Sie sind eingeladen, Herr Breibeck. Nicht zuletzt, weil ich der Sparkasse gerade einen neuen Kunden gewonnen habe, richtig?!“ Übertrieben deutlich blinzelt er Kozak zu. Das Knurren aus dem Magen von Fidelitas meldet sich mit größerer Lautstärke zurück.

      „Sie haben Hunger, Herr Breibeck! Was kann ich für Sie tun?“ Reuss will das Eisen schmieden, solange es heiß ist, zwinkert erneut Kozak zu. Fidelitas zwinkert jetzt ebenfalls, zwinkert auch Reuss zu. Ein Ritual scheint das zu sein, was bei Erdenmenschen wohl üblich ist.

      „Prost! Auf die große Kozak Familie!“ Das tut gut, Kozak schwillt die Brust, im Gegensatz zu Clint Eastwood ist er für Komplimente immer zu haben.

      „Wo er Recht hat, hat er Recht, der Breibeck. Meine Mädels vermehren sich – und ganz ohne Trauschein, hahaha!“

      Beide Herren wollen sich ausschütten vor Lachen. Reuss leert sein Glas, knallt es auf den Tresen und schmettert übermütig ein angetrunkenes „Lass die Luft raus, Karl-Heinz!“ hinterher.

      „Lass die Luft raus! Jep!“ Fidelitas zückt erneut ihr Notebook und versucht den Spruch aufzuschreiben, was einigermaßen misslingt, weil der Magen erneut knurrend anmahnt, dass er gern etwas Festes genießen möchte.

      „Hat immer noch Hunger, der gute Breibeck“, kichert Reuss, was Kozak veranlasst zum Haustelefon zu greifen. Unfein brüllt er hinein. „Wo bleibt Mehmet mit dem kalten Buffet? Unser junger Gast hier hat Kohldampf!“

      Er will Fidelitas freundschaftlich auf die Schulter schlagen – aber die ist verschwunden. Ein leichter Wind kommt auf, woher auch immer, ihr leeres Sektglas fällt plötzlich um und zerbricht.

      In der Dunkelheit vor der ´Tenne` ist Bewegung. Fidelitas kauert in einer Ecke, versucht im Schein der matten Beleuchtung in ihrem Notizbuch zu lesen. Auch für einen hungrigen angetrunkenen Engel, das soll an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden, braucht’s dafür eine große Disziplin.

      „Falls Ihr mit mir seid, Chef, alles bisher Gesehene und Gehörte hat wenig bis gar nichts mit meinem Auftrag zu tun. Eine deutliche Emanzipation von Frauen und Mädchen ist für mich jedenfalls nicht spür- oder sichtbar. Neu scheint zu sein, dass es neben dem im Himmel bisher bekannten Christentum noch sehr viele andere Religionen gibt. Zu denen gehören dann Hindus, Buddhisten, Atheisten oder Baptisten und dann ist noch von griechischen Orthodoxen und russischen Orthodoxen und noch ein paar anderen die Rede, hallo, da kann unsereiner nur staunen. Eine Religion davon ist der Islam. Seine Anhänger heißen Muslimin oder Muslime. Den Christen ist es erlaubt Alkohol zu trinken, vermutlich weil Jesus irgendwann einmal Wasser in Wein verwandelt hat. Die Muslime dürfen das nicht, weil ein Muslim kein Christ ist und ein Christ kein Buddist und ein...“

      Der Champagner im leeren Magen macht ihr zunehmend zu schaffen. Da haben alkoholisierte Engel offensichtlich die gleichen Probleme wie besoffene Menschen: die Konzentration lässt nach, Sprechen fällt schwer, unkontrollierte Bewegungen, Gleichgewichtsstörungen, Müdigkeit. Das Notizbuch endgleitet ihren Fingern, der Kopf sinkt zur Seite, schwer geht der Atem, Schnarchen kündigt sich an. Was für ein Glück, dass Engel Wesen ohne die Fähigkeiten des Allmächtigen sind. Ein zerstörendes Erdbeben, eine gewaltige Sturmflut, ein Klimawandel gar wären mit Sicherheit die Folgen eines solchen Besäufnisses. Fidelitas aber schläft bestenfalls den Schlaf der Gerechten. Der mündet meist in ein Erwachen mit Kopfschmerzen. Wieder eine Erfahrung, die nichts, aber auch gar nichts mit dem göttlichen Auftrag zu tun hat.

      *

      Im Hinterzimmer der ´Tenne` hören Blumenauer, Fehrmann und Reuss angestrengt zu, was Kozak zu sagen hat. Angestrengt deshalb, weil der wütende Chapter Boss nach Clint Eastwood Manier wiedermal auf einem Zigarillo herumkaut, was seine Artikulationsfähigkeiten, im Gegensatz zu seinem filmheldischen Vorbild, erheblich beeinflusst.

      Mehmet, obwohl zentraler Mittelpunkt von Kozaks Standpauke, tut unbeeindruckt, gibt sich auch als Poker Loser lässig und cool.

      „Wie hast du dir das gedacht, Junge - fünftausend bis morgen?! Wie konntet ihr Idioten den Scheiß zulassen, hä?!“ Mehmet rafft sich auf zu einer Gegenrede. Nur ein einziger Satz kommt ihm über die Lippen.

      „Ich …äh … rede mit meinem Vater.“ Kozak klatscht in die Hände. Seine Stimme, triefend vor Ironie.

      „Sicher. Der wird dir die Kohle schon geben. Hat ja genug davon.“

      „ Ey, ich weiß Bescheid. Du kriegst noch was, vom letzten Monat.“

      „Gut, dass du was weißt, Kleiner. Könnte nämlich sein, dass mir eben einfällt, wie du die Schulden schnell abzahlen kannst.“

      „Okay, okay, lass hören. Ich bin dabei, auf jeden Fall.“

      „Guter Job, ehrlich. Könntest gleich anfangen.“

      „Heute Nacht?“

      „Heute Nacht, morgen früh, je nachdem...“

      „Was liegt an?“

      Kozak macht es spannend, zündet den erkalteten Zigarillo wieder an, lässt sich alle Zeit der Welt, genau wie sein Vorbild auf der CinemaScope Leinwand. Deshalb kommt Reuss ihm zuvor, quatscht dazwischen.

      „Dein neuer Freund...“

      Das würde sich Clint Eastwood niemals gefallen lassen. Aber Kozak auch nicht.

      „Maul halten, Reuss! Das ist Psychologie verstanden?! Davon habt ihr Banker keine Ahnung.“

      „Krass, Mann, ehrlich“. Mehmet freut sich über jede Unterbrechung, die ihm Zeit verschafft um nachzudenken.

      „Dein Kumpel, Mehmet, der Breibeck, der hat aber Ahnung. Auf jeden Fall versteht er was vom Bankgeschäft, von Computern, vom Hacken, oder?“

      „Der Fidelitas heißt Breibeck?“ Jetzt ist es an Mehmet zu staunen. „Woher weißt du das?“ Kozak bläst ihm eine Rauchwolke ins Gesicht.

      „Heißt er einfach, okay?! Das ist so sicher, wie du und dein Alter Schulden bei mir habt, die ihr zurückzahlen wollt. Dringend!“

      „Okay“.

      „Und wie geht das am schnellsten und ganz ohne Ärger, Junge?“

      „Keine Ahnung.“

      „Durch deinen Freund...“, mischt sich Reuss wieder ein, worauf Kozak ihn anschreit.

      „Zum letzten Mal: Halt die Schnauze, Reuss!“ Mehmet widerspricht Kozak, wenn auch einigermaßen zaghaft.

      „Aber der hat nix, der Fidelitas. Null Kohle...“

      „Im Gegensatz zu dir hat er aber was in der Birne, du Arsch. Er weiß, wie man mit Bankcomputern umgeht!“

      „N‘ Hacker is‘ er? Kann sein.“

      „N‘ guter Hacker. N‘ Spitzenhacker. Kannst den Reuss fragen. Kurze Antwort, Reuss.“

      Der Herr Sparkassen Filialeiter sieht endlich die Möglichkeit, sich ins rechte Licht zu rücken. Er holt tief Luft und beginnt umständlich.

      „Leute, als der Kleine hier vor kurzem mit seinem Kumpel in meiner Sparkasse aufgetaucht ist, da hab‘ ich gleich gewusst, jetzt geht die Post ab, der Typ hat was auf dem Kasten in Sachen...“ Er heult laut auf, denn Kozak hat ihm mit seinem schweren, metallbeschlagenen Motorrad Stiefel ans Schienbein getreten.

      „Was hab ich dir eben gesagt, Reuss?! Kurz fassen! Pass auf Mehmet, der Breibeck braucht nur das zu tun, was er schon mal für dich gemacht hat: Bisschen Moos überweisen. Nur diesmal nicht auf euer Konto...“

      „Das ist ´ne Straftat. Unmoralisch!“

      Blumenauer und Fehrmann brechen in Gelächter aus. Auch Reuss, trotz seiner Schmerzen am Bein, versucht ein vorsichtiges Grinsen, das im Gebrüll der anderen aber nicht wahrgenommen wird.

      „Unmoralisch!“ Fehrmann kann sich vor Lachen kaum halten und Blumenauer verschluckt sich fast, ihm bricht