Til Erwig

EIN HIMMLISCHER JOB


Скачать книгу

mit Hilfe dieses Hackers, dem neuen Freund vom Mehmet, reich zu werden. Warum sollte der Hacker Trick, der bei Yüksel, dem türkischen Lebensmittelhändler, einwandfrei funktioniert hat, nicht auch beim eigenen Konto laufen. Die Endlos Diskussion nervt. Lautstark versucht Reuss sich durchzusetzen.

      „Und ich sag es noch mal: der hat unseren Zentral Computer gehackt, mit einem Software-Bug oder so. Vielleicht ein Zero-Day-Fehler, das nutzen Hacker als Einfallstor aus.“

      „Damit kannst´ andere verarschen, Reuss!“ Blumenauer hat kein besseres Gegenargument anzubieten.

      „Du schuldest uns Zwanzigtausend! Und die holen wir uns. Bei dir, Mann,

      weil, d u bist die Bank, Alter! Alles klar?!“ Fehrmann mit dem Versuch die Situation zu beruhigen, was nicht so recht gelingt. Blumenauer giftet weiter.

      „Ausg’macht is’, Herr Direktor! Basta!“

      Aber Reuss gibt nicht auf, noch nicht.

      „Leute, hört doch mal zu: ich kenn’ den Umsatz vom Türken. Die sind seit eh und je hart an der Pleite, schreiben oft rote Zahlen. Und plötzlich, hallo, sind’s schwarze! Wenn der Typ clever ist, dann hat er Bugs bei uns installiert, die sich sogar vor Fehlersuchsystemen verstecken können.“

      „Software-Bugs, hääh?“

      „Werden im Internet als Zero-Day-Exploits gehandelt. Die tun ganz unschuldig, hauen sich für den Zeitraum einer Prüfung sozusagen auf´ s Ohr, genau wie solche Schläfer-Terroristen, die machen auch nix solang nach ihnen gefahndet wird.“

      „Zero-Day-Exploits, heißen die Dinger?“

      „Genau. Glaub mir, Kozak, mit dem Neuen haben wir einen Goldesel! Wir brauchen den Bruch in der Sparkasse nicht. Is’ n Scheiß Risiko.“

      „Für dich! Sind d e i n e Schulden! Weißt du, mein Freund, mir ist der Spatz in

      der Sparkasse lieber, als dein Goldesel auf dem Dach! Aber bitte, wir sind keine Unmenschen - du überredest den Typ ein Konto zu eröffnen, und dann, okay, zwei Eisen im Feuer können nicht schaden. Überleg ’s dir, ist d e i n Leben, oder?!

      „Für ein Konto braucht es Namen und Papiere, Kozak.“

      „Er heißt Breibeck!“

      Grinsend zieht Kozak einen der neuen Flüchtlingsausweise aus der Tasche und gibt ihn Reuss. Der betrachtet das Dokument kopfschüttelnd, schweigt aber ängstlich.

      „Vorname Horst. Gut, he?!“

      „Wie hast du das hingekriegt, Mann? Beziehungen zum Ausländeramt?“

      Reuss ist echt beeindruckt. Kozak aber schnippt nur mit den Fingern, das ist Antwort genug, außerdem klopft es gerade an der Tür im bekannten Rhythmus. Mehmet steckt den Kopf herein.

      „Was geht ab? Spielchen?“

      „Hast du Knete?“ Kozak geht an ihm vorbei, nicht ohne eine abfällige Bemerkung. “Weiß der Papa, dass du hier bist, Kleiner?“

      „Fuck you!“ koffert Mehmet zurück; wieder mal ärgert er sich, weil Kozak ihn nicht für voll nimmt.

      *

      Die Go-Go-Girls in der Garderobe der ´Tenne` sehen ungeschminkt eher wie normale Hausfrauen aus. Olga bemalt sich gerade, Monika zieht sich um für ihren nächsten Auftritt. Freya strickt an einem Pullover. Gemeinsam ist allen ein ständiges Kichern und Wispern über den schüchternen jungen Mann, der von Lilo als neue Eroberung vorgestellt wird.

      „Ist er nicht süß, mein Fidelitas?“ Lilo gibt sich übertrieben stolz, was wiederum Neidgefühle bei den anderen Mädchen weckt.

      „Süß i s t er!“, giftet Monika und tut Jungmädchenhaft verschämt. „Oder hab ich Tomaten auf den Augen?“ Die anderen wollen sich ausschütten vor Lachen.

      „In dem Alter kannst Du ihn nicht mehr umpolen, Lilo!“ Die macht gute Miene zum bösen Spiel und lacht ebenfalls herzlich.

      „Wenn schon, Hauptsache, er hat sei Mutterl lieb, gell, Fidelitas?“

      Sie umarmt Fidelitas, knuddelt sie ordentlich und zwingt sie, sich auf einem Stuhl nieder zu lassen. Freya wirft ihr übermütig ein Wollknäuel zu. Fidelitas öffnet die Beine (als ob sie einen Rock trüge) und fängt das Knäuel auf. Auch die anderen Mädchen umarmen sie jetzt herzlich. Offenbar bemerkt niemand, was nur Fidelitas auffällt: In den großen Garderobespiegeln ist k e i n Spiegelbild von ihr zu sehen.

      „Willkommen in unserer Go-Go-Familie!”

      “Ihr seid eine Familie?“

      Fidelitas springt auf und stellt sich in eine Ecke, von der aus kein Spiegel zu sehen ist; eilig tippt sie die Info in ihr elektronisches Notizbuch.

      „So was ähnliches, wie eine Familie.“ Freya bleibt zurückhaltend cool. Das macht Fidelitas neugierig.

      „Und der Papa?“

      „Dafür haben wir den Arsch Kozak“, gibt Monika sich mutig. Die anderen lachen.

      „Unser Held und Beschützer. Ist Mutter und Vater in einem“, wagt sich Olga ebenfalls aus der Deckung. Freya stimmt ihr Kopfnickend zu und flüstert

      „Mein Gott, ich wünschte …“

      Sie unterbricht sich, denn ohne Anklopfen wird die Tür aufgerissen, Kozak stürmt herein. Trotz Zigarillo im Mund kann er ungemütlich laut werden.

      „Seid ihr noch ganz dicht, oder was?! Wofür zahl’ ich euch?! Draußen sitzen die Freier und kein Schwein auf der Bühne …Monika, mach’ n Satz, sonst tret’ ich dir in dein fettes Teil, dass du drei Tage lang Stiefelspitzen scheißt!“

      Monika greift hektisch nach einer Federboa und stolpert hinaus. Erst jetzt sieht Kozak, dass Fidelitas mit in der Garderobe ist.

      „Vögeln umsonst in der Familie is’ nich‘, klar?!“

      Lilo fühlt sich angesprochen und übernimmt die Verteidigung.

      „Kozak, er hat mir leid getan, so allein, da hab’ ich ihn halt mit rein genommen zu uns, erstmal …“

      „Deine ´Barmherzigkeit` kenn’ ich, Mädchen.“ Er packt Fidelitas am Arm und zieht sie mit sich. Fidelitas ist zwar erstaunt über die rüde Gewaltanwendung, wehrt sich aber nicht.

      „Ich suche Mehmet, er wollte zu Herrn Reuss von der Sparkasse.“

      „Jetzt kapier ich, du bist der Neue vom Yüksel, richtig?“ Routiniert wechselt er in die charmante Tonart des Zuhälters, der ein Geschäft wittert.

      „Herr Reuss wollte Sie sowieso sprechen. Er möchte Ihnen einen sehr guten Vorschlag machen, mein Lieber“. Mit eleganter Verbeugung komplimentiert er Fidelitas nach draußen.

      Lilo, Olga und Freya bleiben zurück. Alle drei sehen nicht so aus, als wären sie Mitglieder einer glücklichen Familie. Olga wendet sich einem der Spiegel zu, um ihr Make-up zu vollenden.

      „Was fällt euch auf, wenn ich in den Spiegel reinschaue?“

      „Dass dein Mondgesicht rausschaut“, lästert Freya. Olga nimmt es gelassen, bleibt ruhig.

      „Genau. Und was fällt auf wenn dieser Fidelitas reinguckt?“

      „Was?“ Freya ist eher gelangweilt. Im Gegensatz zu Lilo, die sich zu erinnern scheint.

      „Da war nix im Spiegel!“

      „Nicht mal’ n Mondgesicht!“ Alle drei sehen sich erstaunt an. Freya, ganz plötzlich elektrisiert.

      „Der Typ ist ein Mädchen!“

      Sie nimmt ihr Wollknäuel und wirft es Lilo zu, die es, wie alle Rockträgerinnen, mit weit gespreizten Beinen auffängt.

      „ Ooooh, Scheiße! Da verarscht uns jemand!“

      *

      Geld regiert die Welt.