Til Erwig

EIN HIMMLISCHER JOB


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mit der gut lesbaren Aufschrift ´Feinkost-Yüksel`.

      „Vier achtzig.“ Fidelitas sieht ihn fragend an.

      „Ist vier Euro achtzig, Sonderpreis, alles zusammen…“ Fidelitas blickt weiter ratlos, dies macht dem gutmütigen Yüksel sofort ein schlechtes Gewissen. Zum Glück hält jetzt Mehmet mit seinem Lieferwagen vor dem Geschäft.

      „Auslieferung fertig, Papa!“ Yüksel auf Türkisch (hier gleich in der Übersetzung)„So was hast’ noch nicht erlebt. Kauft groß ein und kann nicht bezahlen.“

      „Wer?“ fragt Mehmet überflüssiger Weise, denn außer dem Typen mit der Strickmütze ist niemand zu sehen. Der allerdings kommt ihm bekannt vor.

      Yüksel zeigt auf Fidelitas. Mehmet stutzt, steigt dann aus dem Transporter.

      Um den Vater nicht zu enttäuschen, trägt er jetzt ebenfalls den hellen reinlichen Arbeitsmantel von ´Feinkost Yüksel`.

      „He, du! Hast’ kein Geld? Einkaufen und kein Euro!“ Er kommt näher, mustert Fidelitas von oben bis unten.

      „Kenn‘ ich dich, he?! Hab dich doch schon gesehen – am…ääh, bei unserer Garage, ja?!“ Und da Fidelitas ihn nur stumm ansieht, weil um eine Antwort verlegen, macht er den bemützten Typ weiter an.

      „Aha, bist du stumm! Kannst nix reden, was?!“

      Fidelitas, nun doch einigermaßen überrascht von Mehmets aggressivem Auftritt, mustert ihn eindringlich, schweigt aber weiter.

      „Hast’ was gegen uns? Wir sind dumme Ausländer, ja? Sind wir nicht, kleines Arschloch. Gute Steuerzahler sind wir, deutsche!“

      „Lass ihn, Mehmet. Er ist ja friedlich.“ Dem Gutmenschen Yüksel ist die Sache unangenehm. Genau das macht Mehmet immer so wütend.

      „Friedlich! Echt? Kaufen und nicht zahlen und friedlich! Haben wir nicht schon oft mit Zitronen gehandelt, was Papa?!“

      Yüksel will den Ärger ausgleichen und zeigt auf mehrere Kisten und Kartons im Laden.

      „Soll er dir helfen einladen dafür, Mehmet.“

      „Guck seine Hände an! Ist kein Typ der arbeitet! - Ey, hast du gehört was Papa gesagt hat?“

      Fidelitas starrt auf die Kisten und Kartons, schließlich nimmt sie eine Kiste hoch und trägt sie zum Lieferwagen.

      „Wir müssen ein Sonderangebot machen, Mehmet.“

      „Warum? Schlechte Ware – gut verkaufen! Ist Marktwirtschaft, Papa.“

      „Sind wir Gauner, oder was?“

      Fidelitas hat sich auf einer leeren Obstkiste niedergelassen und wartet geduldig. Mehmet dagegen ist ungeduldig, zunehmend gereizt.

      „Ey, was ist?“

      Er sieht in den Lieferwagen und kann es nicht glauben: alle Kisten und Kartons sind bereits eingeladen. Auch Yüksel staunt einigermaßen.

      „Bravo, bravo! Gute Arbeit, schnelle Arbeit! Soll er dir helfen bei der nächsten Auslieferung.“ Er klatscht erfreut in die Hände und lächelt Fidelitas an.

      „Darf ich… einen Apfel …?“

      „Was fragst du, sind ja deine.“ Im Gegensatz zu seinem Vater versucht Mehmet immer wieder den großen Zampano zu machen, obwohl ihm Angeber Typen eigentlich zuwider sind. Yüksel kommt mit einem frischgewaschenen weißen Arbeitsmantel aus dem Laden und hält ihn Fidelitas hin.

      „Feiner Anzug wird nicht schmutzig. Leichte Arbeit – zehn Euro. Prima gut?!“

      Fidelitas schlüpft umständlich in die ihr hingehaltene etwas zu enge Kutte, und Yüksel steckt ihr 10 Euro in die Brusttasche.

      Während Mehmet schon zum Transporter geht und die Türen schließt, schiebt der Vater Fidelitas vor die blank geputzte Schaufensterscheibe, damit der neue Mitarbeiter sein Outfit bewundern kann.

      „Papa!“ Mehmet ist genervt, den Lieferwagen hat er bereits gestartet.

      „Was ist jetzt mit dem?“

      Yüksel sieht zu Mehmet hinüber. Deshalb kriegt er auf die Entfernung nicht so recht mit, dass Fidelitas k e i n Spiegelbild hat. Egal, der Typ dreht sich schon wieder um und fummelt an den Knöpfen der Kutte.

      „Ich bin zu dick für die schöne Jacke, Herr Feinkost...?“

      „Yüksel“, sagt Yüksel, und lacht. Und dann steckt er Fidelitas noch ein nagelneues Digital Notizbuch mit Punktpapier und einem Kamerastift zu.

      „Is‘ ein Geschenk von meinem Sohn. Aber so a Digitalisierung, brauch ich nicht. Schön aufschreibn, was gut ist für‘ s G´schäft, nacha is‘ gut für dich a.

      Ihr Ausländer müsst zuerst amoi Deutsch richtig lesn un schreibn lerna, gei?!

      *

      In der Fahrgastzelle des Lieferwagens hat Mehmet die Rolle des Deutschlehrers bereits übernommen.

      „Will immer was Gutes tun, der Papa. Integriert sein, angepasst. Jeder Penner kriegt gleich ein’ Job von ihm. Als ob ich den Scheiß nicht allein rocke.“

      Er schaltet das Radio ein, steuert den Transporter lässig mit einer Hand die Hauptstraße entlang. Fidelitas kaut am ungewohnten Apfel.

      „Eine Frau Jasmin liegt auf dem Friedhof...“

      „Ey, muss der Papa nicht wissen, dass ich da manchmal vorbei fahr, okay?“

      Mehmet ist verunsichert. Fast ein wenig ängstlich. Immer hat er dem Vater versprechen müssen: Niemals lügen! Lügen haben kurze Beine! Lügen erschwert die Integration. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn

      er auch die Wahrheit spricht!

      Aber Deutsche lügen auch, Papa, hat er seinem Vater geantwortet und dann

      zu hören bekommen: Das ist etwas anderes!

      Wieso?

      Wir sind hier Gäste, Mehmet.

      Nein, Papa, wir sind hier zu Hause.

      Manchmal, hatte Yüksel nach langer Pause gemurmelt, manchmal ja.

      „Seit wann liegt sie da, die Frau?“ Fidelitas ist neugierig, auftragsbedingt sozusagen.

      „Spionierst´ mir nach?!“

      „Woran ist sie gestorben?“

      „Keine Ahnung. Hab’ sie nicht gekannt. Vielleicht bei meiner Geburt, was weiß ich.“

      „Sie ist deine Mutter, die Frau?“

      „Mann, Mann, du bist vielleicht ein komischer Heiliger. Ey, wir haben andere Sorgen, okay. Wie man Kohle macht, zum Beispiel. Für geile Klamotten, Urlaub auf Mallorca, ein Motorrad, schöne Frauen, ein guter Drink, ein Cocktail! Für

      O b s t einkaufen, Jep!“

      „Jep?“

      „Jep heißt auf Deutsch okay! Okay?“

      „Okay“, sagt Fidelitas und tippt das Wort in ihr Digital Notizbuch.

      „Geld - ist sehr wichtig?“

      „Wenn man keins hat schon“, grinst Mehmet und pfeift hinter einer Frau her,

      die gerade die Sparkasse verlässt vor der sie eben ankommen. Er parkt den Lieferwagen ordnungsgemäß auf der vorgeschriebenen Parkfläche.

      Im weitläufigen Raum für den Kundenservice sieht Reuss von seinem Schreibtisch hoch. Mehmet, Fidelitas im Schlepptau, betritt die Sparkasse.

      Sein Bayerisch ist nicht vom urigsten und auch nicht der Tölzer Region zuzuordnen. Könnte eher München-Solln sein oder vielleicht doch vom Hasenbergl.

      Der Nichtbayer muss dazu wissen, was viele original echte Bayern meist nicht wissen: Bairisch ist nicht gleich Bayerisch. Ein g´scherter Augsburger