Alfred Broi

Dämon III


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Runde. Trauer und Schmerz hatte sich wieder in ihre Gesichter geschlichen. „Aber…!“ hob er dann an und ein sanftes Lächeln huschte über seine Lippen.

      Heaven schaute ihn forschend an und ihr rechtes Auge verengte sich zu einem Schlitz. „Aber was?“

      „Wir können ihn noch erretten!“

      „Erretten?“ Horror Blick verfinsterte sich. „Was soll das heißen? Tot ist tot, oder?“

      Jetzt wurde Francescos Lächeln etwas breiter. „Der Tod ist relativ!“ Er atmete kurz durch und wurde dann von dem zunehmenden Lärm aus Richtung Burgruine abgelenkt. Schon im nächsten Moment war die mächtige Gestalt Samaels zu erkennen, die auf direktem Wege zu ihnen war. „Aber wir müssen uns beeilen!“ Francesco schaute in die Runde. „Fasst euch an den Händen!“

      „Wieso?“ fragte Terror säuerlich. „Wollen sie jetzt Polonäse tanzen, oder was?“

      "Terror!“ Razor rief ihn mit ernstem Blick zur Ordnung und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Tut, was er sagt!“ Er deutete mit besorgter Miene auf Samael. „Nun macht schon!“

      Dieses Mal folgten alle der Aufforderung.

      „Und jetzt?“ fragte Heaven schließlich.

      Francesco trat einen Schritt zu ihr und ergriff mit einem verschwörerischen Zwinkern ihren linken Unterarm. „Schon mal geflogen?“

      Doch bevor Heaven oder auch einer der anderen etwas darauf erwidern konnte, frischte urplötzlich der Wind extrem auf. Innerhalb weniger Sekunden war ein enormer Luftwirbel um sie herum entstanden, der den Blick nach außen immer mehr erschwerte. Samael, die anderen Dämonen, die Welt um sie herum verwischte zu kreiselnden Lichtfetzen. Es war, als befänden sie sich im Inneren eines gewaltigen Wirbelsturms. Zunächst erfuhren sie selbst jedoch davon keine Veränderungen, dann aber fiel der Sturm über ihnen zusammen und sie wurden von dem irrsinnigen Sog mitgerissen.

      *

      Als Samael die Gruppe Menschen in der Ebene erblickte, empfand er abgrundtiefen Hass, aber auch die Genugtuung, dass sie ihm letztlich nicht entkommen konnten.

      Doch als er sich ihnen näherte, spürte er, wie der Boden unter seinen Pranken zu vibrieren begann. Gleichzeitig veränderte sich die Luft um sie herum und schon nach wenigen Sekunden umgab sie ein immenser Luftstrom, der ihre Konturen verwischte.

      Samael aber würde sich nicht aufhalten lassen und beschleunigte seine Schritte. Gerade jedoch, als er den Luftwirbel erreicht hatte, gab es einen lauten Knall und der Sturm fiel in sich zusammen, nur um sofort danach als Ellipsen-förmiger Körper direkt in den Himmel zu schießen. Da Samael bereits zu dicht daneben stand, wurde er von dem Sog einen Augenblick mitgerissen, bevor er im hohen Bogen durch die Luft flog und schließlich hart zu Boden schlug, wo er sich mehrmals überschlug.

      Die umstehenden Dämonen hatten das ganze Szenario natürlich genau beobachtet und als sie Samael zu Boden stürzen sahen, ging ein Aufschrei durch ihre Reihen, der zu einem nervösen, ja fast ängstlichem Wimmern wurde, als sie die Wut in den Augen des gewaltigen Dämons erblicken konnten, nachdem er sich mühsam wieder aufgerichtet hatte.

      Samaels Zorn zeigte sich sogleich in einem irrsinnig donnernden Brüllen, das über die Ebene hinwegfegte, wie eine sichtbare Schallwelle. Dabei breitete er seine vier Arme aus und in seinem Gesicht stand tiefster Hass. So verharrte er und während die Schallwelle verklang, schien die Luft in einem größeren Bereich um ihn herum nach wie vor zu flirren. Die Dämonen, die innerhalb dieses Radius standen, begannen plötzlich wild und unkontrolliert zu zucken, während sich auf ihrer Haut unzählige Blasen bildeten, als würde sie kochen. Die Blicke der Kreaturen und ihre Ausrufe zeigten nackte Angst, doch hatten sie nicht die geringste Chance, sich dagegen zu wehren oder dem zu entkommen. Schon platzten die Blasen auf und ihr eigenes Blut quoll heraus, ihre Haut brach an immer mehr Stellen auf, begann, sich selbst zu verflüssigen. Die Schreie der Kreaturen wurden immer grauenvoller, bis schließlich ihre gesamtem Körper innerhalb weniger Augenblicke in sich zusammenfielen, wie Wachs auf einer heißen Herdplatte und nur noch ein ekelhaftes Zischen und grauenhaftes Gurgeln zu hören war.

      Die Luft vibrierte noch einige Sekunden länger, dann erst senkte Samael seine Arme und entspannte sich ein wenig. Zumindest äußerlich, denn innerlich schäumte er noch immer vor Wut. Und das auch, weil er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte, der ihm letztlich sogar sein eigenes Leben kosten konnte.

      Denn als ihm bewusst wurde, dass das Himmelstor, das bisher nur als Mythos galt, nicht nur tatsächlich existierte, sondern sich auch in seiner unmittelbaren Umgebung befand, hatte er eine derartige Nervosität und Vorfreude in sich wahrgenommen, wie er sie noch nie zuvor gespürt hatte. Sein umgehendes Handeln war dann vorbildlich gewesen, doch schließlich hatte er einen Fehler gemacht: Er hatte den Menschen, in dessen Körper sich das Himmelstor eindeutig befand, zu sich bringen lassen, anstatt ihn auf direktem Wege zum Schreienden Berg zu schaffen, damit der Gebieter es in seine widerlichen Finger bekam.

      Hätte er so gehandelt, hätte ihm das sicherlich großen Ruhm und Ehre und Vergünstigungen eingebracht, sicherlich sogar einen Platz in seiner Nähe, so aber hatte er nicht nur den Menschen wieder verloren, der es in sich trug, sondern dessen Tod hatte das Tor selbst zerstört. Alles in allem also ein totaler Fehlschlag, der ihm das Leben auf so unfassbar grausame und furchtbare Weise kosten würde, wie es sich Menschen niemals je würden vorstellen können.

      Doch genau darauf hatte Samael überhaupt keine Lust. Nicht etwa Angst davor, obwohl er wusste, wie schmerzhaft es sein würde, nur eben kein Interesse daran, wie ein gewöhnlicher Versager behandelt zu werden.

      Er war schließlich ein Dämon des obersten Ranges und als solcher würde er sich nicht wie gewöhnliches Vieh bestrafen lassen.

      Dass sein Ende besiegelt war, konnte er jedoch nicht mehr verhindern, doch er wollte, dass es ein Ende werden sollte, an das man sich noch lange erinnern würde.

      Und als er sich umdrehte, um zurück zur Burg zu gehen – oder besser zu dem kümmerlichen Rest, der von ihr übriggeblieben war – schaute er zufällig den Berg hinauf und als er dort auf dem Plateau nahe dem Gipfel Bewegung sehen konnte, machte sich schlagartig ein breites, fröhliches, aber gleichzeitig auch extrem widerwärtiges Grinsen in seinem Gesicht breit, weil ihm klar wurde, dass er ein brillantes Werkzeug besaß, um dieses Ende seiner würdig werden zu lassen.

      Der Schlachthof lag etwas abseits der Stadt hinter einem niedrigen Tafelberg in einer weitläufigen Senke.

      Als Peter ihr Ziel endlich sehen konnte, war er heilfroh, denn wie er es geschafft hatte, den maroden Helikopter jemals bis hierher zu schaffen, war ihm ein echtes Rätsel. Er hatte keine Ahnung, was diese Kiste noch in der Luft hielt, aber er war sehr dankbar dafür, dass es so war.

      Für seine Probleme schien sich jedoch niemand wirklich zu interessieren. Francesca neben ihm auf dem Copilotensitz hatte die ganze Zeit über kein Wort gesagt und sich auch nicht gerührt. Bei einem ersten Seitenblick hatte Peter erkannt, dass sie mit ernster, angespannter Miene starr geradeaus blickte. Beim zweiten Mal glaubte er, auch eine Art wachsende Trauer in ihrem Gesicht zu erkennen. Als er nach ein paar Minuten beschloss, sie doch darauf anzusprechen und ein letztes Mal zu ihr schaute, hatte sie ihre Augen geschlossen und er gab sein Vorhaben wieder auf.

      Eigentlich hatte er von der Alten auch gar keinen Beistand erwartet – wohl aber von Talea.

      Doch die junge Frau schien in einer vollkommen anderen Welt zu sein, seitdem sie ihren toten Mann Eric wiedergesehen hatte und obwohl Peter das durchaus verstehen konnte, hätte er sich doch über ein wenig Anteilnahme an seinem Job gefreut. Stattdessen aber saß Talea eine ganze Zeitlang, nachdem Eric sie wieder verlassen hatte, zusammengesunken und total mitgenommen auf der Rückbank, bevor sie sich mit einem tiefen Atemzug wieder aufgerichtet hatte und sich seither beständig aus dem Helikopter beugte, um zu erkennen, was hinter ihnen vor sich ging und mit sichtbar wachsender Ungeduld auf die Rückkehr ihres Mannes wartete.

      Vergeblich – zumindest bisher, denn