Andreas Model

Die schönsten Märchen aus Südafrika


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Ubongopa-kamagadhlela." Der Häuptling befahl dem Mann, zurückzugehen und den anderen zu sagen, sie sollten schleunigst mit dem Vieh zu ihm kommen. Da beeilten sie sich sehr. Als sie auf einem Hügel erschienen, sagte einer der Diebe: "Da sind sie. Da ist ein Junge auf einem weißen Stier, er hat Zauberkräfte. Wenn er den Tieren sagt, sie sollen stehen bleiben, dann halten sie an." Da befahl der Häuptling: "Wenn er ankommt, soll der Stier, mit dem er seinen Zauber ausübt, getötet werden. Und obgleich der Junge nicht auf die Erde darf, soll man ihn dazu bringen." Sie erreichten das freie Feld vor dem Dorf und hielten an. Der Häuptling befahl ihnen weiterzugehen, da erwiderten die Männer: "Der Junge erlaubt es den Tieren nicht. Sie bewegen sich nur, wenn er es sagt." Da befahl ihm der Häuptling zu sprechen. Er sagte:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      Geh los nun, es ist an der Zeit,

      geh los nun, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Ubongopa ging weiter und das Vieh mit ihm. Dann sagte der Junge:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      Geh in den Kraal nun, es ist an der Zeit,

      geh in den Kraal nun, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Also ging Ubongopa in den Kraal. Da sagten die Männer: "Komm herunter. Junge." Und er erwiderte: "Ich komme nicht herunter. Ich gehe nicht auf der Erde herum, ich bleibe auf dem Stier. Von Geburt an habe ich noch nie die Erde gespürt." Der Häuptling sagte: "Komm herunter." Er antwortete: "Ich kann nicht." Da sagte der Häuptling: "Sprich, Junge." Und er sagte:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      lass mich herunter, es ist an der Zeit,

      lass mich herunter, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Er kam herunter. Sie hießen ihn, in die Hütte zu gehen, aber er sagte: "Ich kann in einer Hütte nicht leben." Sie befahlen: "Geh in die Hütte!" Er antwortete: "Ich gehe nicht." Da fragten sie: "Was ist los mit dir?" Sie brachten ihn zur Hütte eines Mannes, der gestorben war, und die schon zerfiel. Man konnte die Sterne durch das Dach hindurch sehen. Dort befahlen sie ihm hineinzugehen. Er ging. Sie gaben ihm Essen, und er sagte: "Ich weiß nicht, wie man auf der Erde isst." Da sagten sie: "Was bist du denn für einer?" und nahmen das Essen fort.

      Er spuckte aus, und der Speichel schäumte auf und fing an zu sprechen: "Häuptling, du Sohn des Mächtigsten, du Geheimnisvoller, der du groß bist, wie die Berge." Der Speichel füllte die Hütte aus. Da donnerte es, und es regnete heftig, und in alle Hütten regnete es hinein, selbst in die, die vorher immer trocken waren. Die Leute riefen: "Der Häuptling ist nass geworden!" Und der Häuptling sagte: "Der Junge ist schon tot, wenn selbst ich nass bin. Noch nie vorher ist ein Tropfen in meine Hütte gedrungen." Und dann fuhr er fort: "Wenn der Junge draußen gesessen hat, lebt er nicht mehr. Er ist tot." Der Himmel wurde wieder hell. Man schickte ein paar Männer, nach dem Jungen zu sehen. Als sie zu der Hütte kamen, da war sie trocken. Sie fragten: "Wie kommt das, dass es in der Hütte des Jungen trocken ist? Der Junge besitzt Zauberkräfte. Wir haben das gleich gesehen. Wir wollen seinen Stier töten, dann werden wir sehen, ob er seine Kunststücke, die wir jetzt erleben, noch vollbringen kann."

      Es wurden alle Leute zusammengerufen. Ein Mann nahm einen Speer und betrat den Viehkraal. Dann rief man den Jungen und sagte zu ihm: "Wir wollen den Stier töten." Er erwiderte: "Ich werde sterben, wenn dieser Stier stirbt." Da fragten sie: "Was bist du denn?" Man gab einem der Diebe den Speer. Er stieß damit nach dem Stier, aber der Speer durchbohrte den Dieb. Da sagten sie: "Sprich, Junge, dass der Stier sterben soll." Er sprach:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      Stirb nun, es ist an der Zeit,

      stirb nun, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Da durchbohrte der Speer Ubongopa, und er fiel nieder. Nun griffen sie nach den Messern, um ihn abzuziehen. Einer durchtrennte die Haut und schnitt sich dabei. Da sagten sie: "Sprich, Junge, du bist so gut wie tot." Und er sagte:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      lass dich abziehen nun, es ist an der Zeit,

      lass dich abziehen nun, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Dann zogen sie den Stier ab. Die Männer sprachen: "Zündet ein großes Feuer an." Die Diebe sagten: "lasst uns ein Weilchen warten, ehe wir den Stier braten. Wir wollen uns erst waschen, um uns von dem bösen Omen zu reinigen. Dieser Stier hatte Zauberkräfte, alles an ihm ist anders als bei anderem Vieh." Schließlich schnitt man das Schwanzende ab. Dabei schnitt sich einer. Da sagten sie: "Sprich, Junge, du bist so gut wie tot." Und er sagte:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      lass den Schwanz abschneiden, es ist an der Zeit,

      lass den Schwanz abschneiden, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Nun schöpften sie das Blut aus dem toten Körper und gossen es in Gefäße. Sie schnitten die Beine ab und hängten den Stier in den Viehkraal. Die Jungen schnitten sich Stücke davon und legten sie beiseite. Dann rief der Häuptling die Leute zusammen und sagte: "Geht und badet, und wenn ihr zurückkommt, esst!" Alle Leute gingen davon.

      Als sie weg waren, nahm der Junge die Haut und breitete sie auf dem Boden aus. Er legte den Kopf darauf, nahm die Rippen und legte sie an ihren Platz. Dann nahm er eine Lende und tat auch sie an ihren Platz. Er nahm eine Schulter und legte sie an ihren Platz und nahm nacheinander ein Bein, die Eingeweide, die Leber, die Lunge, den Pansen und seinen Inhalt, dann den Schwanz und legte alles an seinen Platz. Dann nahm er das Blut und goss es zurück. Nun hüllte er alles in die Haut und sprach:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      Steh auf nun, es ist an der Zeit,

      steh auf nun, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Da kam der Atem in den Stier zurück, und er blickte auf. Der Junge sagte:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      Steh auf nun, es ist an der Zeit,

      steh auf nun, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Also erhob sich der Stier. Der Junge sagte:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!

      lass mich hinauf, es ist an der Zeit,

      lass mich hinauf, es ist an der Zeit.

      Du siehst doch, sie werden uns töten,

      die Diebe vom anderen Stamm."

      Er bestieg den Stier und sprach:

      "Ubongopa-kamagadhlela,

      Ubongopa-kamagadhlela!