Andreas Model

Die schönsten Märchen aus Südafrika


Скачать книгу

Da wollte er wissen: "Hat nicht der kleine Schakal meinen Kindern ausgerichtet, dass sie Fleisch holen sollen?" Die Frau antwortete: "Nein, er ist nicht hier gewesen. Wir sterben schon vor Hunger."

      Der Löwe begab sich zum Haus des kleinen Schakals, aber er konnte nicht auf den Felsen hinauf. So setzte er sich unten ans Wasser und wartete. Nach einem Weilchen wollte der kleine Schakal Wasser holen. Schon nahe am Wasser erblickte er den Löwen, lief schnell davon, der Löwe hinterher. Der kleine Schakal schlüpfte in ein Loch unter einem Baum, aber ehe er weit genug drin war, fing der Löwe seinen Schwanz. "Das ist nicht mein Schwanz, den du dort festhältst", rief der kleine Schakal, "das ist eine Baumwurzel. Wenn du mir nicht glaubst, nimm einen Stein und schlag drauf, damit du siehst, ob Blut kommt."

      Der Löwe ließ den Schwanz los und suchte einen Stein. Als er weg war, schlüpfte der Schakal ganz tief in das Loch. Der Löwe kam zurück und fand nichts mehr. Er legte sich neben dem Loch auf die Lauer. Nach einer ganzen Weile wäre der kleine Schakal gern herausgekommen. Er schlich zum Eingang, sah in die Runde, konnte den Löwen aber nicht sehen. Um sicherzugehen, rief er: "Ho, ich sehe dich, mein Alter, obwohl du dich versteckst!" Der Löwe rührte sich nicht von der Stelle. Da lief der kleine Schakal hinaus, der Löwe verfolgte ihn, aber der Schakal entkam.

      Der Löwe lauerte ihm von nun an auf, und eines Tages, als der kleine Schakal auf der Jagd war, überraschte er ihn an einem Ort, von dem es kein Entrinnen gab. Der Löwe wollte eben über ihn herfallen, als der kleine Schakal leise sagte: "Husch! Siehst du den Buschbock nicht, dort drüben auf dem Felsen? Ich bin froh, dass du zu Hilfe gekommen bist. Bleib hier, ich laufe auf die andere Seite und treibe ihn dir zu." Der Löwe blieb, und der kleine Schakal entwischte wiederum.

      Ein andermal wurde eine Tierversammlung abgehalten, und der Löwe war dabei der Häuptling.

      Der kleine Schakal wollte auch gern hingehen, aber es gab ein Gesetz, dass nur daran teilnehmen dürfe, wer Hörner hatte. So nahm der kleine Schakal Wachs aus einem Bienenstock und formte sich daraus Hörner. Die befestigte er auf dem Kopf und ging dann zur Versammlung. Wegen der Hörner erkannte ihn der Löwe nicht. Aber der kleine Schakal saß nahe am Feuer, und als er einschlief, schmolzen die Hörner. Der Löwe sah zu ihm hinüber und erkannte ihn. Sogleich versuchte er, ihn zu fangen. Aber der kleine Schakal war flink und sprang davon. Er lief unter einen überhängenden Felsen und rief: "Zu Hilfe! Zu Hilfe! Der Felsen fällt auf mich!" Der Löwe beeilte sich, einen Stamm zu suchen, den man unter den Felsen klemmen konnte, damit er an den kleinen Schakal heran konnte. Während er fort war, entfloh der kleine Schakal.

      Dann wurden sie wieder Gefährten und gingen zusammen jagen. Sie erlegten einen Ochsen. Der Löwe befahl: "Ich werde aufpassen, du trägst die Fleischstücke weg." Er gab ihm die Ochsenbrust und sagte: "Bring das zu meiner Frau." Der kleine Schakal brachte sie zu seiner eigenen Frau. Als er wiederkam, reichte ihm der Löwe einen Unterschenkel und meinte: "Bring das deiner Frau." Der kleine Schakal trug das Stück zum Haus des Löwen. Dessen Frau wehrte ab: "Das kann ich nicht nehmen, das sollte nicht hierher." Da schlug der kleine Schakal die Frau ins Gesicht und ging wieder zu der Stelle, wo der Ochse lag. Der Löwe übergab ihm nun ein großes Stück Fleisch und sagte: "Das bring meiner Frau."

      Der kleine Schakal trug es zu seiner eigenen Frau. Und so ging das weiter, bis von dem Ochsen nichts mehr übrig war. Dann kehrten beide nach Hause zurück. Als der Löwe zu Hause ankam, weinte seine ganze Familie. Seine Frau klagte: "Warst du das, der den kleinen Schakal hergeschickt hat, mich und meine Kinder zu schlagen? Warst du das, der uns diesen Unterschenkel geschickt hat? Hab ich je so etwas gegessen?"

      Als der Löwe das hörte, wurde er sehr böse und wandte sich sogleich zum Haus des kleinen Schakals. Er kam an den Felsen, da sah der kleine Schakal herunter und fragte: "Wer bist du und wie heißt du? Wessen Sohn bist du? Woher kommst du? Wohin gehst du und was willst du? Und von wem willst du etwas?"

      Der Löwe erwiderte: "Ich bin nur gekommen, um dich zu sehen. Ich wünschte, du würdest ein Seil herunterlassen." Der kleine Schakal ließ ein Seil aus Mäusefellen herab, und als der Löwe ein Stück hinaufgeklettert war, riss das Seil. Er fiel herunter und verletzte sich. Da ging er nach Hause.

      Der Löwe und der Schakal

      Der Löwe und der Schakal wohnten einst zusammen, aber sie fanden es sehr lästig, dass sie mit ihren Familien in einer Behausung leben mussten. Eines Tages ging der Schakal allein auf die Jagd. Er nahm sich einen Sack, eine Keule und einen Riemen mit.

      Unterwegs traf er einen anderen Löwen. Der rief den Schakal zu sich und fragte: "Was hast du da?" Und der Schakal antwortete: "Ich habe einen Sack mitgenommen." Als der Löwe ihn fragte, was er damit anfangen wolle, sagte der Schakal: "Ich kann es dir nicht verraten. Du wirst mir den Sack wegnehmen, wenn ich es dir sage." Der Löwe versicherte, dass er ihm nichts wegnehmen werde, und nun erzählte der Schakal: "Ich verstecke mich in dem Sack und binde die Öffnung zu. Wenn dann Tiere kommen, springe ich heraus und töte sie." Der Schakal forderte nun den Löwen auf, diese List auch einmal zu versuchen. Der Löwe kroch in den Sack, der Schakal band die Öffnung mit dem Riemen zu und prügelte den Löwen mit der Keule so lange, bis jener tot war. Dann schleppte er den Sack mit dem Löwen nach Hause. Zu Hause saß die Löwenfamilie und schaute ihm zu. Der Schakal befahl seiner Frau: "Hol mir doch das große Messer her." Er öffnete den Sack und schüttete den Löwen heraus. Dann nahm er das große Messer, schnitt dem Löwen die Kehle durch und sagte zu seiner Frau:

      "Wenn ich mit dem Löwen hier fertig bin, dann werde ich auch den anderen Löwen die Kehle durchschneiden." Als die Löwenfamilie das hörte, sprang sie auf und lief fort. Der Schakal rief noch: "Halt, halt!" und lief hinter den Löwen her. Aber bald kehrte er um und war zufrieden, dass er die Löwen vertrieben hatte.

      Der Löwe, der Schakal und der Strauß

      Der Löwe, der Schakal und der Strauß waren unterwegs. Da sagte der Schakal heimlich zu dem Strauß: "Mein Bruder, komm, zieh eine lange Sehne aus deinem Bein und lass uns den Löwen damit fesseln, wenn er schläft." Und sie fesselten den Löwen, während er schlief. Als der Löwe aufwachte, fragte er: "Wer hat mich gefesselt?" Der Schakal rief sogleich, dass er es nicht gewesen sei, da er ja kurze Sehnen hätte. Da fragte der Löwe den Strauß, und der gab zu, dass er es getan hätte. Nun forderte der Löwe den Strauß zum Kampf auf und fragte ihn: "Kämpfst du mit der Faust?" - "Nein." - "Stößt du mit dem Kopf?" - "Nein." - "Stößt du mit dem Fuß?" - "Ja." Und der Strauß fuhr fort: "Wohlan, lass uns einen Termitenhaufen suchen. Wir stellen uns an zwei Seiten auf und versuchen, einer den anderen durch den Haufen hindurch mit dem Fuß zu stoßen. Du kannst anfangen!" Der Löwe stieß einen Fuß in den Termitenhaufen, und es geschah nichts. Da hob der Strauß einen Fuß und stieß durch den Haufen hindurch so heftig gegen den Bauch des Löwen, dass dieser starb. Der Schakal kam heran, wischte die Erde und das Blut vom Fuß des Straußes, lachte und sprach: "Ich sehe, dass der Löwe neben dir kein Mann ist!"

      Der Mann mit den drei Frauen

      Ein Mann hatte drei Frauen. Eines Tages sagte er zu ihnen: "Wenn ich nicht zu Hause bin, dürft ihr nicht von dem getrockneten Fleisch essen. Ich werde diejenige, die es trotz meines Verbotes tut, hart bestrafen."

      Als er nach einiger Zeit abends von der Jagd nach Hause kam, bemerkte er, dass von dem getrockneten Fleisch ein Stück fehlte. Er fragte seine Frauen, doch jede von ihnen gab vor, nichts gegessen zu haben. Die eine sagte: "Vielleicht hast du selber deinen Hunden ein Stück gegeben, bevor du fort gegangen bist?" Da drohte der Mann, dass er am nächsten Tag die Schuldige finden werde.

      Am anderen Morgen, ganz in der Frühe, forderte der Mann seine drei Frauen auf, mit ihm zu gehen. Sie gingen zu einem Fluss, und der Mann suchte, bis er eine besonders tiefe Stelle fand. Dort spannte er eine Elefantensehne von einem Ufer zum anderen und befahl den drei Frauen: "Geht alle nacheinander auf der Sehne hinüber. Nur der Schuldigen wird etwas geschehen." Nun ging die erste bis hinüber, die zweite folgte wohlbehalten. Erst als die Reihe an die dritte kam, die von dem getrockneten