es wieder einmal regnet.
Aber Regen ist gutes Wetter, zumindest aus marokkanischer Sicht. Man freut sich hier über Regen. Er ist gut für Land und Leute, füllt die zahlreichen Stauseen des Landes und verspricht den Bauern gute Ernten. Die können sich dann beim Metzger und Händler mehr dazukaufen, beim Arzt und Apotheker auskurieren lassen, bei Behörden und Ämtern die Dinge beschleunigen. Und die Händler, Ärzte und Beamte kaufen neue Autos, Waschmaschinen und bauen Häuser. So werden alle, Bauern wie Städter, Arme wie Reiche beglückt durch Regen. Er bringt Wohlstand und spült Geld in die Portemonnaies und in die Kassen. Bleibt der Regen dagegen aus, führt dies schnell zur Regierungskrise. Ganze Dynastien sind darüber schon gestürzt, denn „regieren heißt regnen“, wie es wieder einmal Lyautey auf den Punkt gebracht hatte und das gilt wohl nach wie vor. Denn die Landwirtschaft ist auch heute noch einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes. Um die Wasserversorgung und seine Macht sicher zu stellen, ließ daher schon König Hassan II Marokko vorsorglich zum Land der Stauseen ausbauen. Weltweit soll es heute in Marokko neben China am meisten davon geben.
Landwirtschaftliches Zentrum des Landes ist der Nordwesten, am Fuβe des Mittleren Atlasgebirges. Hier liegt die Stadt Meknes, eine der vier Köngisstädte, vielleicht sogar die Imposanteste, Schönste, auch weil sie am wenigsten Aufsehen darum macht und hier findet alljährlich Ende April auch Marokkos groβe Landwirtschaftsmesse, die SIAM statt. Etwas auβerhalb, im Süden der Stadt gelegen, lehnt sich das Messegelände direkt an die historischen Stallungen Heri-es-Souani mit dem groβen Wasserbecken zum Tränken der vielen tausend Pferde und Kamele, die hier unter dem Sultan Moulay Ismail einst untergebracht waren. Die Messe befindet sich somit an einem bedeutungsträchtigen Ort und ist, falls Sie gerade Ende April in Meknes sein sollten, durchaus ein Besuch Wert, denn es bietet sich hier wohl die beste Möglichkeit, von Safran über Datteln, Rosenwasser bis zu Arganöl sämtliche produits du terroir, regionale Köstlichkeiten, direkt bei landwirtschaftlichen Kooperativen zu erwerben, die als Aussteller hierzu aus ganz Marokko angereist sind. Danach kann man vor dem Messegelände gleich noch eine Fantasia, ein traditionelles Reiterspiel, erleben, das wie ein Jahrmarkt in vielen Orten stattfindet und bei dem es im Wesentlichen darauf ankommt, in einer geraden Linie nebeneinander, mit exakt gleicher Geschwindigkeit zu galoppieren und am Ende möglichst synchron einen Schuss abzugeben, so dass man bei guten Reitern nur einen einzigen Knall hört.
Die Stallungen Heri-es-Souani am Messegelände sind zwar schon lange sehr zerfallen, aber die sich daran anschlieβenden, besser erhaltenen tonnengewölbten Speicherhallen für Getreide und andere Vorräte beeindrucken noch heute, nicht durch ihr Dekor, sondern durch ihre schiere Gröβe. Sie machen deutlich, dass Sultan Moulay Ismail im 17. Jahrhundert wirklich groβes mit Meknes als seiner neuen Palaststadt, ville impériale, vorgehabt hatte. Er war gewissermaβen der marokkanische Sonnenkönig und derjenige, der die Hauptstadt vom beengten, nur rund 60 Kilometer entfernten Fes nach Meknes verlegte. Denn Ismail dachte groβ und baute imposant, wie auch die 40 Kilometer langen Mauern und berühmten Tore der Stadt, das Bab Mansour und das Bab El Khems, zeigen. Am Ende wurde er seinem Städtetraum auch begraben und seine letzte Ruhestätte ist natürlich auch eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Sie besticht durch ihre Zellige und Stuckarbeiten und verwundert durch ihre an diesem Platz fremd wirkenden zwei hölzernen Standuhren, die ein Geschenk von seinem groβen Vorbild und Seelenverwandten, dem französischen Sonnenköng sein sollen.
Doch zurück zur Landwirtschaft. Deren Erzeugnisse kann man in all ihrer Fülle aufgestapelt und einladend präsentiert auf dem überdachten Markt am groβen Platz, direkt vor dem berühmten Tor Bab Mansour in Augenschein nehmen. In groβem Stil werden in der Region Meknes vor allem Oliven, Getreide und, ja, Wein angebaut. Die 'Celliers de Meknes', die hier mehr als die Hälfte des gesamten Weins Marokkos produzieren und dabei vor allem französische Rebsorten wie Chardonney, Cabernet Sauvignon oder Merolt anbauen, stellen mittlerweile wohl so manchen europäischen Betrieb in den Schatten und können sich schon mit Produzenten aus Übersee messen. Auch die Qualität stimmt, denn die Sonne verwöhnt die Trauben, Regen fällt ausreichend und der Wüstenwind Chergui kommt selten. Produziert wird vom einfachen Landwein bis zum Spitzenwein 'Château Roselane 1er cru' und getrunken wird das allermeiste nach wie vor im eigenen Land und das zu vergleichsweise stattlichen Verkaufspreisen. Prost! Auf die Widersprüche im Land!
Foto: Frühling ist sicherlich die schönste Jahreszeit in Marokko
Oase Figuig, oder: Was den Bauern auf die Palme bringt
In der Oase ist Wasser alles. Es verbindet alle und entscheidet alles. In einer der schönsten Oasen des Landes, in der Stadt Figuig, am äußersten Südostzipfel Marokkos, 370 km südlich von Oujda gelegen, kommt es aus über dreißig Quellen und sein Weg verläuft teils gut sichtbar, teils aber auch völlig verborgen. Denn das Wasser tritt hier meist nicht vor Ort und von selbst aus der trockenen Erde. Die Oasenbewohner haben es vom Gebirgspalteau Oudaghir hergeleitet und dieses weite System unterirdischer 'Foggaras' schon vor langer Zeit angelegt. In einem der rund zweihundert Bassins in der Oase wird das kostbare Nass dann gesammelt und schließlich innerhalb der Oase nach einem traditionellen, genau ausgeklügelten System durch über hundert Kilometer lange, offene Kanäle, sogenannte Seguias, von Garten zu Garten verteilt. Das Wasser bestimmt somit alles, auch das soziale Miteinander der Oasenbewohner und so wacht ein besonders ehrbarer Mann als Wasserwächter, 'Sraifi', auch über die gerechte Zuteilung der kostbaren Tropfen. Sicherlich nicht die schlechteste Art ist es, beim Erkunden der Oasenstadt einfach dem Lauf des Wassers zu folgen und sich durch das Labyrinth der Gassen treiben und die Farben und das Spiel von Licht und Schatten auf sich wirken zu lassen. Man trifft dabei auch auf Frauen mit traditionellem Haik, einem groβen weiβen Baumwolltuch, das den ganzen Körper umhüllt und mit einer Hand vor dem Gesicht zusammengehalten wird, so dass oft nur ein Auge frei bleibt. Nach wie vor leben in Figuig vor allem Berber vom Stamm der Beni Guil von traditioneller Landwirtschaft, in deren Mittelpunkt natürlich die Dattelpalme steht. Der Legende nach soll Gott, nachdem ihm bei der Schöpfung noch zwei kleine Klumpen Erde verblieben waren, aus dem einen das Dromedar, aus dem anderen die Dattel geschaffen haben und für die Oasenbewohner soll die Schöpfung damit wohl perfekt gewesen sein. Dazu zu zählen wären vielleicht nur noch die nomadisierenden Viehzüchter, die mit ihren Tieren, Schafen der gleichnamigen Rasse Beni Guil, deren Fleisch ob der kargen, kräuterreichen Nahrung besonders gut schmecken soll, durch die karge Steppenlandschaft Dahra ziehen, welche Figuig mit ihrem riesigen Palmenhain umgibt.
Was den Bauern in der Oase auf die Palme bringt, sind natürlich zuallererst einmal seine Datteln. Die Datteln sind der Reichtum der Oase. Die Palme mit ihren zuckerhaltigen Früchten gedeiht, so sagt man, mit dem Fuß im Wasser und dem Kopf im Feuer und ist dabei Sonnenschutz für darunterliegende Etagen des Obst- und Gemüseanbaus. Mitte Februar ist Blütezeit der bis zu 40 Meter hohen Palmen und zwar auf nach Geschlecht getrennten Bäumen. Um Wasser und Platz zu sparen, kultivieren die Oasenbewohner Figuigs nämlich bei etwa 190.000 weiblichen nur rund 100 männliche Bäume und so ist eine Befruchtung auf natürlichem Weg über Insekten oder Wind nicht effizient möglich. Der Gärtner klettert daher mit einem männlichen Blütenstand auf jede einzelne seiner Palmen. Erntezeit ist dann ab August. Auch dies ist ein wichtiger Moment im Jahr. Die ganze Familie ist mobilisiert und der Gärtner klettert wiederum auf seine Palmen, jetzt um die Fruchtstände abzuschneiden, die unten mit einem großen, gespannten Tuch aufgefangen, gesammelt und dann zum Verkauf, zum Eigenverbrauch und zum Nachreifen auf der Dachterrasse sortiert werden.
Foto: Mit der Dattelpalme und dem Dromedar war die Schöfung perfekt
Was den Bauer aber sicher noch auf die Palme bringt, im übertragenen Sinn jetzt, ist seine unsichere Zukunft. Früher wurden in Figuig bessere Datteln geerntet und es gab auch mehr verschiedene Palmenarten. Von ehemals über zwanzig Arten sollen nur noch gut die Hälfte übrig geblieben sein und vor allem die guten Sorten, wie Majhoul, die Königin der marokkanischen Datteln und Bouffaggous, sind weiter im Verschwinden begriffen. Schuld daran ist vor allem ein mikroskopisch kleiner Gegner namens fusarium oxysporum, ein Pils,