Mark G. Hauser

Schlaf, Kindlein, schlaf...


Скачать книгу

der Leiter und verpasste den einzelnen Bäumen ihren Frühjahrsschnitt. Christoph mochte den Frühling. Er spürte, wie die Sonne auf sein doch schon etwas lichter werdendes Haupt schien und begutachtete in Ruhe die zahlreichen Pflanzen und Hecken, die ebenfalls die Sonne genossen. Er spazierte schließlich zu Ulrich hinüber, der akribisch Ast für Ast abschnitt, damit die Bäume auch so wuchsen, wie sie es sollten. „Herrlicher Tag heute, was Ulrich? Wie sieht es dieses Jahr aus, werden wir gut ernten können?“ Ulrich verdrehte kurz die Augen, was sein Chef zum Glück nicht sehen konnte. „Heuer sieht es nicht schlecht aus“, rief Ulrich hinunter, wohlwissend, dass Christoph sowieso keine Ahnung von Pflanzen oder der Gartenarbeit hatte. Also rief Ulrich einfach, was sein Chef hören wollte. Die Bäume hatten seit einigen Jahren schon kaum noch Früchte getragen. Aber Christoph war zufrieden. „Ausgezeichnet, hoffen wir das Beste!“ Frohen Mutes schlenderte er weiter durch die riesige Anlage, bis er schließlich den Gartenteich ganz am Ende erreicht hatte. Er setzte sich auf die neue Bank, die er Ulrich im letzten Frühjahr hatte aufstellen lassen, am Rand des Teiches und betrachtete die zahlreichen Fische, die in dem ruhigen Wasser gemütlich umher schwammen. Nach einer kurzen Weile stand er wieder auf und ging zu dem kleinen Geräteschuppen, der ein paar Meter entfernt stand. Er schob die Türen auseinander und nahm aus dem obersten Regal einen kleinen Eimer mit Fischfutter, ging zurück zum Teich und streute eine Hand voll Futter ins Wasser. Sofort kamen die Fische angeschwommen, um sich an der kleinen Mahlzeit zu laben. Christoph genoss diese freien Tage. Keine Geschäftsreisen, keine Meetings, keine Verwaltungsarbeit. Er mochte seine Arbeit und war auch sehr stolz, dass seine kleine Firma einen solch raschen Aufstieg erlebt hatte, was nicht zuletzt auch Cynthia zu verdanken war. Dennoch war er es, der die Firma bei den meisten Veranstaltungen vertrat und sie nach außen repräsentierte. So gut ihm die Arbeit aber auch gefiel, so sehr freute er sich über seine freien Tage. Plötzlich hörte er hinter sich seine kleine Tochter Marlena rufen. So schnell sie konnte, kam sie auf ihn zugerannt. Christoph konnte kaum glauben, dass sein kleines Mädchen schon acht Jahre alt war. Er ging ein wenig in die Knie, breitete seine Arme aus und hob die Kleine hoch. „Jana hat uns einen Kuchen gebacken, Papa. Wir sollen schnell kommen, solange er noch warm ist.“ Zusammen liefen sie zurück zum Haus, wo die übrigen Familienmitglieder bereits bei Kaffee und Kuchen auf sie warteten.

      4

      Es war kurz nach neun Uhr an diesem Samstagabend und Lydia saß auf ihrer schwarzen Ledercouch und schaute fern. Sandra hatte ihr empfohlen, es sich bereits vor der Massage gemütlich zu machen und sie sollte versuchen, sich so gut es ging zu entspannen. Lydia hatte sich für ihre graue Jogginghose und ein rotes Sweatshirt entschieden. Sie trank ein Glas Milch, während sie wahllos durch das Fernsehprogramm schaltete. Als sie sich endlich für eine Sendung entschieden hatte, klingelte es. Lydia grinste. Schlechtes Timing. Aber sie freute sich schon auf Sandra. Sie ging zur Tür, öffnete und nach einer kurzen Umarmung bat sie Sandra herein. Sandra trug wieder ihr schönes Goldkettchen, dieses Mal über einem schwarzen Rollkragenpullover. „Schön, dass du Zeit hast“, sagte Lydia, während Sandra sich noch im Flur die Schuhe auszog. „Und du meinst, so eine Schläfenmassage kann mir helfen?“ „Naja, versprechen kann ich es dir nicht, aber ich denke einen Versuch ist es wert, oder?“ „Das sehe ich ähnlich.“ Lydia schaltete ihren Fernseher aus. „Und wie funktioniert das jetzt?“ Sandra sah sich um. „Wir brauchen auf jeden Fall einen bequemen Platz, auf dem du liegen kannst. Die Couch wäre eine Möglichkeit. Aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich dir dein Bett empfehlen. Das sollte bequemer sein und es ist auch mehr Platz.“ Lydia wägte kurz die beiden Optionen ab und entschied sich für ihr Bett. Die Couch war zwar sehr komfortabel, aber mit ihrem Bett konnte sie dann doch nicht mithalten. Sie gingen ins Schlafzimmer. „Kissen und Decke werden wir nicht brauchen, das sollten wir alles zur Seite räumen. Hast du einen Platz dafür?“ Lydia betrachtete ihr kleines Schlafzimmer. Wirklich viel Platz gab es dort nicht. „Am besten, wir schaffen die Sachen ins Wohnzimmer auf die Couch. Da dürften sie kaum stören.“ Nachdem sie das Bett abgeräumt hatten, setzte sich Sandra an das Kopfende des Bettes. „Du müsstest jetzt deinen Kopf auf meinen Schoß legen. So kann ich am besten deine Schläfen massieren und den größtmöglichen Effekt erzielen. Leg dich so hin, dass es für dich wirklich bequem ist.“ Lydia legte sich aufs Bett. Sie sah Sandra nun direkt von unten in die Augen. „Ist das für dich in Ordnung? Gut, dann lass uns anfangen. Schließ deine Augen.“ Sandra legte ihre beiden Mittelfinger an Lydias Schläfen und begann, sie mit leichtem Druck zu massieren. „Das fühlt sich herrlich an“, murmelte Lydia. „Dann ist es gut“, antwortete Sandra mit sehr ruhiger und sanfter Stimme. „Aber es ist jetzt wichtig, dass du nur noch sprichst, wenn ich dich dazu auffordere. Lass einfach deine Augen geschlossen und konzentriere dich nur auf meine Stimme. Meine Stimme ist alles, was du noch hören sollst. Entspanne dich, Lydia, entspanne dich und konzentriere dich auf meine Stimme. Lass los von deinem Alltag und entspanne dich. Du spürst meine warmen Finger an deinen Schläfen. Diese Wärme breitet sich in deinem ganzen Körper aus. Spüre diese herrliche Wärme in jeder Faser deines Körpers. Entspanne dich weiter Lydia, das machst du sehr gut.“ Lydia gefiel diese Art der Entspannung. Sie fühlte sich tatsächlich warm und Sandras Stimme wirkte sehr beruhigend. Sandra fuhr fort. „Ich möchte, dass du dir nun eine Treppe mit zehn Stufen vorstellst. Wir werden zusammen nach unten gehen und mit jeder Stufe wirst du ruhiger und entspannter werden, bis wir unten angekommen sind. Dort wirst du die totale Entspannung vorfinden und dein Geist und dein Verstand werden völlig klar und ruhig sein. Lass uns beginnen. Zehn. Neun. Du bist ganz ruhig Lydia. Acht. Sieben. Sechs. Entspanne dich weiter. Fünf. Vier. Drei. Lass los von allen Sorgen und Gedanken. Zwei. Eins. Wir sind fast da. Null. Keine Sorgen mehr. Nur noch dieses wunderbare Gefühl der Entspannung. Du fühlst dich leicht und zufrieden. Wie fühlst du dich Lydia?“ Ohne darüber nachzudenken antwortete Lydia fast automatisch „Leicht und zufrieden.“ Sandra lächelte. Perfekt. Alles lief nach Plan. „Sehr gut Lydia. Du hast keinen Stress mehr, keine Sorgen, keine Gedanken. Dein Kopf ist leer, aber das macht nichts, es fühlt sich gut an. Entspanne dich weiter, die Leere fühlt sich so gut an. Mach dir keine Sorgen darum, ich bin für dich da. Du musst nicht denken Lydia. Sag mir, dass du nicht denken musst.“ Völlig entspannt und ruhig murmelte Lydia „Ich muss nicht denken.“ Sehr gut, dachte Sandra. Der richtige Moment war gekommen. „Gut Lydia. Du musst nicht denken. Ich werde für uns beide denken und dir sagen, was du tun sollst. Du musst dann nur noch das tun, was ich dir sage. Du musst keine Entscheidungen treffen, du kannst dich einfach weiter entspannen. Es ist so viel einfacher, meinen Anweisungen zu folgen, als selbst zu entscheiden, nicht wahr Lydia? Natürlich ist es das. Du wirst ein braves Mädchen sein und tun, was ich dir sage. Brave Mädchen gehorchen ohne zu zögern. Sei ein braves Mädchen Lydia. Du wirst alles tun, was ich dir sage, ohne zu fragen oder zu zögern.“ Sandra stoppte die Massage und nahm ihre Hände von Lydias Schläfen. „Ich werde nun bis drei zählen. Bei drei wirst du deine Augen öffnen und dich hinsetzen, aber du wirst weiter in diesem wunderbar entspannten Zustand bleiben. Du wirst weiterhin ein braves Mädchen sein. Hast du verstanden? Gut. Eins. Zwei. Drei.“ In diesem Moment öffnete Lydia ihre Augen. Ihr Blick war gerade an die Decke gerichtet, aber absolut leer. Sie blinzelte einmal und setzte sich dann völlig gerade auf die Bettkante. Sie wirkte wie ferngesteuert. Sandra war mit dem Ergebnis zufrieden. Sie legte die Hände auf Lydias Schultern und begann diese sanft zu massieren, während sie leise in Lydias rechtes Ohr sprach. „Sehr gut Lydia. Braves Mädchen. Du siehst, wie einfach es ist zu gehorchen. Und es fühlt sich so gut an. Mit jedem Befehl, den du ausführst, wirst du dich besser fühlen. Ich möchte, dass du jetzt aufstehst und dich vor mich hinkniest.“ Lydia gehorchte, den Blick immer noch starr geradeaus gerichtet. „Brav, Lydia. Ich habe einen Auftrag für dich. Ich werde dich am Montag anrufen und werde dir ein Kennwort nennen. Sobald du dieses Wort hörst, wirst du wieder in diesen wundervollen Zustand der Entspannung fallen. Du wirst augenblicklich wieder ein braves Mädchen sein und meinen Befehl ausführen. Du wirst gehorchen. Hast du verstanden?“ Lydia sah nun direkt in Sandras wunderbar grüne Augen. Sie kniete ruhig und mit geistlosem Ausdruck vor ihr, ihre Arme hingen einfach herunter, außerstande irgendetwas ohne Sandras Anordnung zu tun. Die Worte gingen ihr leise, aber ganz von selbst über die Lippen. „Ich werde gehorchen.“

      5

      „Philipp, wo bleibst du denn?“