Ute Janas

Kiras Mission


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und total übermüdet, fing er an zu weinen. Dicke Tränen liefen ihm über sein kleines Gesicht und er schluchzte bitterlich.

      Die Hauptköchin war gerührt. Sie wirkte zwar nach außen immer recht bärbeißig, hatte aber eigentlich ein gutes Herz. Sie sah das kleine Männlein mit den schmutzigen Laubresten im Gesicht und an der Kleidung und den Augen voller Angst und Tränen.

      Seufzend setzte sie sich auf einen Stuhl und klopfte auf ihre breiten Schenkel.

      „Komm Kleiner, komm her und erzähl mir alles“.

      Bizo kuschelte sich auf ihren Schoß und klammerte sich an ihrem Hals fest. Immer noch schluchzte er zum Steinerweichen und Kirvin ließ ihn weinen. Während sie ihn mit starken Armen fest hielt, beruhigte sich der Kleine ein bisschen.

      „Erzähl Kirvin, was mit dir passiert ist“, raunte sie ihm ins Ohr.

      „Ich hatte so viel Angst“, schluchzte Bizo, „ich musste den ganzen Tag unter einem Laubhaufen liegen“.

      Kirvin hielt ihn ein Stück von sich weg.

      „Du warst oben?“, fragte sie entsetzt, und Bizo nickte.

      „Und warum bist du nicht rechtzeitig herunter gekommen?“, fragte sie ihn ärgerlich.

      „Wir haben Erdbeeren gegessen, weißt du, auf dem großen Feld“, begann Bizo eifrig und Kirvin nickte wissend. Für die Kinder war es immer besonders schwer, dass es bestimmte Sachen unter der Erde einfach nicht gab, und dazu gehörten natürlich auch Erdbeeren.

      „Mit wem warst du denn oben?“, fragte sie neugierig.

      „Mit Ingor und Larma. Wir saßen in dem Erdbeerfeld und hatten einen Korb voll gepflückt, den wollten wir euch mitbringen. Aber dann kam der Hund des Bauern“.

      „Der Hund?“, fragte Kirvin ungläubig, „wieso lässt der seinen Hund nachts draußen? “

      „Ich glaub, der ist abgehauen. Jedenfalls mussten wir ganz schnell auf die Bäume klettern, und ich hab den letzten Baum erwischt. Stundenlang hat der Hund vor diesem Baum gesessen und geheult, die beiden anderen schafften es in der Zeit über die Rutschbahn nach unten. Als es hell wurde, ist der Hund nach Hause getrottet. Ich habe unter dem Laubhaufen Schutz vor dem Sonnenlicht gesucht, aber ich habe den ganzen Tag gedacht, der Hund kommt zurück“.

      Wieder zitterte Bizo und die ganze Anspannung des Tages lag in seinem Schluchzen.

      Kirvin ließ ihn weinen und schaukelte ihn wie ein Baby. Welch’ eine Angst musste er ausgestanden haben. Ein tiefer Zorn auf seine beiden Kameraden packte sie. Warum hatten die nichts gesagt? Es wäre ein Leichtes gewesen, Bizo auf dem Magnetstrahl unter die Erde zu holen. Der Sache würde sie nachgehen, aber zunächst musste sie ihren kleinen Schützling versorgen.

      „Komm Bizo, jetzt essen wir erst mal was Vernünftiges“, sagte sie und Bizo strahlte. Kirvin nahm einen großen Teller und häufte Bizo all die Köstlichkeiten auf, von denen er auf dem Weg nach unten geträumt hatte. Dazu gab es ein großes Glas Blaumilch, und der Kleine vergaß vor lauter Begeisterung die Schrecken der letzten Stunden.

      Nachdem er alles aufgegessen hatte, schickte Kirvin ihn ins Sprudelbad, wo er erst einmal einschlief und von gedeckten Tischen und Gläsern voller Blaumilch träumte.

      Die kleinen Menschen waren derweil über ein Laufband einen breiten Gang entlang gegangen, der immer tiefer in die Erde hinein führte.

      Die Wände waren mit Wandteppichen verkleidet, auf denen Motive von Menschen zu sehen waren, die groß und kräftig waren und verschiedenen Tätigkeiten nachgingen. Einige bauten ein Haus, welche waren auf der Jagd und andere wiederum arbeiteten auf den Feldern. Vor einem besonders schönen Wandteppich stoppte die Alte das Laufband und blieb versonnen davor stehen. Ein großer Mann stand auf einer Anhöhe, bekleidet mit einem prächtigen purpurnen Gewand. Er sprach zu einer Menge, die ihm aufmerksam lauschte.

      Die Alte betrachtete das Bild eine Zeit lang und sagte dann:

      „Aton, mein Ahne, ich brauche jetzt deine Kraft. Ich muss meinem Volk helfen. Wir sind nicht mehr so groß und so stark wie Ihr zu eurer Zeit, aber wir haben noch die gleiche innere Kraft und das gleiche Feuer, das euch damals berühmt gemacht hat. Zeig mir, dass ihr bei uns seid, dann wird alles gut.“

      Die Menge verharrte atemlos. Keiner rührte sich, und auf einmal kam von irgendwoher ein starker Windstoß und bauschte den Teppich vor den Augen der Menge.

      Die Alte nickte zufrieden und ging weiter auf dem Laufband, bis sie an eine breite goldene Tür gelangte. Vor dieser Tür standen zwei kleine Wächter, die ehrfürchtig beiseitetraten.

      „Magia, wir grüßen dich“, sagten sie und erhielten ihrerseits einen freundlichen Gruß.

      Magia ging durch den riesigen Raum, der rundherum vergoldet war und von einer nachtblauen Decke mit blinkenden Sternen gekrönt wurde. Der Fußboden war mit hellem Marmor ausgelegt, und in der Mitte stand ein prachtvoll verzierter Thron, den Magia nun bestieg. Die übrigen Menschen setzten sich auf die vielen kleinen Hocker, die rund um den Thron standen.

      „Reich mir den Becher“, befahl Magia, und Alvin, der Stammesälteste, nahm ehrfürchtig einen Becher aus einem kleinen gläsernen Schrank und füllte ihn mit einer Flüssigkeit aus einer blauen Flasche.

      Magia nahm einen Schluck, schloss die Augen und lehnte sich in ihrem Thron zurück.

      Einige Minuten passierte gar nichts, doch plötzlich begann Magia, in einem merkwürdigen Singsang zu sprechen.

      „Ich bin 300 Jahre alt, und unser Volk ist 1000 mal 300 Jahre alt, wir sind das Volk der Asamier.“

      Die Anwesenden nickten und bewegten sich rhythmisch vor und zurück.

      „Eine Laune des Schicksals zwang uns, unter die Erde zu gehen. Hier haben wir uns ein neues Reich geschaffen. Wir nennen uns jetzt das Volk der Erdmunkel. Wir haben eine hohe Intelligenz, wir haben eine hervorragende Technologie, wir können uns ernähren. Es fehlt uns an nichts, außer der Fähigkeit, im Sonnenlicht zu leben. Bis vor ein paar Jahren hatten einige von uns noch geringe Restlichtfähigkeiten, so dass unsere Verbindung zu der Oberwelt auch tagsüber nicht völlig unterbrochen war. Aber diese Munkel leben nicht mehr und seitdem haben wir schon viele Mitglieder unseres Volkes verloren, weil sie es nicht geschafft haben, vor Sonnenaufgang wieder unter der Erde zu sein. Sie sind da oben elendiglich verbrannt. Und immer häufiger fragen sich die Menschen in der Oberwelt, wen sie da vor sich haben, wenn sie einen unserer toten Freunde finden. Uns droht Gefahr, die Menschen der Oberwelt holen auf. Schon haben sie Mittel entwickelt, mit denen sie neue Untersuchungen durchführen können. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie Dinge entdecken, die sie niemals wissen dürfen.“

      Viele der Anwesenden seufzten, und manchen einem liefen Tränen über die Wangen.

      Magia sprach weiter: „Wir brauchen Hilfe, wir brauchen einen Menschen aus der Oberwelt, der uns unterstützt“.

      Jetzt erhob sich ein heftiges Gemurmel und etliche der kleinen Menschen machten ein ablehnendes Gesicht.

      „Wir haben keine andere Chance, ich habe es gesehen.“

      Magia hörte erschöpft auf, zu reden. Alwin wagte sich an ihre Seite und bat sie:

      „Sprich weiter, Magia. Sag uns, was du gesehen hast.“

      Magia wand sich auf ihren Thron. Nach einigen Minuten sprach sie weiter.

      „Ein kleines Mädchen habe ich gesehen, mit blonden Zöpfen. Sie wohnt im flachen Land. Sucht sie. Sie heißt Kira, und sie ist die richtige, wenn sie weinen kann“.

      Danach fiel Magia in eine Art Trance und sagte nichts mehr.

      Alvin beendete die Sitzung und forderte zwei Erdmunkel auf, Magia in ihre Koje zu bringen.

      Dann rief er den Rat der Ältesten zusammen.

      „Erdmunkel, ihr habt Magias Worte gehört und ihr wisst, was sie bedeuten. Folgt mir Freunde, wir müssen darüber beraten“.

      Gemeinsam