Widmar Puhl

Bautz!


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schwer, wenn nicht gar unmöglich. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass dies beabsichtigt ist.

      Im öffentlichen Sprachgebrauch hat diese schlimme Sprachregelung sich bereits durchgesetzt. Ein echter sprachlicher Supergau! Dabei bedeutet das Wort „Dschihad“ zunächst einmal "Anstrengung", und die Definition dieses aktiven "Kampfes" gegen das Böse ist auch unter Muslimen absolut umstritten. Die Unehrlichkeit im Sprachgebrauch liegt darin, mit Floskeln wie "heiliger Krieg" Klarheit vorzutäuschen, wo es keine gibt. Angesichts dieser unheiligen Allianz der Worte sollten Christen und Muslime gemeinsam protestieren.

       Schönreden

      In Stellenanzeigen wird eine Putzfrau inzwischen meistens „Raumpflegerin“ oder „Hygienetechnikerin“ genannt, aber das ändert nichts an der traurigen Tatsache: Ihr Job bleibt schmutzig und ist mit 8,50 EURO die Stunde schlecht bezahlt. „Putzfrau“ ist kein Beruf mit einem tollen Image. Aber auch wenn das Schönreden etwas daran ändern könnte, würde sich doch dadurch nur das Image ändern, nicht die Arbeit dieser Frau und nicht die Geringschätzung ihrer Dienste.

      Schönschwätzer aus Politik und Interessenvertretungen gibt es schon lange, aber seit einiger Zeit scheinen sie Hochkonjunktur zu haben. Immer wieder setzen Lobbyisten, PR-Manager und Medienberater Begriffe in die Welt, die hässliche Tatsachen in einem schöneren Licht erscheinen lassen: „Nullwachstum“ statt Stillstand, „Freisetzung“ statt Entlassung, „Agentur für Arbeit“ statt des frust- und angstbesetzten Wortes „Arbeitsamt“, „Flexibilität“ für das freizeitfressende, kräftezehrende und beziehungsfeindliche Leben unfreiwilliger Jobnomaden oder Pendler: alles bloß verbale Kosmetik an einer unguten Realität.

      Auch „Preissteigerung“ klingt wesentlich besser als die gute alte Inflation oder Geldentwertung. Da ist doch immerhin der Begriff „Steigerung“ drin, und das klingt positiv – auch wenn Flutopfer einen steigenden Wasserspiegel gar nicht gut finden. Für mich sind das sprachliche Sünden gegen die Ehrlichkeit, und damit eigentlich Lügen.

      Aber Vorsicht, Glatteis: Sünde ist ja nicht gleich Sünde. Früher war diese Bezeichnung allein den Verstößen gegen göttliche Gebote vorbehalten. Aber längst sind auch „Verkehrssünder“ gang und gäbe für Leute wie Sie und mich, die schon mal einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen. Oder wie sang schon der Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch: „Wir sind alle kleine Sünderlein“. Der Karnevals-Schlager meint: Wir sind alle Sünder, aber nur ein bisschen. Im Grunde sind wir ja ganz o.k., Vollkommenheit wäre übermenschlich. Da hat er Recht.

      Mit Karneval hatte die Islamkonferenz bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Berlin allerdings gar nichts zu tun. Doch warum berichtet der Minister dann, man habe da „ein bisschen Tacheles geredet“? Was ist das, „ein bisschen Tacheles“? Bestenfalls doch zum Schmunzeln, wie seinerzeit der Refrain des Schlagers „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Liebe“. Freundliche Augenwischerei eben.

      Aber die ist oft weder lustig noch augenzwinkernd freundlich. Verstehen manche Zeitgenossen derzeit unter „Nichtraucherschutz“ nicht eher eine handfeste Diskriminierung der Raucher? Man verbannt sie nicht nur aus Restaurants, sondern auch aus Kneipen und selbst bei Kälte und Nässe auf die Straße. Raucherzimmer? – Fehlanzeige. Rauchende Abgeordnete sollen sich im Parlament in einem Glaskasten mit Dunstabzug vorführen lassen, wie einer auch im Flughafen von Madrid steht. Raucherabteile in Zügen werden auf Befehl von oben abgeschafft, ohne die zahlende Kundschaft zu fragen. So geht das. An dieser Stelle schlägt die Schönrednerei schnell in offene Diffamierung um. Was da mit dem Schlagwort „Nichtraucherschutz“ schöngeredet wird, grenzt schon an eine regelrechte Hexenjagd. Geht man so mit zahlender Kundschaft um, mit steuerzahlenden wahlberechtigten Bürgern? Sicher schädigt Rauchen die Gesundheit, aber Arbeitslosigkeit ist noch viel schädlicher.

      Ernst Elitz, der Intendant des Deutschlandfunks, schrieb einmal in einer Sonntagszeitung: „Wenn jede Banalität zur Kultur erklärt wird, kann Kultur nichts mehr wert sein“. Abschreckende Beispiele fand er in verbreiteten Wörtern wie „Gewalt-Kultur“, „Esskultur“, „Körperkultur“, „Haftkultur“ (ja, so nennen manche Leute unseren humanen Strafvollzug) oder „Verwaltungskultur“. Und da Kultur bekanntlich etwas Schönes ist, fallen die Strahlen ihrer Sonne auch auf höchst fragwürdige Dinge, die man mit dem Begriff Kultur eben verbindet. Ich finde diese Unsitte aus der Werbesprache grauenhaft.

      Auf Schönfärberei zu verzichten, würde bedeuten, unangenehme Dinge auszuhalten und offen auszusprechen. Ich meine, damit käme man der Wahrheit und der ehrlichen Lösung echter Probleme ein wenig näher. Es ist nicht gerade ein Zeichen von Respekt vor den Mitmenschen, wenn man sie manipuliert und dumm schwätzt.

       „Vermittlungsprobleme“

      Als der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den ersten wissenschaftlichen Analysen seiner Reform des Sozialsystems konfrontiert wurde, reagierte er auf die Kritik der Fachleute mit der Bemerkung, da gebe es ein „Vermittlungsproblem“. Dabei hatten viele eher ein Problem mit den Fakten: Von einem Tag auf den anderen waren auf Betriebsrenten die vollen Beiträge zur Krankenversicherung aus eigener Tasche zu zahlen. Viele Leistungen der Krankenversicherungen wurden gestrichen. Die Zuzahlungen für Medikamente stiegen immer weiter.

      Langzeitarbeitslose bekamen wie Sozialhilfeempfänger „Hartz vier“ und fühlten sich fortan wie Bittsteller. Die Arbeitsämter nannten sich „Agenturen für Arbeit“, die aber auch nicht mehr Arbeit zu vermitteln hatten als vorher. Stattdessen gab das neue Gesetz den Behörden erheblich mehr Möglichkeiten für Zwangsmaßnahmen als bis dahin. Um den Missbrauch des Systems durch wenige zu unterbinden, wurden viele drangsaliert – und werden es noch heute. Das war für Gerhard Schröder aber nur ein PR-Defizit, also ein Problem der Überzeugungsarbeit.

      Es folgten ein Wahlkampf und ein Regierungswechsel. Jetzt wurden „handwerkliche Fehler“ eingeräumt, und viele kluge Köpfe arbeiten seitdem an der Ausbesserung dieser Fehler. Trotzdem ist seit damals das an sich gute Wort „Reform“ gleichbedeutend geworden mit „Verschlechterung“. Und wenn das Wort „Eigenverantwortung“ fällt, denken viele Menschen leider inzwischen nicht mehr an all das Gute, das zu diesem Begriff gehört – hier schwingt ja auch so etwas wie „Selbstbestimmung“ mit – sondern sie hören nur noch: „Ich soll jetzt alles selber zahlen“. Leider war es ja auch genau so gemeint. Das ist fatal – auch unter dem Gesichtspunkt von PR- und Überzeugungsarbeit. Da ist etwas gründlich schief gelaufen.

      Der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt, Autor eines viel diskutierten Buches mit dem Titel „Bullshit“, beschrieb in seinem Essay „Über die Wahrheit“ jene Schwindler und Blender, die versuchen, mit dem, was sie sagen, die Meinungen und Einstellungen ihrer Mitmenschen zu manipulieren. „In erster Linie“, so Frankfurt, „interessiert sie daher die Frage, ob das, was sie sagen, die Wirkung hat, diese Manipulation herbeizuführen. Dementsprechend ist es ihnen mehr oder weniger gleichgültig, ob das, was sie sagen, wahr oder falsch ist.“

      Diese Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit ist für ein zivilisiertes Leben heimtückischer und gefährlicher als das direkte Lügen. Denn Leute mit dieser Einstellung bestreiten grundsätzlich, dass es so etwas wie Wahrheit überhaupt geben kann. Sie haben ein Problem mit der objektiven Realität, mit der Anerkennung von Tatsachen, mit der sinnvollen Unterscheidung von Wahr und Falsch ganz allgemein. Ihnen fehlt eine wesentliche Orientierung fürs Leben. Und je größer der Einfluss solcher öffentlichen Redner ist, desto mehr Menschen ziehen sie mit in den Strudel ihrer ganz persönlichen Unsicherheit.

      Ich weiß nicht, ob Musiker dafür eine besondere Antenne haben. Aber ich finde es schon interessant, dass sich 1977 eine österreichische Rockband „Erste allgemeine Verunsicherung“ nannte. Könnte es sein, dass diese Band bis heute zu den Erfolgreichsten im deutschen Sprachraum gehört, weil sie sich mit Millionen von Verunsicherten solidarisiert hat? Weil sie das verbreitete Gefühl aufgreift, die Menschen würden ganz allgemein immer mehr belogen, getäuscht, verunsichert und abgezockt?

      Dabei gibt es unbestrittene Wahrheiten, auch wenn