ab. Wir haben Angst.
Sonnabend, 17. März 1945:
Wir fahren weiter. Mittags machen wir Rast. Frau Schwarz wird in einer Rot-Kreuz-Baracke von einem Sohn entbunden. Nach zwei Stunden werden Mutter und Kind wieder aufgeladen. Am Abend müssen wir wieder am Straßenrand nächtigen.
Sonntag, 18. März 1945:
Es geht morgens wieder weiter. Das Wetter ist frühlingshaft. Wir fahren über Anklam bis an den Fliegerhorst (Tuto?/Tirto?). Bei Bauer Schön finden wir ein Quartier, das erste Quartier seit dem 4. März. Werner ist erkältet, hustet und fiebert.
Montag, 19. März 1945:
Wir bleiben heute in Anklam. Den Pferden werden die Hufeisen angezogen und die Wagenreifen nachgesehen. Wir hatten 3 Wochen immer draußen übernachtet. Nach 3 Wochen haben sich die Pferde das erste Mal in einer Scheune hingelegt.
Die Pferde waren alle beschlagen und hatten Stollen, um die eisglatten Straßen bewältigen zu können. Später auf der Flucht war es schwer, neue Stollen zu bekommen, um sie auszuwechseln. Auf glatten Straßen konnten die Pferde, ohne diese Stollen, nicht richtig ziehen. Fast alle Bauern hatten hier vorgesorgt und Ersatzstollen mitgenommen.
Dienstag, 20. März 1945:
Wir fahren weiter, aber haben keine große Eile mehr. Die Front ist schon hinter uns. Wir hören nicht mehr die Geschütze. Wir sind im Mecklenburger Land. Wir fahren aber jeden Tag weiter westwärts. Wir müssen weiter, weil der Treck ohne Ende ist. Das Wetter ist frühlingshaft schön.
Sonntag, 25. März 1945:
Wir sind auf einem Bauernhof bei Ludwigslust. Die Bauersleute sind sehr unfreundlich zu uns. Wir übernachten hier auf dem Wagen.
Montag, 26. März 1945:
Wir fahren weiter über Ludwigslust nach Schwerin, wo wir wieder übernachten.
Dienstag, 27. März 1945:
Weiter geht die Fahrt von Schwerin nach Gadebusch, wo wir wieder übernachten.
Mittwoch, 28. März 1945:
Von Gadebusch brechen wir in der Frühe auf, um in Richtung Ratzeburg zu fahren. Dort kommen wir um die Mittagszeit an. Vor dem Dom, auf einem großen Platz, kochten wir Mittag und fahren dann weiter bis Groß Grönau, wo wir wieder übernachten.
Donnerstag, 29. März 1945:
Von Groß Grönau fahren wir in Richtung Lübeck weiter. Als wir schon in St. Hubertus ein Stück in Richtung Lübeck weitergefahren waren, wurden wir wieder umdirigiert und nach Westen in den kleinen Ort Wulfsdorf umgeleitet. Hier in Wulfsdorf werden wir Flüchtlinge, (ca. 10 Wagen mit ca. 50 Personen) auf die einzelnen Bauernhöfe verteilt. - So endet die neunwöchige Flucht aus Ostpreußen.
Meine Tante fügte ergänzend hinzu:
In Mecklenburg verließ uns der junge Pole, der den 2. Wagen gefahren hatte, um in seine Heimat Polen zurückzukehren. Von hier bis Wulfsdorf habe ich den zweiten Wagen gefahren.
Die ganze Flucht ging über ca. 1.000 km vom 26. Januar 1945 bis zur Ankunft in Wulfsdorf bei Lübeck in Schleswig-Holstein am 29. März 1945. Kein Mensch kann sich heute diese Strapazen für Mensch und Tier vorstellen, ging doch die Flucht oft nur wenige Kilometer vor der Front her durch halb Deutschland und immer die Russen im Nacken.
In Wulfsdorf wurden die Pferde bei Bauern untergestellt. Da alle Flüchtlinge die Futterkosten nicht bezahlen konnten, mussten sie nach und nach verkauft werden. Der Erlös war nicht groß, weil ein Überangebot an Pferden aus Ostpreußen bestand.
Ohne zu ahnen, dass mein Mann hier in Lübeck im Lazarett lag, war ich nach der Flucht hier untergekommen. Durch den Suchdienst des Roten Kreuzes fand die Familie wieder zusammen.
Im November 1953 wurden mein Mann und ich mit unseren Söhnen Werner und Dieter von Wulfsdorf bei Lübeck nach Lünen umgesiedelt. Unser weiteres Leben spielte sich jetzt hier ab. Wir konnten in unsere alte ostpreußische Heimat nicht mehr zurückkehren. Alles was blieb, war die Erinnerung.
https://sites.google.com/site/zeitzeugen1945/flucht-1945/flucht-aus-romitten
Als Kind in Stettin im Bombenkrieg und Flucht aus Pommern
Marianne Pletzer, geboren 1935, verstorben im Mai 2002 berichtet:
Mein Vater wurde sofort bei Ausbruch des Krieges eingezogen und war später in Frankreich stationiert. Als etwas Schlimmes konnte ich mir in diesen Tagen den Krieg nicht vorstellen. Als mein Vater auf Urlaub kam und herrliche Dinge aus Frankreich mitbrachte, dachten wir Kinder, es würde so weitergehen. Aber die ersten Fliegeralarme und Luftangriffe auf unsere Heimatstadt lehrten uns ganz schnell zu begreifen, dass der Krieg etwas Schreckliches, Bedrohliches war. Mein Vater war inzwischen an die Ostfront verlegt worden. Es kamen keine Päckchen mit Bohnenkaffee mehr, und auch auf Briefpost von ihm mussten wir sehr lange warten. Die Nachbarin, die oft auf uns Kinder aufpasste, erhielt schreckliche Post, so dass meine Mutter sie im Arm hielt und trösten musste. Ihr ältester Sohn war gefallen! Als dann wieder so eine schreckliche Nachricht kam, klingelte die Briefträgerin erst bei uns, damit meine Mutter mitgehen konnte, um diese erneute Schreckensnachricht zu überbringen. Der zweite Sohn war gefallen.
Für uns wurde nun der Luftschutzkeller zur zweiten Wohnung. Fast jede Nacht war Fliegeralarm. Meine Mutter schickte uns Kinder sehr früh am Abend schlafen, sie selbst blieb auf, um uns beim ersten Heulton der Sirenen zu wecken. Dann hasteten wir über unseren dunklen Hof zum Nachbargrundstück, wo der Keller als Luftschutzraum hergerichtet war. Meine Mutter schleppte unseren jüngsten Bruder, wir Größeren trugen kleine Handgepäckstücke. Im Luftschutzkeller trafen wir dann bekannte und unbekannte Nachbarn. Die größeren Kinder saßen mit weißen, verschlafenen Gesichtern neben den Müttern, die kleinen weinten vor sich hin. In den meisten Fällen kam nach einiger Zeit die Entwarnung, und wir kehrten in unsere Wohnung und unsere Betten zurück. Aber nicht immer flogen die Verbände der Alliierten über Stettin hinweg.
Immer häufiger wurde auch unsere Heimatstadt bombardiert. Im Frühjahr 1942 erlebten wir dann einen ganz schlimmen Angriff. Es begann wie so oft und nicht anders als sonst. Alarm nach 22 Uhr, der dunkle Himmel von grellen Scheinwerferfingern erhellt, die nach den Fliegern suchten. Wir hatten unseren Schutzraum noch nicht erreicht, da fielen die ersten Bomben. Die Luftschutzwartin scheuchte uns alle in den Keller, wir saßen kaum, da detonierten die ersten ganz in unserer Nähe. Wir waren alle starr vor Angst! Ich schaute immer auf die vielen Leitungen, die den Keller durchzogen, hatte ich doch in Gesprächen mitgehört, dass solche Leitungen bei Bombardierungen geplatzt waren. Es waren Wasser- und Gasleitungen. Das Licht im Keller flackerte, und wir horchten alle auf die Einschläge. Dann plötzlich ein schrecklicher Pfeifton, und das Licht erlosch. Die Kellerluft war voller Staub, und man konnte kaum atmen. Jetzt sind wir verschüttet, dachte ich voller Entsetzen. Dann leuchteten Taschenlampen auf. Man sah aber vor Staub kaum den Lichtkegel. Plötzlich bekamen wir nasse Tücher um die Ohren geklatscht, die sollten wir uns vor Mund und Nase pressen. Es herrschte Panik in dem Keller! Nach einer uns endlos vorkommenden Zeit ging das Licht wieder an, und wir erfuhren von der Luftschutzwartin, dass unser Häuserblock noch heil war. Ganz in der Nähe war eine Luftmine heruntergekommen und hatte eine ganze Tankstelle weggerissen. Es dauerte lange in dieser Nacht, bis endlich Entwarnung war. Als wir dann in unsere Wohnung zurückkamen, sah es dort verheerend aus. Kaum eine Fensterscheibe war noch heil. Die Lebensmittel waren aus dem Küchenschrank gefallen, und alles war voller Scherben. Es war für uns furchtbar.
Diese schlimme Nacht hatte zur Folge, dass meine Mutter