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Tora!Tora!Tora!


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Degener-Berger und Martin Gonert verdienten ihr Geld mit Schaltern aus Schalksmühle, aber im Vergleich zu den 1,5 Milliarden (Degener-Berger GmbH) beziehungsweise 1,2 Milliarden Euro (Gonert Schaltlösungen GmbH & Co. KG) hatte Guido Vollert doch klar die Nase vorn.

      Das Schöne in Schalksmühle war, dass am Ende doch alles in der Familie blieb. Er hoffte, dass das noch lange so bleiben würde.

      Am Montag morgen um 8.30 Uhr erschien Robert in seinem noch einzigen Anzug in der Kanzlei und meldete sich, wie Kaiser ihm gesagt hatte, bei seinem Kollegen Severin Luven an. Das Büro von Luven ging ebenfalls nach hinten hinaus, war jedoch erheblich kleiner als das von Kaiser. Es war aber offensichtlich, dass Severin unter den 20 Mitarbeitern der Kanzlei, die noch nicht Partner waren, der Leitwolf war. Robert schätzte ihn auf nicht älter als Anfang 30, ein heller, asketischer Typ mit kurzen roten Locken und einem dauerhaft spöttischen Lächeln in den Mundwinkeln.

      Er wechselte seinen Gesichtsausdruck auch beim Händeschütteln nicht.

      „Guten Morgen. Wie geht´s?“

      „Danke, gut. Ich freue mich.“

      „Schön. Es wartet auch viel auf Dich.“

      Er sah ihn direkt an.

      „Wenn das für Dich o.k. ist, duzen wir uns. So machen wir das alle hier, abgesehen von Jakob und Felix.“

      „Ja, klar, ist mir sehr recht.“

      Severin nickte zu sich selbst und blätterte in den Papieren auf seinem Tisch, bei denen es sich offensichtlich wieder einmal um Roberts Bewerbungsunterlagen handelte.

      „Tja, machen wir uns nichts vor. Ich hätte Dich den Unterlagen nach nicht zum Gespräch eingeladen. Dafür geben die Noten und der Rest einfach zu wenig her.“

      Ein kurzer scharfer Blick zu Robert.

      „Aber Jakob hat anscheinend Gefallen an Dir gefunden. Ich weiß nicht, woran das genau liegt. Aber es spielt auch keine Rolle. Du solltest wissen, dass Du hier anfängst wie jeder andere und die gleichen Chancen bekommst. Dass ich Dich nicht genommen hätte, heißt nicht, dass Du Dich nicht beweisen kannst. Aber dass Du hier bist heißt auch nicht, dass das immer so bleiben muss. Wer hier nicht reinpasst, ist schneller wieder draußen als er denkt.“

      Severin versuchte sich an einem echten Lächeln.

      „So, soweit der Ernst des Lebens. Aber wenn Du hier ranklotzt, kann das durchaus was werden. Du kennst unser Themenportfolio, Du hast in der Richtung schon ein paar ganz erfolgreiche Ausbildungsstationen in Deinem Referendariat gemacht und ich kann mir daher vorstellen, dass Du es packst.“

      Er schob die Unterlagen zur Seite.

      „Aber glaub nicht, dass Du es schon geschafft hast.“

      „Ganz sicher nicht.“

      „Gut, dann kommen wir jetzt mal zu den Inhalten.“

      In den nächsten 20 Minuten führte ihn Severin detailliert in die aktuellen Tätigkeitsfelder der Kanzlei ein. Robert wusste schon viel darüber, aber es war doch beeindruckend, welcher Mandantenstamm sich immer wieder auf die Expertise von Kaiser & Moron verließ. Von der Bundesregierung zu zahlreichen Behörden und vor allem natürlich dicken Fischen aus der Großindustrie waren etliche Renommierklienten dabei, außerdem zahlreiche eher unbekannte Mittelständler, die mit ihren Produkten Weltmarktführer waren. Wer hier anfing und dabei blieb, hatte es geschafft, entweder als Daueranstellung oder Sprungbrett für andere lukrative Jobs.

      „Es ist natürlich klar, dass Du von den Mandanten erst mal nichts sehen wirst. Ansprechpartner sind wir. Und wir verwirren unsere Mandanten nicht mit Mitarbeitern, die noch nicht zum permanenten Stamm gehören. Wenn Du was von den Top-Fällen mitbekommst, dann im Rahmen von Zuarbeit, wenn wir für nachrangige Details keine Zeit haben. Aber das wird für Dich erst einmal anspruchsvoll genug sein.“

      Robert nickte.

      „Aber zunächst einmal wird Deine Hauptaufgabe in ganz anderen Bereichen liegen. Wir haben nämlich bei unseren Mandanten, vor allem den privaten, einige Umsatzbringer, die uns nebenbei auch mit ziemlichem Murks beschäftigen.“

      Er zog aus der Ablage eine dünne Akte.

      „Wir fangen direkt mit ihm hier an. Klaus Oberermbter. Sagt Dir der Name zufällig etwas?“

      „Oberermbter Markisen?“

      „Hey. Gut. Betrieb vom Vater übernommen, inzwischen selber schon 68 und einer der wenigen, die in dem Segment wirklich hochpreisig anbieten können. Ein bisschen unklar ist, ob er sich sein großes Hobby - die Jagd - tatsächlich zur Entspannung oder zum Renommieren zugelegt hat. In seiner Jagdhütte hat er jedenfalls schon einige Deals eingefädelt. Es kommt auch schon mal vor, dass wir ihm da spontan Sonntag morgens beistehen müssen.“

      Severin strich beiläufig über die Akte.

      „Von der Sorte haben wir einige. Fraglos einer unserer Premium-Klienten. Nur einen Nachteil hat der gute Oberermbter: Er prozessiert wegen jedem Mist.“

      „Das klingt nach keinem Anwaltsproblem.“

      Severin verzog sein Gesicht.

      „Wie stellt Ihr Euch an der Uni eigentlich diesen Beruf vor? Schön ist natürlich, wenn seine Firma klagt oder verklagt wird, obwohl das eigentliche Geld natürlich die Beratung bringt. Ärgerlich ist es aber, wenn er private Probleme hat. Meistens sind die Streitwerte nur mäßig, man darf aber auch keinen Vergleich machen und die Sache schnell beerdigen, weil es meistens ums Prinzip geht. Und Honorarvereinbarungen zu unseren normalen Stundensätzen fallen auch flach, weil der Gute davon ausgeht, dass wir das eigentlich als Service nebenher machen können.“

      Severin schob die Akte über den Tisch.

      „Und hier kommst Du ins Spiel.“

      „Das geht doch in Ordnung.“

      „Das will ich meinen. Zur Sache: Unser Mann tritt zumindest offiziell wirklich als passionierter Jäger auf. Für sein Revier hat er den obligatorischen Antrag für den Rotwildabschuss bei der Jagdbehörde eingereicht. Aber der ist das zu viel. Er hat schon für die letzte Saison 135 Stück Wild beantragt und irgendwie durchbekommen.“

      „135 Stück? Schießt er die allein?“

      „Meistens wohl. Aber ausgewählte Bekannte werden auch mal mitgenommen. Jakob war auch schon dabei, aber für ihn ist das ja gar nichts, er hätte beinah gekotzt.“

      „Und jetzt will er noch mehr?“

      Severin holte sich die Akte wieder heran und schlug sie auf.

      „Ja. 166 Stück. Will heißen,“ er blätterte in der Akte, “zusätzlich noch 26 Hirsche der Güteklasse I a sowie 5 der Güteklasse II a. Und das ganze ohne die letztjährige Beschränkung, nämlich auf ausschließlich Achter, Eissprossenzehner und einseitige Kronhirsche.“

      Er schob die Akte zurück zu Robert.

      „Hört sich sehr speziell an, ist aber letzten Endes nur Fachchinesisch. Lies Dir den Bescheid der Behörde mal auf Fehler durch. Ich fürchte aber, Du wirst keine finden. Die Sache ist eigentlich schon verloren. Solltest Du was Brauchbares finden, ist das schön und bringt Punkte bei Oberermbter. Wenn nicht, bist Du wenigstens in dem Thema drin, denn das ist bestimmt nicht das Letzte, was Du von ihm und der Jagd mitbekommen wirst.“

      „Wunderbar. Bis wann brauchst Du das?“

      „Komm mal“, Severin blätterte in seinem Terminkalender, „am Mittwoch um 9 Uhr zu mir.“

      „Ist gut.“

      „Und noch was.“

      „Ja.“

      „Die Ausführungen vorhin zu Deiner Bewerbung, das war Bussiness, ok? Ich hatte Dir ja gesagt, dass Dir Deine Vergangenheit nicht mehr schadet. Deine Chancen sind da und Du kannst sie nutzen.“

      „Hab ich verstanden.“

      „O.k.