Angelika Storm

Der Tanz mit der Kobra


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gesamten Potential, deinen Möglichkeiten, deinem Lachen, deinen Stärken und Schwächen, soweit sie meiner Wahrnehmung zugänglich sind. Und wenn da jetzt einige Muster dabei sind, mit denen du dir permanent Leid und Mangel zuführst, das sind deine wirklichen Feinde, denn diese Muster entspringen einem gut trainierten Selbsthass-Mechanismus. So kann ich selbst durchaus damit sein, denn es tut in erster Linie dir weh, nicht mir.“ Ich fragte ihn: „Könntest du dir vorstellen, dass deine Art, wie du gestern warst vielleicht auch weh tut? Und das soll dann helfen?“ Mit lehrerhafter Stimme fuhr er fort. „Da ich eine ganz bestimmte Haltung für dich bewusst eingenommen habe, nehme ich mir die Freiheit, diese deine Feinde anzugreifen; indem ich sie offen lege.“

      Ich unterbrach. „Wie eine Dampfwalze...“ Er fiel mir ins Wort: „Es wäre katastrophal, wenn du gerade diese Muster mit dir verwechseln würdest! Ich liebe dich so, wie du bist! Ist es schlimm, wenn ich dich auf eine Handhabung aufmerksam mache, mit der du dir laufend mit dem Hammer auf den Daumen haust? Auch wenn du sagst: "Ja ich weiß, aber das ist einfach mein Muster, das mache ich immer!" Soll ich dann sagen: "Ich verstehe dich!" Ist das Liebe? Wenn ich trotzdem versuche, dich dafür zu gewinnen, dich deinem Selbsthass-Mechanismen zu widersetzen, ist es Beleidigung? Sind es wirklich Vorwürfe? Ist es vielleicht sogar ein Geschenk? Angenommen, du kannst dir absolut sicher sein, dass du einen Partner hast, der an deiner Seite steht, der dir klare Rückmeldung gibt, wenn du Dinge tust, mit denen du dir selbst schadest? Und angenommen, du benutzt diese Unterhaltung, um dein Modell von einem geilen Leben zu erweitern und probierst es einfach aus, so wie bei Carnegie: Du bist zuerst träge, dann der Satz: Handle begeistert, und du wirst begeistert. Tun wir doch einfach mal so, als ob... Mal sehen, wie sich die Tatsachen verändern.“

      Obwohl mir der Kopf bei den langen Ausführungen von Jo schwirrte, fühlte ich, dass er eine Haltung für mich hatte und mich unterstützen wollte. Auch wenn es manchmal schmerzhaft für mich war. „Das ist alles einfacher gesagt als getan“, erwiderte ich. „Nein“, widersprach er. „Du kannst jedes Gefühl erzeugen.“ „Jedes?“ dehnte ich. „Ja, jedes. Du begibst dich bewusst in eine Stimmung und dann kommt das Gefühl. Wir erzeugen immer in uns die Gefühle.“ Jetzt wurde ich ein bisschen provokativ: „Habe ich meine Liebe für dich nur erzeugt? Das wäre mager! Nein, sie ist da und darum behaupte ich, dass du in diesem Bereich Unrecht hast und mir meine Illusionen rauben willst“ Tief holte ich Luft. „Nein, die lasse ich mir nicht rauben. Ich lasse mir meine Liebe nicht reduzieren auf: ich kann sie erzeugen. Sie ist da – fertig!“ Wieder lachte Jo sein heiseres Lachen. „Natürlich hast du auch deine Liebe erzeugt. du hast eine Vorstellung von mir und hast daraus deine Liebe erzeugt.“

      Diese Sätze fühlten sich nicht gut an und kurz streifte mich die Ahnung, dass Jo aus bestimmten Gründen seine Liebe für mich „erzeugt“ hatte. Wir beendeten dieses Telefonat noch mit einigen Floskeln und ich blieb nachdenklich zurück.

      ***

      Überraschungen

      Mein Hund und ich kamen zum Frühstück bei Jo an. Er sagte er hätte eine tolle Überraschung für mich. Nach dem Frühstück gingen wir eine Runde mit dem Hund spazieren. Lachend sagte Jo: „Meine Nachbarin war ganz erstaunt, dass ich mit dir zusammen bin.“ Fragend schaute ich ihn an. „Ja, sie ist gewohnt, dass ich immer kleine zierliche Frauen hatte und nicht so eine grobe mit so wilden Haaren.“ Sprachlos überging ich diese Gehässigkeit. Jo machte manchmal Bemerkungen, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen. Sprach ich es dann an, schaute er mich mit großen Unschuldsaugen an und meinte ganz entsetzt, dass ich ihn falsch verstehe und er nur ehrlich wäre.

      Ich holte tief Luft und beschäftigte mich mit meinem Hund. Ja das liebte ich, mit dem Hund durch die Landschaft streifen. Während mein Hund dem Stock hinterher rannte, drehte ich mich zu Jo um und fragte: „Welche Überraschung hast du denn für mich?“ Geheimnisvoll lächelte er und sagte nur: „Du wirst es bald sehen.“

      Nach unserem Spaziergang stiegen wir ins Auto und Jo fuhr mit mir durch die grünen Weiten des Stader Umlandes. Irgendwo in der Walachei stand einsam ein sehr schönes Haus. Auf dem Grundstück wuchsen Obstbäume und es zeigten sich schon die ersten Früchte. Als Begrenzung des Grundstückes gab es die verschiedensten blühenden Büsche. Kleine Beete zeigten, dass hier wohl ein Hobbygärtner so einiges angepflanzt hatte. Es war ein wunderschönes verträumtes Fleckchen Erde inmitten von weiten grünen Flächen. In der Ferne grasten Kühe und es war grün, wohin das Auge schaute. Jo schloss mit dem Ausdruck eines kleinen Jungen in den Augen die Tür auf. Wir gingen in ein wunderschönes Wohnzimmer mit großem weißem Kamin, Holzfußboden und riesengroßen Fenstern, durch die man in den Garten schauen konnte. Er umarmte mich: „Hier ist unser neues Zuhause.“

      Ich sagte nichts. Die Überraschung war gelungen. Wir gingen In die oberen Räume. Ein helles geräumiges Schlafzimmer sowie ein ehemaliges Kinderzimmer. Eifrig sagte Jo: „Hier können wir ein Büro einrichten. Und schau mal, es gibt ein Gäste WC und eine extra Badewanne. Als wir in den geräumigen Keller stiegen, strahlte Jo mich an und sagte mit weit ausholender Geste: „Und hier kommt die Firma hinein.“ Beifall heischend schaute er mich an. Inzwischen war ich mit meiner Geduld am Ende. Doch ich sagte gezwungen locker: „Na, das ist ja schön für dich.“ „Nein!“ rief er enthusiastisch, „es ist für uns beide. Und...“ nach einer kunstvollen Pause sagte er: „ich habe den Vertrag schon unterschrieben.“ Mit bettelnden und strahlenden Augen versuchter er mich zu überreden. Obwohl ich mich überrumpelt und auch in der Klemme fühlte, sorgte wohl meine innere Weisheit für mich. Fast überrascht hörte ich mich sagen: „Wenn du hier einziehen möchtest, dann wünsche ich dir viel Spaß – aber ohne mich.“

      Jo redete mit Engelszungen auf mich ein. Es wäre hier draußen doch viel günstiger als in Stadtnähe. Und wir beide hätten doch uns.

      Vielleicht ahnte mein Unbewusstes, dass ich hier in der Abgelegenheit noch viel mehr von Jo abhängig werden würde, als wenn ich näher an meinem Heimatort und bei meinem Freundeskreis blieb. Ich blieb hart und sagte ihm, dass ich niemals hier her ziehen würde. „Ja, aber ich habe doch schon unterschrieben und es ist so günstig“, sagte er weinerlich.

      Er hatte diesmal keine Chance und jammerte noch Wochen danach, wie schwierig es war und wie viele Tricks er brauchte um den Vertrag rückgängig zu machen.

      ***

       Wehmütig schaute das kleine Mädchen aus dem Autofenster. Die meisten Möbel standen schon im neuen Haus. Traurig richtete das Mädchen mit ihrer Schwester zusammen das neue Kinderzimmer ein.

       Ich wusste, dass ich nun all meine Freunde verloren hatte. Ob ich wieder neue finden würde?

      ***

      Enthüllungen

      In meinem Schlafzimmer hingen Bilder von Sai Baba, Babatschi und Jesus an der Wand. Das waren, nach meiner spirituellen Ausbildung, drei Vorbilder für mich. Eines Morgens, Jo hatte bei mir übernachtet, wachte ich auf. Ich war träge und genoss es, einfach zu dösen, ihn so schön nah zu spüren. Dann merkte ich, dass er unruhig wurde und bekam den Wunsch nach mehr Nähe. Ich kuschelte mich näher an Jo heran. Plötzlich sagte er total aggressiv: „Müssen deine Gurus hier im Schlafzimmer hängen?“ Ich schaute auf meine „Heiligen“, von denen ich viel gelernt hatte und war sehr verletzt. Diese Aussage beinhaltete für mich auch die Nichtachtung meiner Ausbildung und meiner spirituellen Arbeit. Er hätte doch einfach sagen können, dass er im Moment keine Nähe wollte. Wütend stand ich auf. Jo grinste mich ziemlich boshaft an. Ich schmiss ihm seine Kleidung ins Gesicht und sagte wütend: „Es wird wohl Zeit, dass du nach Hause fährst.“ Wütend verließ ich das Schlafzimmer.

      Später beim Frühstück unterhielten wir uns über meine Ausbildung zur spirituellen Beraterin. Ich erzählte ein bisschen, aber irgendetwas hielt mich zurück, zu sehr ins Detail zu gehen. „Wie kam es, dass du Heilerin wurdest. Soweit ich mich erinnere, war das doch nicht das Ziel der Ausbildung?“ fragte Jo. „Nein, das war bestimmt nicht mein Ziel. Ich wollte einfach nur gesund werden. Als ich 35 Jahre alt war, wollte man