Peter Gotth. Bieri

Einblicke ins Universum von Pierre Teilhard de Chardin


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Erde

      Während einer längeren Expansionsperiode besiedelte der Mensch sämtliche Kontinente und Landstriche, selbst die unwirtlichsten. So entstand allmählich, zusätzlich zur Biosphäre, eine ‚Geistsphäre‘ rund um die Erde.

       5. Ansteigen der psychischen Temperatur durch Verdichtung

      Durch die ständige Zunahme der Weltbevölkerung (gegenwärtig 80 Millionen jährlich) wird es wegen der gekrümmten, nicht ausdehnbaren Erdoberfläche immer enger auf der Erde. Es kommt zu einer neuen Art Verdichtung, diesmal der Menschen untereinander. Dadurch erhöht sich die ‚psychische Temperatur‘ der Menschheit. Das führt zu großen Spannungen und Konflikten.

       6. Verstärkung des globalen Bewusstseinsfeldes

      Diese ungemütliche Situation ist ein notwendiges Durchgangsstadium, denn die obige Formel gilt auch hier: je komplexer, desto bewusster. Durch die Verdichtung verstärkt sich auch das glo­bale Bewusstseinsfeld. Die Menschen werden einsichtiger, die Wissenschaft erkennt immer größere Zusammen­hänge. So wird uns allmählich bewusst, dass im Universum alles mit allem zusammenhängt, dass die Zukunft offen und gestaltbar ist, und dass das Potenzial und die Verantwortung für die Weiterentwicklung bei uns liegen.

       7. Die Menschheit ist ein Organismus

      Daraus erwächst die Einsicht, dass die Menschheit nur überleben kann, wenn sie sich als ganzheitlichen Organismus organisiert. Diese Einsicht führt zu glo­balem Denken und zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit.

       8. Der Sinn fürs Ganze

      Die ganze kosmische Entwicklung muss sinnvoll, irreversibel und unvergänglich sein, sonst würden die Menschen nicht nach ‚Mehr Sein‘ streben und ihr Engagement für eine gemeinsame Zukunft würde rasch erlahmen. Mit dem Bewusstsein, eine spezialisierte Zelle im Menschheitskörper zu sein, wächst in immer mehr Menschen ein ‚Sinn fürs Ganze‘, das Bedürfnis, diesem Ganzen zu dienen und Mitverantwor­tung zu übernehmen. Das kosmische Streben nach ‚Mehr sein‘ drückt sich im Menschen aus als Glaube an etwas Ganzes, Vollkommenes. Dahinter stecken die Ur-Sehnsucht nach Vereinigung und das Verlangen, selber ganz zu werden.

       9. Die Entwicklung ist konvergent

      Die kosmischen Entwicklungen sind konvergent; alles tendiert dazu, zusammenzustreben. Die Menschheit macht da keine Ausnahme; sie strebt zu einem konvergenten Zielpunkt: Omega. Das heißt, das Drängen von unten und eine Anziehungskraft von oben zieht und treibt die Menschheit in einem sich verjüngenden Spiralen­gang auf ein höchstes Zentrum hin zu ihrer Vollendung.

       10. Gemeinsame Ganzwerdung

      Individuelle Vervollkommnungsversuche führen in die Vereinzelung. Nur das Bemühen um die gemeinsame Ganzwerdung bringt uns weiter. Doch der einzelne Mensch wird nicht untergehen in diesem Ganzen, sondern darin aufgehen; er wird darin aufgehoben sein, aber nicht damit verschmelzen, sondern sich darin sogar weiter differenzieren.

       11. Ein personales Über-Menschliches

      Sich hingeben kann der Mensch nur einem Größeren als er selbst, einem Über-Menschli­chen. Aber dieses Größere kann nicht ein Etwas sein, sondern muss ein Jemand, also personhaft im Sinn von höchst-bewusst sein.

       12. Das personhafte Göttliche

      Dieses Personhafte kann man als göttlich bezeichnen; es offenbart sich im Menschen, und so kann er zu ihm in Bezie­hung treten. Für Christen ist es der ‚kosmische Christus‘ als Kraftquelle und Anziehungskraft zugleich.

      Naturwissenschaftliche Entwicklungstheorie und christliche Heilslehre sind so gesehen nur zwei verschiedene Ansichten desselben Prozesses.

       13. Vollendung durch Liebe

      Dadurch findet der Mensch zu einer neuen Form der Liebe, zu wahrer Nächstenliebe. Seine egozentri­schen Bedürfnisse vermindern sich allmählich. Das ist ein ebenso schmerzlicher wie freudiger Prozess. So fügt sich der Mensch immer mehr dem mystischen Leib Christi ein, und durch diese Eingliederung wird er voll­endet. Denn im Verlauf dieses Prozesses verwandelt sich sein ganzes We­sen.

       14. Die Wiederkunft Christi

      Durch die liebevolle Vereinigung einer zunehmender Zahl verwandelter Men­schen verstärkt sich die Anziehungskraft des über-menschlichen Brennpunkts immer mehr, bis in einem kosmischen Moment ein gewaltiger Impuls alle Menschen guten Willens blitzartig erfasst (= die Wiederkunft Christi) und sie als Einheit in eine neue, göttliche Dimension durchbrechen.

      PGB 2010

      3 Aufstieg ins Licht

      Angeregt durch die spirituelle Entwicklungstheorie und die Zukunftsvision von Pierre Teilhard de Chardin, hat Pia Gyger zusammen mit Maria-Christina Eggers einen christlichen Einweihungsweg für unsere Zeit konzipiert (siehe Literatur am Schluss). Er besteht aus vierzehn Schritten, die dem traditionellen Kreuzweg entsprechen. Der Weg Jesu wird so zum eigenen Weg, einem aktiven Aufsteigen ins geistige Licht.

       Die vierzehn Stationen

      1. Mache dich auf den Heimweg

      2. Umarme die Macht des Wortes

      3. Richte dich auf die Freude aus

      4. Erwache zur Macht der Liebe

      5. Entfalte Mut zum Sein

      6. Öffne deine Sinne für Schönheit und Würde

      7. Befreie die Ohnmacht

      8. Wende dich der Tiefe des Herzens zu

      9. Wirke mit am Erwachen der Menschheit

      10. Entfalte die neue Frau, den neue Mann

      11. Sprich das Licht im Dunkel unserer Zeit an

      12. Feiere das Leben

      13. Segne, was tot ist in deinem Herzen

      14. Bist du bereit?

      Die ersten sieben Stationen dienen der eigenen Entfaltung und Selbsterkenntnis. Sie bewirken ein höheres Bewusstsein. Die achte Station bildet den Wendepunkt und die Umkehr. Die weiteren Stationen sind dem Umgang mit dem Licht und der Wandlung zum ‚neuen Menschen‘ gewidmet. Auf der 14. Station geschieht die Weihe zur Priesterin, zum Priester der ‚kosmischen Wandlung‘.

       Ein Auszug aus der zehnten Station als Beispiel

      Mann und Frau brauchen einander zur Ergänzung. Doch nicht so, dass die Frau alle ‚männlichen‘ Qualitäten an den Mann delegiert – ihre Tatkraft, ihre Entscheidungsfähigkeit, Klarheit und Leitungskompetenz. Und nicht so, dass der Mann alle ‚weiblichen‘ Fähigkeiten an die Frau abgibt – seine Intuition, seine Fürsorglichkeit, die Umsicht und den Blick fürs das Ganze. Die gegenseitige Ergänzung beginnt damit, dass die Frau den Mann inspiriert und dazu animiert, seine eigene ‚innere Frau‘ zu entwickeln. Umgekehrt wird der Mann die Frau darin unterstützen, ehren und ermutigen, ihre männlichen Anteile zu leben. Beide helfen einander, ganz zu werden. Von der ‚neuen Frau‘ und dem ‚neuen Mann‘ zeichnet Franziska Bolt ein konkretes Bild:

       Der neue Adam und die neue Eva

      Sie zeigt sich in ihrer Größe, denn sie hat die Angst vor ihrer eigenen Kraft verloren.

      Sie ist frei, denn sie hat ihre Schuldzuweisungen an das Patriarchat hinter sich gelassen.

      Sie ist weise Gefährtin, denn sie hat aufgehört, sich dem Mann zu unterwerfen

      und ihn gleichzeitig dafür zu bestrafen.

      Sie liebt es zu umsorgen, ohne unterwürfig zu sein,

      denn