Eileen Schlüter

Grünkohlsuppen-Blues


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zu gehorchen, zerrten diese aufmüpfigen Gören an der Bettdecke. Also ehrlich. Kinder heutzutage… Diesen Satz konnte ich leider nicht zu Ende führen, da ich dummerweise gar nicht wusste, wie Kinder früher einmal waren. Aber wie ich ja schon sagte, im Prinzip waren Kinder mir völlig wurscht!

      Die Tür öffnete sich und Schwester Resi kam zurück, gefolgt von einem unscheinbareren Typ, Mitte dreißig, weißer Kittel. Vermutlich Arzt.

      Er hatte ein seltsam freudiges Lächeln auf den Lippen, was ihn einigermaßen sympathisch wirken ließ.

      »Schatz! Gott sei Dank..., du bist aufgewacht!«

      Im selben Augenblick stürzten sich die Drillinge in seine Arme. Ich starrte auf sein Namensschild, das über der Brusttasche seines Kittels hing.

      Stationsarzt

       Dr. med. Julius Gaulkötter

      Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

      Holla-die-Waldfee! Diese Frau Gaulkötter war nicht nur mit diesen renitenten Rotznasen gestraft, sondern obendrein mit einem Gynäkologen verheiratet!?

      Manche Menschen waren wirklich vom Schicksal gebeutelt.

      »Stella, Liebes!« Der Doc beugte sich über mich. Was hatte er vor? Einen Atemzug später sah ich nur noch seine Lippen, die sich ausgesprochen zielbewusst meinem Gesicht näherten. O-o, ich musste sofort handeln, zumal er auch noch miserabel rasiert war.

      Stella Edwards ließ sich schließlich nicht so mir nichts, dir nichts von einem fremden Kerl küssen. Schon gar nicht von einem Frauenarzt.

      Puh, Schwein gehabt…, um ein Haar hätten seine Lippen meine erwischt. Doch dank meiner blitzschnellen Reaktion, verirrte sich sein Mund in meinen ungekämmten Haaren.

      Augenblick mal, hatte dieser Höhlenforscher mich gerade Stella genannt? Instinktiv stieg ein mulmiges Gefühl in mir auf. Was für ein ungewöhnlicher Zufall, dass die Frau, in deren Körper ich steckte, auch noch den gleichen Vornamen trug, wie ich. Ich glotzte den Mann ratlos an und meinte, einen Anflug von Betroffenheit in seinen karamellbraunen Augen zu erkennen, als er fragte: »Erkennst du mich nicht? Ich bin’s. Julius!«

      Er strich sich nervös über sein haselnussbraunes Haar, das dringend einen vernünftigen Grundschnitt benötigte. Es sei denn, er ließ das Deckhaar absichtlich so chaotisch wuchern, um damit seine beginnenden Geheimratsecken zu verstecken. Okay, das war nachvollziehbar. Wäre ich ein Mann mit Geheimratsecken gewesen, hätte ich natürlich auch alles daran gesetzt, diesen unschönen Makel zu vertuschen. Alexander hätte sich sicher schon längst neues Haar transplantieren lassen.

      Mit aufeinander gepressten Lippen, die Augen zu Schlitzen verzogen, dachte ich nach. Doch so sehr ich auch grübelte, die Erleuchtung blieb aus. Ich kannte definitiv keinen dreifachen Familienvater namens Julius, der noch dazu Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe war. Mein Bekanntenkreis spielte in einer ganz anderen Liga. Insbesondere in einer kinderfreien.

      »Hier liegt ein Irrtum vor, Herr Doktor«, verkündete ich. Ich wollte ihm die problematische Sachlage auf der Stelle erklären.

      Er sah mich nur verwundert an.

      »Hören Sie, Sie müssen mir helfen, meinen Körper zu finden! Ich heiße Stella Edwards und ich stecke in dem Körper Ihrer Frau. Und der Geist Ihrer Frau steckt höchstwahrscheinlich in MEINEM…!«

      Na gut, ich hätte vielleicht nicht so hysterisch werden dürfen. Der Doc kam mir ein wenig irritiert vor. Wer wäre das nicht? So was Verrücktes kam ja normalerweise nur in albernen Hollywood-Komödien vor.

      »Was redest du da, Schatz?« Er wirkte besorgt und warf der ebenfalls beunruhigten Schwester Resi einen Blick zu, die daraufhin die quirligen Drillinge einfing und mit ihnen das Zimmer verließ. Ich schaute den jungen Arzt immer noch flehend an. Er setzte sich auf die Bettkante.

      »Hör mir zu. Du heißt Stella Gaulkötter. Dein zweiter Vorname ist Arntrud. Und dein Geburtsname ist Edwards. Weißt du’s nicht mehr, ich hab dich doch mehrmals vor der Hochzeit gefragt, ob du dir wirklich sicher bist, dass du meinen Nachnamen annehmen willst.« Er nahm meine Hand und begann, nervös an meinen Fingern herumzufummeln, doch ich entzog sie ihm rasch wieder.

      Bei so einem Namen hätte ich nie im Leben zugestimmt. Und wie zum Geier, war er an die streng vertrauliche Information meines zweiten Vornamens gekommen, der im Prinzip so geheim war, dass ich ihn beinahe selbst schon vergessen hatte.

      »Erinnere dich bitte, Stella!«

      »Was wollen Sie von mir? Ich kenne Sie überhaupt nicht!«, konterte ich mit reservierter Miene.

      Jetzt bedachte er mich mit beschwörenden Blicken. »Das da eben waren unsere Kinder. Du liebst sie!«

      »Ich liebe Bouillabaisse mit Sauce Rouille und ofenfrischem Baguette. Und nicht zu vergessen, meine umfangreiche Louboutin-Schuhsammlung.«

      Der Mann hatte wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

      Und überhaupt, was um alles in der Welt sollte ich mit solchen kleinen Hosenscheißern anfangen? Trugen Kinder dieses Alters noch Windeln? Nie im Leben, würde ich denen die vollgeschissenen Pampers wechseln!

      Außerdem passte weder so ein sabberndes Kind, noch dessen kunterbuntes Spielzeug in irgendeiner Weise zu meiner stilvollen Wohnungseinrichtung. Nein, im Ernst, total undekorativ diese drei. Zumal ich äußerst allergisch auf Schokoladenhandabdrücke auf meiner cremeweißen Wohnlandschaft reagierte. Also, freiwillig würde ich mir sicherlich keine Kinder anschaffen. Eher hinge ich mir diese langweilige Krankenhauskunst an meine Wände.

      Der Arzt schaute mich unsicher an. Ich schaute misstrauisch zurück. Irgendetwas war doch faul an der ganzen Sache!

      Ha!, plötzlich überkam mich ein Geistesblitz. Jetzt hatte ich die Nummer durchschaut. Davon war ich überzeugt. Ich setzte schnell eine arglose Miene auf und hielt so unauffällig wie möglich Ausschau. Wo war sie bloß – die verdammte versteckte Kamera? Wie lange wollte dieser TV-Moderator nebst Fernsehteam noch draußen auf dem Flur warten und mich zappeln lassen?

      ***

      Ich blickte meinem angeblichen Ehemann regungslos hinterher, der mit seinem Handy am Ohr mit einem scheinbar dringenden Telefonat das Zimmer verließ. Ich atmete erleichtert aus, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Nie und nimmer war ich mit diesem schnöden Typen liiert. Schließlich war ich mit Alexander Ahlborn verlobt, meinem Traummann – groß, blond, sportlich und noch dazu ein erfolgreicher Unternehmensberater und Geschäftsmann, der irgendwann in die Fußstapfen meines Vaters treten würde. Was sollte ich also mit so einem Gynäkologen?

      Mit seinem lächerlichen Stationsarzt-Gehalt hätte er sich nicht mal die Parkplatzgebühr vor dem La Margna Swiss Quality Hotel in St. Moritz leisten können, in dem mein Alex unsere exklusive Verlobungsfeier mit fünfhundert geladenen Gästen ausrichten ließ. Was für ein unvergesslicher Moment war das gewesen, als er völlig überraschend in meinem wohlverdienten, alljährlichen Skiurlaub aufkreuzte und mir einen atemberaubenden Platinring mit lupenreinem 1,98 Karat Cartier Solitair Altschliff Diamanten – Kostenpunkt: 46.000 Euro – an den Finger steckte.

      Bei dem Stein wäre sogar die russische Öl-Oligarchengattin aus der Nachbarsuite, deren blasenschwacher Pekinese sich jeden Morgen erdreistete, vor meine Zimmertür zu pischern, vor Neid erblasst.

      Vera übrigens auch, aber das hätte sie selbstverständlich niemals zugegeben. Doch ich kannte meine Freundin einfach zu gut. Ihre geheuchelten Glückwünsche, dieses überzogene Zahnpastalächeln. Es war ein Kinderspiel ihre missgünstigen Blicke zu interpretieren und ihre Gedanken zu lesen. Oh ja, ich wusste, dass Vera mir meinen Ringfinger samt der luxuriösen Kostbarkeit am liebsten abgehackt hätte.

      Ich muss zugeben, so ein hochkarätiges Cartier-Dauergrinsen (wie ich es an jenem Tag darbot), hätte auch ich definitiv keinen ganzen Abend lang ertragen können, wäre ich nicht selbst