Katja Piel

Kuss der Wölfin - Trilogie (Fantasy | Gestaltwandler | Paranormal Romance | Gesamtausgabe 1-3)


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wurde, wenn er sich auf sie legte, fanden sie andere Möglichkeiten, sich zu vereinigen. Mittlerweile war sie ein wenig ruhiger geworden und lauschte öfter in sich hinein. Am liebsten hätte sie den ganzen Tag in Marcus' Armen liegend verbracht.

      "Hast du schon einen Namen?", fragte er einmal, als sie zusammen im Gras lagen und der Sonne beim Untergehen zusahen. "Er soll Lentz heißen", sagte Sibil. "Wie der ewige Frühling." Marcus lächelte. "Und wenn es ein Mädchen wird?"

      "Es wird ein Junge. Da bin ich mir ganz sicher. Mütter spüren so etwas."

      "Also, Lentz", sagte Marcus und küsste Sibils prallen Bauch. "Ich freue mich schon auf dich."

      In den folgenden Wochen beobachtete Marcus seine Sibil oft. Sie war nicht mehr ganz so anschmiegsam und suchte zunehmend den kühlen Schatten unter den Bäumen. Sie schien viel in sich hineinzulauschen. Ihr Bauch war so groß, dass sie sich nur noch schwerfällig bewegen konnte. Sie ließ ihn nicht mehr zwischen ihre Schenkel. Er konnte das verstehen und übte sich in Geduld, obwohl er oft in unbeobachteten Augenblicken sein Geschlecht rieb, bis das Gefühl ihn überkam, und dabei an seine schlanke, wilde, nackte Sibil dachte. Diese Zeiten würden wiederkommen. Er musste nur warten.

      "Wann kommt das Kind?", fragte er Imagina, doch die lächelte nur. "Das weiß niemand, Junge. Hab Geduld." Und so sehr sie alle darauf gewartet hatten, so überraschend war es dann doch, als Sibil beim Abendessen plötzlich den Löffel fallen ließ, ihren Blick nach innen kehrte und die Hände in den Rücken presste. "Aua!"

      "Was hast du?", fragte Imagina sofort. "Rückenschmerzen. Es zieht... ganz merkwürdig... aah..." Sibil beugte sich vornüber. Rosa zog ihr die Schüssel weg und stützte sie, während Sibil sich stöhnend an Rosas Arm klammerte.

      "Wehen", sagte Imagina ruhig. "Es geht los." Wie betäubt lehnte sich Marcus auf seinem Stuhl nach hinten und beobachtete, wie die Frauen zu arbeiten begannen. Rosa ging frisches Wasser holen, während Imagina die Bettstatt in der kleinen Schlafkammer mit frischen Tüchern bezog. Wasser wurde erhitzt und ein Sud aus Kräutern hergestellt, während Sibil in der Stube auf und ab ging, immer wieder stehenblieb und sich stöhnend krümmte.

      "Willst du dich hinlegen?", bot Marcus an, doch sie wehrte ab. "Ich muss mich bewegen." Marcus verstand nicht, warum, aber er ließ sie gewähren. Sie schien angespannt, aber nicht sonderlich verängstigt, und auch ihn selbst beruhigte die gelassene Art, mit der Imagina ihre Vorbereitungen traf.

      Die Stunden zogen sich. Draußen war es längst dunkel. Sibil legte sich hin, stand wieder auf, lief in der Stube herum, ging auf alle Viere und ließ sich von Rosa stützen, während Imagina ihren Bauch abtastete. Immer wieder stöhnte und schrie sie, dass es Marcus das Herz zerriss.

      Irgendwann wies Imagina ihm die Tür. "Männer haben jetzt nichts mehr hier zu suchen. Geh hinaus, sieh nach Mattis. Bleib weg, bis ich dich rufe." Marcus gehorchte. Hinter ihm schrie Sibil. Er zog die Tür hinter sich zu und rannte in die Nacht.

      Mattis hatte einige seiner Ziegen mit in sein neues Leben gebracht. Er schlief gerne draußen bei ihnen. Marcus ging dem Schein seines kleinen Feuers nach und fand ihn auf einer kleinen Lichtung in der Nähe des Hauses. Er setzte sich zu Mattis und versuchte, sich mit belanglosen Gesprächen abzulenken, doch seine Gedanken waren ständig bei Sibil.

      "Mach dir keine Sorgen", sagte Mattis irgendwann. "Sie ist jung und gesund. Bei den Frauen dauert es länger als bei den Ziegen, aber sie wird es schon schaffen." Nach einer Zeit, die ihm ewig vorkam, ging Marcus zurück zum Haus, doch die Tür war verschlossen und die Fensterläden zugezogen. Niemand machte ihm auf, und von innen waren nur gedämpfte Stimmen und leises Wimmern zu hören. Marcus ging zurück zu Mattis und wartete weiter. Er musste schließlich doch eingeschlafen sein, jedenfalls schrak er hoch, als Mattis ihn an der Schulter rüttelte. "Komm mit", sagte Mattis. Marcus sprang auf die Beine und rannte zum Haus. Vor der Tür stand Rosa mit verweinten Augen.

      "Was ist los?", rief Marcus. "Was ist mit dem Kind?"

      "Dem Kind geht es gut", schluchzte Rosa. "Aber Sibil... sie ist..." Marcus stürmte an Rosa vorbei ins Haus. Mit wenigen Schritten hatte er die Stube durchmessen und stand im Schlafraum. Imagina kam ihm entgegen, doch er stieß sie zur Seite. Auf dem Bett lag Sibil. Weiß, regungslos. Überall war Blut. Auf dem Boden, auf den weißen Laken, auf ihrer weißen Haut. Ihr Gesicht war regungslos. Sie atmete nicht.

      "Sie ist gestorben", sagte Imagina leise. "Wir konnten nichts tun. Sie ist verblutet."

      "Aber warum...?", fragte Marcus völlig betäubt. "Ich weiß es nicht", flüsterte Imagina. "Die Geburt war lang und schwer, aber sie hatte alles schon gut überstanden. Dann ging die Nachgeburt ab, und sie hat nicht aufgehört zu bluten."

      Marcus heulte auf und schlug sich mit den Fäusten gegen die Stirn. Imagina ging still hinaus, in den Armen ein kleines, in Tücher gewickeltes Bündel.

      "Wir brauchen Ziegenmilch", hörte er sie sagen. "Lauf zu Mattis. Er soll welche melken." Marcus stand und sah auf Sibil hinunter. Sein kleines, wildes, lustiges Ding. Seine Geliebte, seine Frau, deren Balg er so geliebt hatte, als wäre es sein eigenes. Eine Familie hatten sie sein wollen. Jetzt war sie gegangen und hatte ihn allein zurückgelassen. Das Balg hatte sie gefressen. Es lebte, und Sibil war tot.

      Er drehte sich um und ging hinüber zu Imagina. Sie schlug die Tücher beiseite und zeigte ihm ein kleines, rotes, blutverschmiertes, zerknittertes Gesichtchen.

      "Sibils Tochter", sagte sie leise. "Willst du ihr einen Namen geben?"

      "Sie wollte keine Tochter. Sie wollte einen Sohn. Er sollte Lentz heißen."

      "Nun ist sie hier, die Kleine, und verdient einen schönen Namen."

      "Und was ist mit Sibil? Warum ist sie nicht hier? Warum ist sie tot? Warum hat das Balg überlebt? Sie wollte es nicht! Es ist aus Unzucht entstanden!"

      "Sie hat es geliebt", sagte Imagina. "Und auf deine vielen Fragen habe ich keine Antwort. Der Herr gibt, und der Herr nimmt wieder. Uns hat er Sibil genommen, aber das kleine Würmchen hiergelassen. Wir müssen sie behüten und aufziehen."

      "Das Balg ist schuld!"

      "Das Kind ist an gar nichts schuld, Marcus. Es ist kaum eine Stunde alt. Es ist das unschuldigste Wesen weit und breit. Und sie soll in Liebe aufwachsen. Auch du wirst lernen, sie zu lieben." Marcus starrte auf das Kind hinunter, das winzige Wesen, das ihm seine Liebste genommen hatte. Er wusste, das Kind konnte nichts dafür, aber trotzdem spürte er nur Hass in sich.

      "Lasst mich in Ruhe", schrie er. "Lasst mich alle allein!" Er rannte an Rosa vorbei, die mit einer Schale Milch ins Haus kam, und schlug sich ins Unterholz. "Wir werden ihn verlieren", sagte Imagina ruhig. "Hast du die Milch? Gut." Sie tauchte den Finger in die Schale, die Rosa ihr hinhielt, und strich über das winzige Mündchen des Kindes. Sofort öffneten sich die Lippen, und die Kleine begann, begierig zu saugen. "Hat sie schon einen Namen?", fragte Rosa mit tränenerstickter Stimme. "Nein. Weißt du einen schönen?"

      "Meine Mutter hieß Anna. Sie hat mich sehr geliebt. So, wie Sibil die Kleine geliebt hätte, wenn sie... wenn sie..."

      "Dann ist es beschlossen", sagte Imagina. "Kleine Erdenbürgerin, du sollst Anna heißen."

      18. Kapitel

      Herbst 2012, Frankfurt am Main

       «Ich höre, Sie haben ein pelziges Problem?»

      Sams Vater war silbrig ergraut, schlank, braun gebrannt und sah aus wie George Clooney. Ich fand es schon beinahe ungerecht, dass in einer Familie schöne Männer so gehäuft auftraten, während andere Clans mit blassen Bierbäuchen und Hängeschultern auskommen mussten.

      Meine Beine vertrugen noch keine Jeans, und so lieh ich mir eines von Sams T-Shirts und wickelte mir die Bettdecke um die Hüfte. Sam ließ seinen Vater rein und begrüßte ihn herzlich. Dann kam Sams Vater auf mich zu und schüttelte mir die Hand. „Andreas Koch. Freut mich, Sie kennenzulernen – unter den gegebenen Umständen...“

      „Anna Stubbe. Ich freue mich auch.“ Er musterte mich von oben bis unten mit seinen hellen