Achim Hammelmann

Ich bin jetzt Soldat


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meine Schulkenntnisse etwas aufzufrischen; vielleicht schickst Du mir dann auch mal ein paar Hefte und Bücher.

      Hier geht’s im übrigen noch recht gut, wir gehen bald wieder nach vorn; für wie lange, weiß niemand. Der Oberst hat gestern jedenfalls gesagt: wir können noch 3 Wochen, aber auch 3 Monate hier bleiben. Das will viel heißen!

      Für heute laßt Euch recht herzlich grüßen von

      Eurem Werner

      Rußland, 29.X.42

      Meine liebe Mutti, lb. Walti und lb. Opi!

      Für Deinen lieben Brief, den ich vor 3 Tagen erhielt, habe recht herzlichen Dank. Heute nun war wieder eine große Überraschung für mich: ich erhielt das Kilopaket mit den Dosen vom 12.10. sowie ein kleines Päckchen mit Zucker desselben Datums. Ich habe mich wieder sehr gefreut und danke Dir auch recht, recht herzlich dafür. Ich muß sagen, wenn einer hier viel Post bekommt, dann bin ich es, denn alle denken sie so lieb an mich. Papi schickt mir immer so reichlich Päckchen.

      Zu Deinem lieben Brief. Du wirst sicher inzwischen schon gemerkt haben, daß, wie aus meinen letzten Briefen hervorgeht, die Versetzungsparole allmählich wieder im Sande verlaufen ist, und wir nun doch wieder in die alte Stellung zurückgekommen sind, während man hier allgemein annimmt, daß wir doch über Weihnachten hier bleiben werden. Das wäre natürlich großartig. Sorgen brauchst Du Dir auf keinen Fall machen, das meiste war ja doch nur Gerede, wie ich annahm.

      Leider ist es schon sehr spät, ich habe auch bald Wache. Morgen werde ich Deinen lieben Brief noch einmal ausführlicher beantworten, und dann folgt auch bald ein extra Geburtstagsbrief!

      Es grüßt Euch alle recht herzlich,

      Euer Werner.

      Rußland, d. 31.10.42

      Meine liebe Mutti, lieber Walti und liebes Großväterchen.

      Heute erhielt ich von Dir schon wieder einen Brief, für den ich Dir recht herzlich Danke. Eigentlich wollte ich ja schon gestern wieder schreiben, aber nun kann ich Dir gleich 2 Briefe beantworten. Du schreibst mir immer so schön viel und so lang, das macht wirklich Spaß, Deine Briefe zu lesen, ich freu' mich immer riesig dazu. Dank meiner vielen Schreiberei höre ich auch von so vielen anderen Leuten, daß jeden Tag immer reichlich Post für mich da ist.

      Zu dem Brief von Papi, den Du mir beigelegt hast, hab' ich mich sehr gefreut. Er sorgt wirklich rührend für mich und auch für Euch. Ja, wir können wirklich stolz auf so einen lieben Vater sein, um den uns bestimmt manche Familie beneiden kann. Doch das lernt man immer erst später schätzen, wenn man sich einmal selbst ein bisschen den Wind um die Nase hat wehen lassen, und erkennt, was es heißt, für eine Familie sorgen zu müssen. Er hat es in seinem Leben verdammt nicht leicht gehabt: immer von zu Hause fort, nur damit wir etwas zu essen haben. Gestern habe ich ihm ausführlich geschrieben und mich für die enorme Anzahl von Päckchen, Briefen und Illustrierten bedankt, die ich in letzter Zeit erhielt. Sie sind alle angekommen; und nun hat er noch seine letzte Kerze geopfert. Das tut mir so leid, wenn ich das gewusst hätte. Ich dachte ja, er hätte vielleicht ein paar Beziehungen. Ich bin wirklich zu unbescheiden; Deine möchte ich Dir auf keinen Fall wegnehmen, die bewahre nur für Weihnachten auf, sonst habt Ihr nachher keine. Hast Du Papi eigentlich schon eine Marke geschickt? Ich hatte es ja vergessen, und Du scheinbar auch, wie aus Papis Brief hervorgeht. Die anderen Marken hebst Du doch für Weihnachten auf und schickst sie so Mitte November ab, aber, wie gesagt, nur so etwas, was Ihr entbehren könnt. Es ist sowieso schon unbescheiden genug, daß ich Euch 4 Marken geschickt habe. Du brauchst auch keine Angst zu haben, daß sie nicht ankommen, unsere Feldp.-Nr. bleibt immer dieselbe, wenn wir auch versetzt werden, denn das geschieht ja mit der ganzen Division geschlossen und dementsprechend geht auch die Post mit. Aber das hat sich gottlob alles verschoben.

      Wir sind ja nun tatsächlich wieder nach unserer Funkübung glücklich am alten Platz gelandet, und Dein Wunsch ist damit in Erfüllung gegangen. Wenn’s hier auch ein bißchen schießt: es ist doch besser als hinten, wo die Verpflegung schlecht ist. Wir haben ja hier auch unseren schönen Bach und die Sauna, so daß man wenigstens etwas auf Reinlichkeit wieder wert legen kann. Auch Radio, eigenes Bett, und (etwas entfernter) das Soldatenheim mit Kino und Kabarett. Wie lange wir nun noch hierbleiben, ist unbestimmt, über Weihnachten ist jedenfalls anzunehmen, denn alles beginnt wieder Stellungen und Bunker zu bauen. Das Regiment hat auch einen gewaltigen Stoß Wintersachen bekommen, so daß man sich darum auch keine Sorgen machen braucht. Es war, wie man hört, tatsächlich eine Verschiebung der Truppe geplant, wohin, weiß ich nicht. Vielleicht hatte man einen Winterangriff auf Leningrad vor, doch durch die Sache bei Stalingrad hat sich wohl die Sache verzögert. Es ist eigentlich auch nur hier etwas bei Frost zu machen, denn Leningrad ist von Sümpfen umgeben. Ferner wird dazu eine sehr starke Luftflotte benötigt, u. zwar für Kronstadt, da diese große Festung Leningrad ja in Schach hält.

      Wir selbst liegen nicht direkt vor Leningrad, sondern an einem Kessel davor, der bei einem eventuellen Angriff automatisch zusammenbrechen wird. Na, wir wollen die Dinge mal abwarten, denn vorläufig sind wir wieder hier, und vielleicht hält der Russe diesen Winter (der sowieso zu unseren Gunsten sehr milde auszufallen scheint, denn seither haben wir noch keinen richtigen Frost gehabt) gar nicht mehr durch. Seine Moral ist jedenfalls sehr erschüttert, wie aus den Aussagen der zahlreichen Überläufer zu entnehmen ist. England will jetzt auch noch seine Lieferungen einstellen, und die Hauptindustrie und Ernährungsgebiete hat er auch verloren. Es steht verdammt schlecht um ihn! Wenn nur Stalingrad bald fällt, und wenn nur der Engländer allmählich seine Angriffe einstellt, dann sind wir schon sehr weit. Ihr seid ja nun hoffentlich gesichert durch Eure tolle Flak, ich möchte wissen, wie das Ding funktionieren wird. Nachher richten nur noch die abgeschossenen Flugzeuge Schaden an.

      So, nun aber zu Deinen lieben Briefen: Deine lb. Päckchen habe ich, wie gesagt, alle dankend erhalten, es steht allerdings eines mit der Mettwurst aus (vielleicht ist es ja ein Nachkömmling) Man soll jedenfalls nie die Hoffnung zu früh aufgeben. Jetzt nummerieren wir ja fleißig, und da kann uns nichts unterlaufen. „Was Du hast schwarz auf weiß, kannst Du getrost nach Hause tragen!“, sagt Goethe sehr richtig.

      Apropos Goethe: seinen Faust schickst Du mir doch mal, nicht? Philosophieren tun wir übrigens den ganzen Tag, sehr furchtbar! Hier kommt man auf manchen tiefsinnigen Gedankengang, den nachzugehen man zu Haus kaum Zeit gefunden hätte. Ich glaube, damit langweile ich Euch nur; Ihr wollt lieber hören, daß ich noch immer meinen alten Humor habe. Hab' ich, hab' ich!! Wo wir uns wieder so wohl fühlen. Hoffentlich habt Ihr ihn auch noch (Mensch, bei 100 g Fleischerhöhung, da lacht einem ja das Herz. Dazu verdient Ihr durch die Vorauszahlung der Grundsteuern noch so viel Geld. Ihr seid ja direkt Kriegsgewinnler. Mutti kriegt jetzt noch einen neuen Ring und hat dazu noch Zarah-Leander-Zähne bekommen. Ich schäme mich ja direkt, wenn ich mit meinem bescheidenen 12-Pfunds-Heimaturlauber-Speck- und Wurst-Paket mal auf Urlaub kommen sollte. Und so schöne eingemachte Sachen habt Ihr, da läuft einem ja das Wasser im Munde zusammen. Da kann man nicht lange “murren und knurren“. Da wird eben der goldene Humor behalten.

      Ich habe eben den Brief unterbrochen, war auf Wache. Es ist zwar schon 1 Uhr, aber der Brief soll morgen früh noch weg. Ich habe vorhin verdammt schlecht geschrieben, nicht? Ich werde mir jetzt mehr Mühe geben.

      Es ist ja so schön, daß es Euch allen zu Hause gut geht, und daß Du Dir auch einmal etwas gönnst und in die Stadt gehst. Ich denke noch gern an die Zeiten zurück, wo wir beiden zusammen in die Stadt gegangen sind und uns einen schönen Nachmittag gemacht haben, das war immer sehr schön. Nun ist Walti auch schon „erwachsen“ und geht mit Dir. Ist er eigentlich noch immer so vornehm? Vielleicht schreibt er mir ja einmal wieder oder hat er nichts mehr für seinen Bruder über? Er wird wohl auch schon eine Braut haben, Bräute gehen ja selbstverständlich vor. Wer ist denn die „Glückliche“, Walti, eine aus dem Klipper? Was meinst Du, wenn Du sie mal für einen Nachmittag versetzt und mir mal kurz etwas berichtest. Du kannst Dich dann ja damit entschuldigen.

      Und mein Opi hegt auch die Absicht, sich wieder zu produzieren? Das finde ich aber nett, er ist doch ein feiner Kerl. Na, ich komme bald mal längs und dann zwitschern wir einen (Gimmel). Und Du, Mutti, hast wieder großen Besuch gehabt, mit der vorhergehenden großen