Claus Beese

Wasser, Fische und Agenten


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mit Diesel. Sieben bis acht Meter lang. Mit Achterkajüte. Seegängig. Vier Schlafplätze, Pantry, Lokus, mit heiler Persenning und voll ausgerüstet, deutlich unter fünfzigtausend.«

      Da hatte ich ihm aber eine Nuss zu knacken gegeben. Was ich ihm gesagt hatte, war schier nicht zu erfüllen. Gott sei Dank, denn woher hätte ich auch soviel Geld nehmen sollen? Ich machte Anstalten, mich umzudrehen und weiterzugehen, aber der Typ mit der Mecki-Frisur grinste mich schief an.

      »Hab‘ ich da. Gerade reingekriegt. Hab‘ ich selber von Surwold am Küstenkanal nach hierher überführt. Kommen Sie mit.«

      Er führte mich über den Deich und wir gingen zur firmeneigenen Marina, wo am Steg, ordentlich vertäut, ein hässliches, schmutziggelbes Etwas lag, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Boot aufwies. Es duckte sich tief auf die Wasseroberfläche, hatte winzige Fenster, die mehr an Schießscharten erinnerten, und war genau das, was ich mir nicht vorgestellt hatte.

      »Kommen Sie an Bord!«, lud mich Mecki freundlich ein und öffnete die Persenning. Was blieb mir übrig? Gehorsam kletterte ich an Bord und schaute mich um. Mecki setzte sich einfach auf eine Bank und ließ mich stöbern.

      Mein Streitaxt schwingender Vorfahre hätte mich wahrscheinlich als Verräter über die Planke laufen lassen, denn das Boot hätte gewiss nicht seinen Erwartungen entsprochen. Aber mal ehrlich, wo sollte man heutzutage schon ein geklinkertes Drachenboot, eine echte Snecke hernehmen? Mit Sicherheit wäre alles, was nicht so oder zumindest ähnlich aussah, unter seiner Wikingerwürde gewesen. Ich hingegen musste zugeben, dass alle von mir genannten Bedingungen erfüllt waren. Das Boot wies sogar mit seinem Vierundachtzig-PS-Diesel eine mehr als akzeptable Motorisierung auf. Aber es war so hässlich, dass es mich schüttelte. Eine Yacht hat weiß zu sein, vielleicht mit ein paar roten und blauen Streifen und sie muss große Fenster haben. Nicht solch kleine Gucklöcher wie dieser gelbe Eimer hier.

      »Wie viel?«, versuchte ich den Notausgang.

      »Fünfundvierzig!“, grinste Mecki frech.

      »Zu viel für dieses Boot! Trotzdem, vielen Dank für das Angebot. Ich bin sicher, dass es nicht lange hier liegt und schnell einen Käufer findet.«

      Damit hatte ich ihm klar gesagt, dass ich das nicht sein würde. Ich trollte mich, um weiteren Bemühungen von Mecki zu entgehen.

      »Möring? Hmmm. Gutes Schiff. Gute Rauwassereigenschaft! Und günstig. Hätte ich genommen!« Wolfgang, unser Stegwart, lehnte sich über die Bordwand und angelte zwei Bierdosen aus seinem Kühlschrank.

      »Gutes Schiff! Gutes Schiff! Woher willst du das denn wissen? Du hast doch den Eimer gar nicht gesehen!«

      Es war nicht so, dass ich schlechte Laune hatte, aber das, was er mir hier erzählte, war genau das, was ich nicht hatte hören wollen. Hätte er den Dampfer niedergemacht, ihn in einem Atemzug mit der TITANIC genannt, wäre ich zufrieden gewesen.

      Aber er kannte kein Erbarmen.

      »Ich hatte bis vor drei Jahren das Vorgängermodell der Möring. Eine Myra. Sie ist nur ein wenig kürzer, aber sonst baugleich. Ein tolles Boot. Und der, der deinen Kübel vorher gehabt hat, hat ihn immer gut gepflegt.«

      Langsam wurde er mir unheimlich. Woher wollte er das wissen? Wolfgang grinste nur.

      »Die Welt des Wassersports ist klein und eine Möring erregt nun mal Aufsehen. Es ist ein Schiff für Individualisten. Kein Massenboot. Und in Norddeutschland gibt es nicht sehr viele davon. Eine Möring liegt in Haren an der Ems, die andere in Surwold am Küstenkanal. Und als ich im letzten Urlaub mit dem Präsi vom Yachtclub Surwold ein Bier getrunken hab, hat er mir erzählt, dass er seine verkaufen will.«

      Na gut, wie auch immer es sich verhielt: Mir war der Pott zu teuer und damit hakte ich die Angelegenheit als erledigt ab.

      Drei Wochen später stand die Möring aufgetrailert in der Ausstellungshalle der Yachtagentur. Ich nutzte die Gelegenheit, mir das Boot von unten anzusehen und fand auch dort alles in Ordnung. Es juckte mich in den Fingern und ich gab dem Impuls nach und krabbelte nochmals an Bord. Ich schwang mich auf den Fahrersitz und schaute mich um. Man sah... nichts! Na gut, fast nichts! Oder zumindest nicht sehr viel, aber musste man das überhaupt? Kleine Fenster verhindern ein zu starkes Aufheizen des Bootes in der Sonne. Man brauchte auch keine riesigen Segeltücher, um sie abzudecken. Und die Wellen hatten keine Chance, die Scheiben aus dem Rahmen zu schlagen, wenn es mal ungemütlich wurde. Und wenn man das verwitterte Gelcoat richtig aufarbeiten und durchpolieren würde, wäre auch der äußere Eindruck nicht unbedingt der schlechteste. Aber fünfundvierzig Scheine? Nee, nicht mit mir!

      »Na?«, grinste ich Mecki an, der gerade die Halle betreten hatte, als ich aus dem Boot kletterte. »Noch nicht verkauft? Wohl doch zu viel, he?«

      Mecki blieb vordergründig freundlich und holte dabei hinterrücks zum vernichtenden Schlag aus.

      »Wie viel würden Sie denn dafür bezahlen wollen?« fragte er harmlos und ich nannte ihm die Summe, die ich mir so vorstellte.

      Mecki wurde blass, verdrehte die Augen und brach röchelnd zusammen. Er tat mir leid, und ich begann sofort, ihn wiederzubeleben.

      »Ich weiß zwar nicht, wie ich das meinem Chef beibringen soll, aber zu dem Preis können Sie es auch haben!«, erteilte er mir mit matter Stimme den Zuschlag.

      Auweia, jetzt hatte ich ein Schiff an der Backe, das ich eigentlich gar nicht wollte. Weder zu seinem noch zu meinem Preis. Pro forma ließ ich ihn wissen, dass ich das nicht allein entscheiden könnte und meine Frau erst einmal schonend darauf vorbereiten müsste.

      Also kam ich etwas nachdenklich nach Hause und mein treues Eheweib erkannte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich erzählte ihr, was mir im Kopf herumging, und sah nicht, wie interessiert sie zuhörte. Sie fragte dies und das, und ich antwortete ihr so gut ich konnte.

      »Na ja, ansehen kann man es ja mal. Und Probe fahren. Probefahrt muss sein.«

      Also rief ich an und vereinbarte mit Mecki einen Termin für den nächsten Tag. Er sagte mir zu, dass er das Boot zurück ins Wasser setzen würde und einem Törn nichts im Wege stand.

      Ich hatte eine schlaflose Nacht!

      »Aus dem Weg!«, fauchte meine bessere Hälfte und kletterte an Bord. »Schließlich hast du es schon zweimal gesehen!«

      Auch unser Ableger turnte über die Reling und schaute sich mit großen Augen um. Fach um Fach wurde geöffnet, Polster hoch, und, siehe da, da sind ja auch noch Stauräume. Famos, famos! Und was ist das? Und das da? Und hier, dies, wozu dient das? Und was ist dahinter? Und wie funktioniert das?

      »Das ist meine Koje!« jubelte unser Spross und warf sich vor Freude quietschend in die kleinere der beiden Achterkojen. Meine bessere Hälfte ließ sich auf der Backbordseite in die größere Schlafgelegenheit fallen, drehte sich hin und her und machte ein sehr zufriedenes Gesicht.

      »Und ich?« fragte ich empört, als ich merkte, dass die Bettenverteilung bereits feststand.

      »Du schläfst vorn! Da hast du die ganze Kajüte für dich und kannst nach Herzenslust schnarchen. Mit zwei Türen dazwischen werden wir hier hinten eine wunderbar ruhige Nacht haben.«

      »Aber die Fenster! Und dann diese Farbe! Igitt!«, schüttelte ich mich.

      »Wenn du dein Schiff mal richtig aufpolierst, wird unser Boot bestimmt ein schmucker Dampfer!«, stellte mein Admiral die Eigentumsverhältnisse klar. Arbeitsschiff für mich, Ausflugsdampfer für alle.

      Also gut! Probefahrt. Rau und kernig sprang der Perkins tief unten im Bauch des Schiffes an und Mecki warf die Leinen los. Himmel, was war der Yachthafen klein. Behutsam manövrierte ich das Boot aus der Lücke, um es in dem engen Becken zu drehen. Vorwärts parierte das Boot auf jede Ruderdrehung, aber rückwärts? Meine Güte, jeder störrische Esel benahm sich besser!

      »Och, das machen alle Langkieler so, da gewöhnt man sich dran«, beteuerte Mecki und grinste.

      Langsam glitt das Boot