Norbert Böseler

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und Jugend, Bilder von Menschen, die ihr nahe gestanden haben. Sie sah freudige Bilder, aber auch traurige. Als sich die Bilder der Gegenwart näherten, drehte sich der Kreisel schneller, und ein Licht erhellte ihn. Sie konnte die Bilder kaum noch erkennen. Das letzte Bild, welches vor ihren Augen erschien, war von Falcao. Dann wurde der Kreisel immer schneller, das Licht immer heller. Beides vereinte sich zu einem grell leuchtenden Punkt, der, der Sonne glich. Janine tauchte in diese Sonne ein und ihr Herz hörte auf zu schlagen. Das Bild ihres Sohnes blieb ihr verwehrt.

      ***

      Zieh mich hier raus, schienen die beiden Hände sagen zu wollen, die sich nun aus Janines Unterleib heraus Diana entgegenstreckten.

      „Sie atmet nicht mehr“, rief Laura plötzlich ganz außer sich.

      Der Arzt horchte Janine ab und wandte sich niedergeschlagen dem Ungeborenen zu.

      „Wir müssen schneiden, der Mutter können wir nicht mehr helfen, sie hat zu viel Blut verloren, aber vielleicht können wir das Kind retten. Gibt es hier irgendwo ein Skalpell?“

      Diana suchte hektisch in den Schubladen nach einem Skalpell und fand schließlich eins. Sie reichte es dem Arzt aus der Chirurgie. Als er anfing zu schneiden, musste Laura sich übergeben, und wurde von dem Pfleger aus dem Raum begleitet.

      Wenige Minuten später zogen der Arzt und Diana das Baby aus dem toten Mutterleib. Der Junge war blutbeschmiert. Diana gab dem Neugeborenen den obligatorischen Klaps, damit er Luft holte. Er fing plötzlich an zu husten und spuckte Diana Blut ins Gesicht. Dann waren seine Lungen frei und er schrie. Nachdem seine kräftigen Schreie verstummt waren, lächelte er Diana freudig an.

      Achtzehn Stunden nach der Empfängnis hatte Janine Huber einen Sohn geboren.

      ***

      Laura befreit sich nur langsam aus ihrer Verzweiflung. Sie konnte die Geschehnisse nur schwerlich verarbeiten. Mit Janines Tod brach für sie eine Welt zusammen. Alles war so unwirklich, wie ein schlimmer Traum, den es in der Realität nicht geben durfte. Sie bekam ein Beruhigungsmittel, was die Situation linderte, aber nicht ungeschehen machen konnte.

      Diana kam in den Aufenthaltsraum und sah übermüdet aus.

      „Was ist mit dem Baby?“, fragte Laura die Hebamme.

      „Dem Jungen geht es so weit gut, er hat die Strapazen wundersamerweise unbeschadet überstanden, und liegt auf der Säuglingsstation. Er braucht erst einmal Schlaf und wird dann später untersucht werden. Das mir ihrer Freundin tut mir sehr leid. Wir konnten nichts mehr für sie tun.“

      „Ich möchte Nick sehen“, sagte Laura fordernd.

      „Ich denke, ich trinke jetzt erst mal eine Tasse Kaffee, dann können wir gerne kurz zu ihm gehen“, schlug Diana vor, die sehr mitgenommen wirkte.

      Nachdem Diana ihren Kaffee getrunken hatte, ging sie gemeinsam mit Laura zur Säuglingsstation. Diana zeigte auf ein kleines Bettchen ganz rechts im Raum.

      „Das ist der Sohn ihrer Freundin.“

      Nick lag friedlich schlafend unter einer bunten Decke mit Blümchenmuster. Man sah im Grunde nur seinen Kopf. Er hatte bereits sehr viele dunkle Haare. Laura konnte kaum glauben, dass der Junge erst vor knapp einer Stunde geboren wurde. Er sah irgendwie älter aus.

      Laura wollte gehen, und fragte Diana, ob sie nach Hause fahren könne.

      „Wenn sie es sich zutrauen dürfen sie gerne fahren, aber melden sie sich, falls sie Hilfe benötigen! Wir benachrichtigen Frau Hubers Eltern.“

      Laura verabschiedete sich, mit dem Versprechen morgen wiederzukommen. Ihre Adresse und Telefonnummer hatte sie hinterlassen. Sie fragte an der Information nach ihrem Auto und den Schlüsseln, da es nicht mehr an der Notaufnahme stand. Als das geklärt war, ging sie durch eine kleine Grünanlage zum Parkplatz, fand ihren Kleinwagen sofort, und fuhr nach Hause.

      Den dunkelhäutigen Mann, der in der Grünanlage auf eine Bank saß, hatte sie nicht bemerkt.

      Enttäuschung

      Falcao wartete bereits seit zwei Stunden vor dem Krankenhaus. Ihm war klar, dass Janine hier auftauchen würde. Er hatte aber schon früher mit ihr gerechnet. Als er sie dann aber hochschwanger sah, fiel eine Last von seinen Schultern ab. Sie trug sein Kind in ihrem Körper und sollte es unbeschadet zur Welt bringen. Er war sicher, dass Janine ihm eine Tochter gebären würde, mit der er seine einzigartige Rasse fortpflanzen konnte. So lautete die Prophezeiung, die von Geburt an in seinem Hirn schlummerte. Er war als Urvater auserkoren worden, um die Erde mit Vogelmenschen zu bevölkern. Deshalb hatte man das Ei in der Felsspalte abgelegt. Er durfte das grenzenlose Vertrauen seiner Ahnen nicht enttäuschen. Sie würden ihn in dieser primitiven Welt verkümmern lassen, wie einen Wurm in der Sonne, wenn er seine Bestimmung nicht erfüllen konnte.

      Es stimmte ihn traurig, dass er bei der Geburt nicht dabei sein konnte, aber niemand durfte ihn mit dem Kind in Verbindung bringen. Erst wenn sein Geschöpf geschlechtsreif war, wollte er es sich einvernehmen. Zunächst blieb ihm nur die Rolle des Beobachters.

      Die lange Wartezeit behagte Falcao gar nicht. Im Gleichklang mit der Zeit nahm auch die Nervosität zu. Ein ungekanntes Gefühl der Unruhe schlich sich bei Falcao ein, dessen Leben bislang so reibungslos verlaufen war. Nun stand er unmittelbar vor einem bedeutenden Ereignis, welches sein Dasein bestimmen sollte.

      Die Zeit des Wartens hatte ein Ende, als Janines Freundin das Krankenhaus verließ. Sie ging unmittelbar vor ihm an der Gartenbank vorbei, und sah verstört und traurig aus. Falcaos Neugier wuchs ins Unermessliche, er musste unbedingt erfahren, wie es seinem Nachkommen ging. Die junge Frau ging zu Ihrem Auto und stieg ein. Falcao eilte zu seinem Motorrad, stellte die Maschine an, und folgte dem Kleinwagen. Der Frau durch den Stadtverkehr zu folgen, stellte sich nicht als schwierig heraus, da am Sonntagabend nicht sonderlich viel Betrieb auf den Straßen herrschte. Die Frau steuerte einen Randbezirk an, den er nicht kannte. Sie fuhr ihren Wagen auf den Parkplatz eines großen Wohnblocks. Falcao stellte sein Motorrad, nahe dem Hauseingang ab. Er sah die Frau auf sich zukommen, woraufhin er sich abwandte. Sie ging weiter zum Eingang, öffnete einen Briefkasten, nahm etwas heraus, und betrat anschließend das Gebäude. Der hünenhafte dunkelhäutige Mann ging schnellen Schrittes zu den Briefkästen und las das Namensschild auf der Klappe, die er sich gemerkt hatte. Er verglich die Namen der Klingelleiste und fand ihn in der Reihe des vierten Obergeschosses. Falcao wartete noch ein paar Minuten, ehe er die Klingel drückte.

      „Ja“, tönte es aus der Gegensprechanlage.

      „Ich bin ein enger Freund von Janine und möchte gerne mit ihnen sprechen“, sagte Falcao in das rechteckige Gitter der Sprechanlage“.

      „Worüber?“

      „Über Janines Kind.“

      Falcao vernahm ein Summen an der Eingangstür und drückte sie auf. Er nahm den Fahrstuhl und fuhr hoch in den vierten Stock. Die Frau erwartete ihn bereits am Ende des linken Flurs.

      „Ich bin Falcao Mashego“, stellte er sich vor, und reichte der Frau seine Hand.

      „Laura Bruns. Woher kennen sie Janine, und wieso wissen sie von dem Kind?“

      „Ich bin der Vater!“, antwortete Falcao wahrheitsgetreu.

      „Aber wie…..?“

      „Darf ich reinkommen?“

      Laura ließ den kahlköpfigen Riesen in ihre Wohnung und ging mit ihm ins kleine Wohnzimmer. Sie bekam ein unbehagliches Gefühl, welches an Angst grenzte.

      „Tut mir leid, dass ich hier so unvermittelt auftauche, ich möchte sie auch nicht lange belästigen, aber ich mache mir Sorgen. Ich kann Janine nicht erreichen, geht es ihr gut, und was ist mit dem Kind, ist es gesund?“

      „Dem Jungen geht es gut, aber Janine ist gestorben, sie war den Strapazen der Geburt nicht gewachsen. Überhaupt ist alles so unwirklich. Sie hat nichts von einer Schwangerschaft gewusst, und dann, bekommt sie innerhalb eines Tages ein Baby. Wie ist