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Frank Wendland
Vingar
Schwingen des Todes
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Inhaltsverzeichnis
Begegnung mit der dunklen Wölfin
Ankunft in der Fremde
Sabina stand vor ihrer neuen Herrin am Bug des Segelschiffes und schaute
nach vorn. Langsam kamen die Palisaden und Wachtürme in Sicht. Dorthin,
ins Land ihrer Feinde, brachte man sie nun als Ryns - als Sklavin.
Sie senkte den Blick als sie die Stimme der jungen Frau hörte, die sie nun als
Herrin ansprechen musste.
„Habe keine Sorge. Ich werde Acht geben, dass du in gütige Hände kommst.“
Sabina nickte stumm. Nun - sie hatte mehr Glück als diejenigen, die bei der
Verteidigung von Tjale gefallen waren. Mehr Glück als diejenigen, die in den
Häusern verbrannt waren. Dieser entsetzliche Krieg, den ihr hochmütiger
König vom Zaun gebrochen hatte - sie hatte ihn nicht gewollt. Die meisten
freien Bürger von Tjale hatten ihn nicht gewollt.
Aber es war geschehen. Und als vor 17 Tagen die Segel der Schiffe am
Horizont entdeckt worden waren, war man in Tjale siegessicher gewesen.
Selbst als die Zahl der ausgemachten Schiffe immer größer wurde, hatte es
niemanden wirklich beunruhigt. Nie zuvor waren die Mauern von Tjale
durchbrochen worden. König Claudon hatte in seinen Reden, die er an das
Volk richtete, keinen Zweifel daran gelassen, dass die Vingar keine
ernstzunehmenden Gegner seien.
Doch dann waren die Wesen am Himmel aufgetaucht. Und Tjale zerfiel in
rauchende Trümmer. König Claudon verbrannte in seinem Palast und als die
Söldner, die die Vingar unterstützten an Land gingen, herrschten Chaos und
Entsetzen unter den Überlebenden. Auch sie hatte sich ergeben und so
überlebt. Sie war mit erhobenen Händen auf Skjold zugegangen - die nun
ihre Herrin war. Skjold war jung - keine 18 Sommer konnte sie erlebt haben.
Doch im Volk der Vingar war dies ohne Bedeutung. Skjold hätte sie ohne zu
zögern mit ihrem Speer durchbohrt, wenn Sabina versucht hätte, ihr zu
widerstehen. Sabina hatte ihr Leben in die Hand der Götter gelegt und diese
hatten entschieden, dass Skjold mehr Gefallen daran fand, Gefangene zu
machen statt Blut zu vergießen.
Und nun, da Skjold mit ihrer Beute heimkehrte, würde sich zeigen, ob
wahrhaftige Güte im Herzen dieser jungen Frau herrschte, oder ob Skjold
sich so gebahren würde wie die männlichen Krieger auf diesem Schiff. Die
behandelten ihre Gefangenen roh und verächtlich - spukten ihnen gern ins
Gesicht und... ja, sie nahmen sich von den Frauen, wonach ihnen gelüstete.
Skjold hatte Sabina einen ovalen, als schwarz bemaltem Holz bestehenden
Kragen angelegt, auf dem sie ihren Namen eingeritzt hatte. Sabina verstand
die Sprache der Vingar kaum, aber sie kannte die Gebräuche der Vingar, was
deren Umgang mit ihren Sklaven betraf. Viele Vingar kennzeichneten ihre
Sklaven und betrachteten sie als schützenswertes Eigentum, welches einen
möglichst guten Preis erbringen sollte. Skjold hätte jeden mit ihrem Speer
durchbohrt, der Hand an Sabina gelegt hätte. Und eben deshalb hatte Sabina
sich einer jungen Frau ergeben. Skjold schien nur zu gut zu verstehen, was
nun in Sabina vorging. Und es war ihr nicht gleichgültg. Zumindest hoffte
Sabina es.
Aber wer konnte schon wissen, was in den Vingar vorging ? Sie waren seit
jeher ein wildes, unabhängiges Volk gewesen, dass keinem König Gehorsam
zu schulden glaubte.
Alte Legenden berichteten, dass sie sogar Verbündete fliegender Wesen sein
sollten, denen sie Opfer dar brachten, um sich ihrer Loyalität zu versichern.
Aber dies war sicherlich nichts weiter, als pure Angeberei. Mit solchen
Behauptungen war es den Vingar vielleicht in früheren Jahren gelungen, ihre
Feinde in Furcht und Schrecken zu versetzen. Doch gesehen hatte niemals
jemand diese fliegenden Wesen. Bis zu dem Tag, als die Vingar Tjale
angriffen.
Ein grausiger Gedanke stieg in ihr hoch. Ob sie und die, die nun das Los der
Sklaverei mit ihr teilten, den Drachen als Opfer dargebracht werden würden ?
„Was schaust du so grimmig“, wurde sie nun von Skjold getadelt, „lächle.
Zeige Kraft und Würde - ich will einen guten Preis für dich haben.“
Sabina wandte den Kopf und blickte Skjold ins Gesicht. Sie verzog die Lippen
zu einem dünnen Lächeln, das aber sogleich wieder der Bitterkeit wich, die
sie spürte, seit sie den Holzkragen trug. Noch immer fragte sie sich, warum
Skjold es vermochte, sich in ihrer Sprache mit ihr zu unterhalten. War sie
vielleicht keine echte Angehörige des Volkes der Vingar ? Die männlichen
und die wenigen weiblichen Krieger der Vingar, die sie auf diesem Schiff
umgaben,