Frank Wendland

Vingar


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kupferrotes, naturgewelltes Haar, das sie kurz trug. In ihren grünen

      Augen glomm ein unbändiger Stolz und auch wenn sie schlank und zierlich

      wirkte, so besaß sie zweifellos die Entschlossenheit und Kaltblütigkeit, um

      keiner Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen.

      Skjold würde ihr keine Antwort auf die Frage geben, was mit ihr geschehen

      würde. Wahrscheinlich wusste sie es selbst nicht.

      Nun trat Skold an sie heran und tippte kräftig mit ihrem Zeigefinger auf

      Sabinas Stirn: „ Was geht da drinnen vor ? Sag es mir !“

      Sabina reagierte auf diese Provokation, indem sie Skjolds Handgelenk ergriff

      und aus ihrem Gesicht führte. Was hatte sie schon zu verlieren ?

      „Was glaubst du, dass in mir vorgeht ? Ich fürchte mich !“

      Skjold schaute auf ihr Handgelenk und Sabina löste ihren Griff und ließ es

      los.

      „Bei den Göttern, du hast Kraft. Warum bist du wie ein Schaf auf mich zu

      getrabt und hast nicht den ehrenvollen Tod im Kampf gesucht ? Hat dein

      Mann dir die Hausarbeit überlassen, um selbst in der Schenke von seinen

      Siegen zu prahlen ?“

      „Es gibt keinen Mann und kein Kind, um das ich trauern muss. Ich war nicht

      vermählt.“

      „Dann warst du eine Priesterin eurer schwachen Götter oder die Gespielin

      eines der Höflinge eures Königs.“

      „Ich war niemandes Gespielin.

      „Was dann, eine Schankmagd ?“

      „Nein !“

      Sabina mühte sich, ihre Haltung zu bewahren. Während der ganzen

      Überfahrt hatte Skjold sich kaum darum gekümmert, ob sie überhaupt noch

      am Leben war. Sie hatte die quälend langen Tage angekettet unter Deck

      verbracht, hatte unter Seekrankheit gelitten und wie alle anderen Sklaven den

      Kopf gesenkt, wenn die Vingar Eimer voller Seewasser über ihnen

      ausschütteten, um alles, was ihre Körper verlassen hatte, weg zu spülen.

      Zweimal hatte man sie von den Ketten befreit, damit sie gemeinsam mit

      anderen Sklaven diese Ausscheidungen zusammenschob und in Eimern an

      Deck brachte, um sie über Bord zu entleeren.

      Ja, es hatte Momente gegeben, in denen sie es bereut hatte, nicht einen

      Speer von einem der gefallenen Krieger zu ergreifen und sich in einen

      hoffnungslosen Kampf zu stürzen, als Tjale fiel. Aber der Anblick der kläglich

      verbrennenden Menschen hatte sie in eine Art verzweifelter Dunkelheit

      gestoßen, aus der sie auf irgendeinem Weg lebend entrinnen wollte. Doch sie

      war nun hier und sie würde ihr Schicksal nicht länger in den eigenen Händen

      halten.

      „Warum fragt ihr mich, Herrin ? Ist es nicht gleich, was ich war ?“

      Skjold streckte die Hand aus und strich durch Sabinas rotblondes Haar.

      „Vielleicht sollte es mir gleich sein.“

      „Etwas bedrückt euch, Herrin.“

      „Ich bin niemandes Herrin“, sagte Skjold leise.

      Schweigend standen sie nebeneinander am Bug des Schiffes, während

      dieses sich unaufhaltsam auf die Siedlung zu bewegte.

      Als die Steege in Sicht kamen, an denen die Schiffe festmachen würden,

      blickte Skjold sie an und sagte: „Ich bin niemandes Herrin und du wirst

      niemandes Sklavin sein. Du wirst mir folgen, wohin ich auch gehe. Aber wenn

      du versuchst, mich zu hintergehen, töte ich dich.“

      Sabina ahnte, dass Skjold ihr damit ein unwürdiges Leben, wenn nicht gar

      den Tod auf dem Opferaltar ersparte. Sie fragte sich nicht, was sie bewogen

      hatte, diese Entscheidung zu treffen. Aber sie dankte den Göttern dafür, das

      sie dieser jungen, unerschrockenen Frau begegnet war, die wie ein Bote im

      Inferno des Todes und der Zerstörung erschienen war, um einen Teil des

      Ruhmes zu beanspruchen. Ja, sie würde ihr Schicksal in Skjolds Hände

      legen und ihr dienen - so wie sie einst dem König von Tjale gedient hatte.

      Auf der linken Seite des Palisadenwalls, etwa fünf Schiffslängen von den

      Landungssteegen entfernt, befand sich ein Tor. Dieses gab den Weg ins

      Innere der Siedlung frei. Eine schmale, mit grauem Stein gepflasterte Straße

      führte in die Siedlung hinein. Zur Rechten lag ein langgezogener Hügel aus

      aufgehäuftem Seesand. Dieser stützte den Palisadenwall nach hinten ab und

      mochte so dafür sorgen, dass der Palisadenwall im unteren Bereich selbst

      dem Beschuss mit Katapulten standhielt. Auf diesem Hügel ragten die

      Wachtürme in den Himmel, von denen aus die Bogenschützen ein sehr gutes

      Schussfeld hatten, wenn die Siedlung von der Seeseite her angegriffen

      werden sollte.

      Zur Linken die Häuser der Vingar die Straße. Sie waren in

      Fachwerkbauweise gebaut und die Dächer waren mit Holzschindeln

      gedeckt.Die Vingar waren als einfallsreiche Handwerker weithin bekannt. Als

      Sabina an den Häusern vorbeiging, bewunderte sie die kunstvollen

      Schnitzereien in den Fensterläden. Ihr Blick schweifte nun über die Dachfirste

      hinweg hinüber zu dem Berg, der an den Palisadenwall grenzte und steil in

      die Höhe ragte.

      Und als sie nun über den Marktplatz gingen, in dessen Mitte ein seltsamer

      Brunnen stand, bemerkte sie, dass links vom Marktplatz ein unbefestigter

      Weg in den Berg hinein führte. Eine mannshohe Öffnung im Gestein schien

      einen Höhleneingang darzustellen und.... Sabina schaute zweimal hin, als sie

      im Gestein des Berges über dem Höhleneingang die Gesichter sah. Wie zwe

      dämonische Fratzen waren die Gesteinsschichten oberhalb des

      Höhleneinganges geformt. War dies das Werk der Vingar, oder hatte etwa die

      Natur dieses schaurige Werk vollbracht ?

      Aber es war nun nicht an der Zeit, darüber nachzudenken. Der Zug der

      Sklaven und Krieger hatte den Marktplatz erreicht und der Anführer dieses

      Zuges brüllte seine Kommandos. Er war ein hochgewachsener, brutal

      aussehender Kerl, dessen Vollbart bereits grau war. Seine Lederrüstung wies

      die Spuren von zahlreichen Kämpfen auf, die er offensichtlich überlebt hatte.

      Als er den Spangenhelm vom Kopf nahm, gab dieser das harte Gesicht