J. B. Hagen

Name unbekannt


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strebte wohl an, nüchterner zu werden, indem er Kaffee trank und plötzlich etwas essen wollte.

      Johanna nahm den Teller dampfender Ochsenschwanzsuppe in der Küche entgegen und entschloss sich im letzten Moment anders. Sie ging mit dem Teller in eine Kammer, in der sich neben allerlei Putzmitteln auch ein Behälter mit Rattengift befand. Johanna schüttete eine gehörige Portion von dem Pulver in den Teller und rührte gut um. Dann ging sie nach draußen und servierte Ferdinand lächelnd seine Bestellung.

      Schon nach wenigen Löffeln, erkannte er, dass da etwas nicht stimmen konnte.

      »Hallo, Frollein Hanni, da ist wohl außer dem Schwanz noch etwas, das darunter herauskommt, mit in die Suppe gekommen«, sagte er. »Die schmeckt ja fürchterlich.«

      »Das ist ein ganz neues Rezept von unserem Küchenchef. Hat man sich erst an den Geschmack gewöhnt, soll sie der Potenz dienlich sein«, flötete Johanna.

      »So? Na, dafür soll mir jedes Mittel recht sein.« Ferdinand löffelte weiter, bis der Teller leer war.

      Johanna bediente weiter die Gäste, sah aber immer wieder zu Ferdinand hin, dem es augenscheinlich immer schlechter ging. Er schleppte sich zur Toilette und erbrach sich schon unterwegs. Willi winkte Johanna heran und forderte sie auf, ihm zu helfen, Ferdinand über die Straße in ein Gästezimmer zu bringen. Sie stützten ihn gemeinsam auf dem Weg, wo ihm immer wieder die Beine versagten. Endlich angekommen, legten sie ihn aufs Bett und stellten einen Eimer daneben. Dann verschloss Willi die Tür, als würde er eine Gruft versiegeln.

      »Sollten wir nicht einen Arzt rufen?«, fragte Johanna leise.

      »Damit er feststellt, dass der Kerl vergiftet wurde? Das können wir uns nicht leisten.«

      »Du weißt …?« Johanna brach hilflos ab.

      Willi nickte. »Ich sehe doch, was seit einiger Zeit mit dir los ist. Seitdem habe ich dich nicht mehr aus den Augen gelassen, und den Penner auch nicht. Ich denke, er hat seine gerechte Strafe bekommen dafür, dass er dich entehrt und noch zusätzlich verhöhnt hat. Du musst das Teufelsbalg nicht bekommen. Wir können es wegmachen lassen. Das liegt ganz bei dir.«

      Johanna weinte wie ein kleines Kind. Jetzt fiel die ganze Anspannung von ihr ab. Dass Willi so unerschütterlich zu ihr hielt, konnte sie beinahe nicht fassen.

      »Was machen wir mit ihm, wenn er stirbt?«, fragte Johanna, als sie sich wieder etwas gefangen hatte.

      »Am besten im Wald verscharren oder mit Gewichten in der Havel versenken. Aber vergraben wird man ihn wohl weniger finden.«

      »Und wenn er nicht stirbt?«

      »Das halte ich für ausgeschlossen. Dem könnte jetzt auch kein Arzt mehr helfen.«

      »Was willst du sagen, wenn man nach ihm fragt? Jeder hat doch gesehen, dass wir ihn fortgeschafft haben.«

      »Ganz einfach, dass er seinen Rausch ausgeschlafen hat und am frühen Vormittag mit seinem Wagen abgedüst ist.«

      »Aber der Wagen steht doch noch auf dem Parkplatz …«

      »Den fahre ich in den frühen Morgenstunden weg. Ich stelle ihn am Anhalterbahnhof oder sonst irgendwo ab. Den Schlüssel werfe ich weg.«

      »Es tut mir so leid, dich da mit hineinzuziehen. Du hast doch mit der Sache gar nichts zu tun.«

      »Als dein zukünftiger Ehemann schon. Oder glaubst du, ich lasse dich mit dem Schlamassel allein? Die Welt wird so ein Stück Dreck kaum vermissen. Und wir lassen uns von so etwas nicht die Zukunft verbauen.«

      Johanna wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war buchstäblich sprachlos.

      Josefines Angst war nicht unbegründet, denn bald litt auch sie unter Morgenübelkeit. Dass sie ihre Regel nicht bekam, hielt sie nicht für ausschlaggebend. Das war schon öfter mal vorgekommen. Aber die Veränderung ihres Körpers war unübersehbar. Er wirkte weicher und fraulicher, und ihre kleinen Brüste wurden voller und straffer.

      »Du bekommst ein Kind«, sagte Elfride, »ich kenne die Symptome von meiner Schwester. Der alte Baron ist also doch noch ein ganzer Mann.«

      »Was soll ich denn jetzt nur tun?«, jammerte Josefine, »ob er mir das Geld gibt, um es wegmachen zu lassen?«

      »Dem traue ich zu, dass er behauptet, es sei nicht von ihm, sondern von irgendeinem Burschen, den du beim Heurigen kennengelernt hast.«

      »Aber da war niemand. So einfach lasse ich mich nicht mit jemandem ein.«

      »Weiß ich doch, du Schaf. Aber er wird die Ausrede benutzen, um besser vor der Gnädigen dazustehen.«

      Die Gnädige erwies sich dann alles andere als das. Als die ersten Rundungen auch bei Josefines Bauch zu sehen waren, zitierte sie das Mädchen in ihren Salon.

      »Mach die Tür zu, damit niemand hört, was ich dir zu sagen habe«, sagte Therese Mandl scharf. »Du musst nicht denken, dass ich dumm bin und keine Augen im Kopf habe. Du bist also unzweifelhaft guter Hoffnung. Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Ein dickes Trampel ist mir in meinem Haushalt nicht von Nutzen. Ganz zu schweigen von dem Kindergeschrei, wenn das Baby erst da ist. Und die Leute werden tratschen und vermuten, der Geheimrat sei der Vater. Der Skandal wäre unbeschreiblich.«

      »Aber er ist es doch. Ich habe keinen anderen Mann an mich herangelassen«, begehrte Josefine verzweifelt auf.

      »Du wagst es, deinen Frevel offen zuzugeben?«

      »Was hätte ich denn machen sollen? Der Herr Baron ist der Herr, und ich habe mich nicht getraut, Widerstand zu leisten.«

      »Ach, Papperlapapp. Mir ist nicht entgangen, dass du ihm von Anfang an schöne Augen gemacht hast. Und er ist eben auch nur ein Mann, der der Versuchung nicht widerstehen konnte. Was hast du dir da in deinem Spatzenhirn zusammenfantasiert? Dass er mich fortschickt und du die neue Frau an seiner Seite wirst?«

      »Nein, an so etwas habe ich überhaupt nicht gedacht.«

      »Wie könntest du auch. Mein Gatte braucht eine Frau an seiner Seite, die mit ihm die gesellschaftlichen Pflichten wahrnimmt. Eine mit Geist und Kultur. Eben so jemanden wie mich. Ein unbedeutendes Stubenmädel aus der Gosse ist für ihn nur ein Stück junges Fleisch.«

      »Meine Eltern sind rechtschaffende Leute. Ich stamme keineswegs aus der Gosse.«

      »Aber dort wirst du landen. Oder glaubst du, du findest einen Mann, der dich als gefülltes Täubchen nimmt?«

      »Aber es gibt doch Mittel und Wege, um … um das ungeschehen zu machen.«

      »So, du willst uns erpressen? Mein Gatte soll dir das Geld für die Folgen deiner Leichtlebigkeit geben? Das haben schon ganz andere versucht.«

      »Wo soll ich denn hin? Zurück zu meinen Eltern kann ich auch nicht.«

      »In die Gosse, wo du hingehörst. Wenn du Glück hast, nehmen die Dirnen dich bei sich auf. Und irgendeine wird bestimmt auch die Betreuung des Kindes übernehmen, wenn du deiner neuen Arbeit nachgehst.«

      Therese lachte gehässig.

      »Übung hast du ja schon darin, dich ohne Ansehen der Person hinzugeben.«

      »Nein, ich kann das nicht. Ich bin doch keine Hure.«

      »Doch das bist du. Eine, die sich mit ihrem Körper Vorteile verschafft. Davon habe ich viele am Theater kennengelernt. Kaum eine ist dadurch glücklich geworden. Ich will, dass du auf der Stelle mein Haus verlässt. Oder ist es dir lieber, wenn ich deine Eltern informiere?«

      »Nein, bitte nicht. Meine Mutter würde die Schande nicht überleben.«

      »Dann ist alles gesagt. Der Lohn, den du noch zu beanspruchen hast, wird dir als Überbrückung dienen. Und ich bin sogar bereit, noch etwas draufzulegen, wenn du nur aus meinem Blickfeld verschwindest. Na, bin ich nicht großzügig? Und jetzt pack deine Sachen und mach dich davon!«

      Der