müssen, sei es aus Schuldengründen oder weil die Besitzer eine andere Verwendung dafür hatten.
Sie war in einer Beziehung mit Simon, einem drogensüchtigen Taljungen, der sein Leben lieber in Bars und mit Kokain verbrachte, als sich um einen Job zu bemühen. Seine Drogensucht hatte ihm schon einige erfolglose Aufenthalte in der Entzugsklinik verschafft. Marija war sein Notnagel, sie finanzierte seine Sucht, sonst würde er ihr drohen.
Just in diesem Moment klopfte es an der Tür. Als Marija öffnete, kam ihr ein verdächtig schwankender Simon entgegen.
„Baby, ich liebe dich!“, lallte er und wollte sie küssen. Bei diesem Versuch kippte er beinahe zur Seite, konnte sich aber im letzten Moment noch an Marijas Schulter festkrallen.
„Du hast wieder getrunken!“, stellte sie fest.
„Pah. Getrunken!“, brüllte er. „Als wäre ich ein Anfänger!“
Der Innentasche seiner zerfledderten Lederjacke entnahm er ein kleines Tütchen, das ein verdächtiges weisses Pulver beinhaltete.
„Baby, hast du eine Zehnernote?“
„Keine Ahnung.“ Sie widmete sich wieder ihrem Spiegelbild.
„Dann guck doch nach!“
„Simon!“ Sie drehte sich zu ihm um. „Ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten gehen.“
Diese Worte entlockten ihm ein Lächeln. „Sehr gut, dann ist wieder etwas Geld für guten Stoff da!“
Als sie keine Anstalten machte, griff er, ihre Proteste ignorierend, nach ihrer Brieftasche und packte eine Zehn-Franken-Note aus, welche er zu einem kleinen Röhrchen rollte. Dann puderte er ein wenig des weissen Pulvers auf die Tischplatte und bildete mit einer Rasierklinge fein säuberlich eine Linie.
„Ist das Kokain?“, fragte sie angewidert.
Simon strahlte. „Natürlich ist das Koks. Weisses Gold!“
Er hielt sich das Röllchen ans linke Nasenloch und zog die Linie hoch.
„Ach, tut das gut!“, seufzte er zufrieden und hielt ihr die gerollte Banknote hin.
„Willst du auch mal?“
Als Marija im Lokal ankam, war die Hölle los. Obwohl Mariella zwingend an diesem Vormittag frei benötigt hatte, wuselte sie durch Tresen und Speiseraum, wild gestikulierend und herumschreiend. Ganz unerwartet kam dies zwar nicht, doch hatte Marija leise gehofft, dass hier weniger Lärm war als zu Hause. Simon war übrigens unmittelbar nach seinem Angebot direkt auf ihrem Bett eingeschlafen.
„Alles muss man selber machen, die anderen können gar nichts! Herumlaufen wie Schlampen, aber sonst unfähig!“
Offenbar hatte ihre Kollegin ihre Ankunft noch nicht bemerkt, denn Marija war sich sicher, dass mit Mariellas abschätziger Bemerkung sie gemeint war. Dabei hatte sie doch den Tresen gewienert wie wild.
In diesem Moment öffnete sich eine Tür und Frowin Baumann, der Besitzer und Wirt des La Finca, betrat sein Lokal.
„Was ist das hier für ein Lärm?“, erkundigte er sich.
„Ich wollte nur kurz nach dem Rechten sehen, doch Marija hat ein riesiges Chaos hinterlassen.“
Die Erwähnte versteckte sich hinter einer Säule und sie versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken.
„Du sollst diese Schlampe entlassen! Sollte sie nicht schon längst wieder hier sein!“
Mariellas Worte wirkten wie ein Stich ins Herz. Klar hatte sie für ihre Arbeitskollegin nicht gerade immense Sympathien gehegt, trotzdem hätte sie niemals mit einem solch hinterhältigen Verhalten gerechnet.
„Wahrscheinlich bläst sie einem Typen gerade den Schwanz. Frowin, hast du schon unten bei den Toiletten nachgesehen, ob sie da steckt?“
Als Baumann provokant auf seine Uhr blickte, entschied sich Marija für den Gegenangriff.
„Die Schlampe meldet sich pünktlich zum Dienst!“, meinte sie trocken und schnappte sich ein Handtuch.
„Solch‘ eine Sprache verbitte ich mir in meinem Restaurant!“, knurrte Baumann empört.
„Ja, du hast Frowin gehört, hier im La Finca arbeiten nur anständige Leute!“, musste jetzt auch noch eine keifende Mariella ihren Senf dazu geben. Marija verwunderte es nicht, dass sie im Ort hinter vorgehaltener Hand nicht selten als Papagei bezeichnet wurde.
„Als wäre ich die einzige, die so redet!“, murmelte Marija und wollte sich an ihre Arbeit machen. Einer der Dauergäste hatte schon lautstark nach einem Bier verlangt und diese sollte man nicht verärgern, wenn man Frieden wollte.
„Was hast du gesagt, Marija? Ich verstehe dich nicht. Abgesehen davon musste Mariella Zusatzschichten schieben, weil du letzte Nacht deine Arbeit nicht machen wolltest, du faule Kuh!“
Durch den Tränenschleier vor ihren Augen sah Marija Baumanns heranschleudernde Hand zu spät, um dem Schlag noch ausweichen zu können.
Kapitel 2
Auch Alexander hatte einen beschwerlichen Weg hinter sich. Durch Marcel war er zu unserer Gruppe gestossen, hatten die beiden sich doch bei der Arbeit kennen gelernt. Er war nach Erstfeld gezogen, weil er an der Raststätte eine Anstellung als Koch erhalten hatte. Marcel wiederum war Stammgast gewesen und wollte mal den Schaffer der vorzüglichen Schnitzel persönlich loben.
In einem rhythmischen Staccato liess Alexander die Klinge des Küchenmessers auf das kleine Brett prasseln, um die Karotten zu zerkleinern. Er war in Eile, hatte er doch alleine Dienst und nun waren die ersten Reisecars bei der Raststätte Erstfeld vorgefahren und deren Insassen wollten für ihre lange Weiterreise zu den touristischen Zielen der Toskana oder den monumentalen Kreuzfahrtterminals Liguriens gestärkt werden. Zusätzlich hatten sich im Vorraum einige Chauffeusen und Chauffeure niedergelassen, welche aus Ruhezeitgründen oder dem Tropfenzählersystem wegen ihre Sattelschlepper stehen lassen mussten und um die Zeit für einen Schwatz mit ihren Kolleginnen und Kollegen, die wohl ebenso an Einsamkeit litten, zu nutzen.
„Draussen warten Kunden seit fünfzehn Minuten auf ihr Essen!“, dröhnte eine tiefe männliche Stimme durch die Küche. Alexander verdrehe genervt die Augen, sie gehörte dem Chef des Betriebes, Dominik Hopfner. Hopfner trimmte den Laden auf Effizienz, deshalb wurde die Anzahl diensthabender Köche pro Schicht und Küche auf einen reduziert.
„Weiss!“, polterte dieser und baute sich vor Alexander auf. „Sie sind nicht zum Pause machen hier! Und Sie haben schon wieder die falsche Anzahl Nahrungsmittel bestellt!“ Er hielt dem verdutzten Alexander eine Tabelle unter die Nase. Tatsächlich waren die Daten nicht mehr dieselben, wie er es tags zuvor ausgefüllt hatte. Nebst ihm hatte nur noch eine Person Zugriff, Pasquale di Clemente, der Koch der Spätschicht.
„Das sind keine guten Voraussetzungen für Ihre Bewerbung als Küchenchef der Raststätte!“ Laut schlug Hopfner die Tür hinter sich zu und Alexander spürte die verwunderten Blicke der Küchengehilfen auf sich.
Als er längst wieder im Auto sass, fühlte er sich immer noch in einer Zwickmühle sitzend. Er wusste, dass Pasquale die Angaben geändert haben musste, doch war dieser so was wie sein einziger Freund hier. Die Küchengehilfen bedachten ihn ohnehin mit Hohn und Spott, weil er kein Einheimischer war, was eine Gemeinsamkeit mit dem gebürtigen Italiener Pasquale war, verband sie doch das gemeinsame Schicksal.
Doch dass dieser ihm ins Handwerk pfuschen sollte, konnte er nicht so recht glauben.
Als er bei der an seiner Wohnung am nächst gelegenen Ausfahrt die Autobahn verliess, fasste er einen Entschluss. Beim nächsten Kreisel wendete er und kehrte zur Raststätte zurück, er wollte Pasquale zur Rede stellen.
Er stellte seien Wagen auf den Dienstparkplatz und verschaffte sich mit seinem Badge Zugang zum Liefereingang. Als er einen Blick in die Küche wagte, sah er die