Daniel Wächter

Wenn das Leben dir Zitronen gibt...


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hatte er sich als Ziel gesetzt, rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen. Die gesamte Küchenmannschaft war überfordert und er war der Meinung, dass er der einzige war, der noch Herr über das Chaos werden konnte.

      Doch als er sein Dienstschränkchen aufschloss, purzelte vergammeltes Gemüse aus diesem. Paprika, Tomaten, Gurken, Zucchini – all dies breitete sich auf dem Fussboden aus.

      Schallendes Gelächter ertönte, Alexander drehte seinen Kopf. Im Türrahmen stand die gesamte Küchenmannschaft.

      „Na du Deutscher, hast abgelaufenes Gemüse gekocht?“, lachte einer, dessen Name Alexander unbekannt war.

      Eilig versuchte er, das Gemüse zusammenzupacken, als zu guter Letzt auch noch Hopfner in der Garderobe auftauchte.

      „Weiss. In mein Büro. Sofort!“

      Mit gesenktem Kopf schloss Alexander die Tür hinter sich. Hopfner hatte sich bereits auf seinen gigantischen Lehnstuhl gesetzt, der in der Vertikalen beinahe dieselben Dimensionen aufwies wie sein Schreibtisch in der Horizontalen.

      „Setzen Sie sich!“, bellte er und wies auf die Stühle. Alexander war klar, dass dies kein Zeichen der Freundlichkeit war. Dennoch leistete er dem Befehl Folge.

      „Sie haben sich auf die freie Stelle als Küchenchef beworben.“, begann er.

      „Das habe ich und ich freue mich, sollte ich zum Zug kommen!“

      „Sparen Sie sich Ihre Höflichkeit, Weiss. Ich stelle fest, dass Sie mit der Arbeit hier überfordert sind!“

      „Das ist nicht wahr, das ist die Folge, dass...“

      „Die Kunden warten auf ihr Essen, gottverdammt noch mal!“, schrie Hopfner. „De Clemente hat die Sache im Gegensatz zu Ihnen im Griff! Sie haben ihm gegenüber die schlechteren Karten!“

      Wie ein geprügelter Hund schlich Alexander durch den Flur. Auf die Arbeit hatte er keine Lust, einerseits wegen Hopfners demotivierendem Verhalten, andererseits wegen der Aktion der Küchenmannschaft. Er konnte nicht verstehen, wieso er so unbeliebt war.

      Seufzend setzte er sich in den Flur, an die Wand gelehnt, den Kopf in den Nacken gelegt.

      Hatte Pasquale wohl die ganze Zeit Intrigen gegen ihn gesponnen, von ihm, Alexander Weiss, gänzlich unbemerkt? War er so geblendet, von dem vermeintlich freundschaftlichen Verhalten seines Rivalen?

      Er beschloss, ihn zur Rede zu stellen. Er richtete sich auf und eilte ins Büro. Natürlich war er wieder dort und nicht in der Küche – liess ihn im Stich und so ihn ins schlechte Licht rücken zu lassen.

      Aus Wut öffnete er die Tür ohne anzuklopfen – und schlug sie wieder zu. Er rannte weg, das durfte ja nicht wahr sein.

      Ihre Brüste hatten im Takt seiner Stösse geschaukelt, seine Hände auf ihrer Taille, ihren Bauch gegen die Schreibtischplatte gedrückt, sein Keuchen, ihr abgehacktes Stöhnen als er sie von hinten genommen hatte.

      Es hätte ihn nicht überrascht, ihn und Mariella in dieser eindeutigen Position erwischt zu haben, doch es handelte sich um Leandra, Mariellas beste Freundin.

      Vögelte der Kerl etwa alles, was bis drei nicht auf den Bäumen ist?

      Bei der Arbeit war ich oft unkonzentriert, immer wieder schweiften meine Gedanken zu Marija ab.

      Überstand sie es bei der Arbeit?

      Würde Simon sie in Ruhe lassen?

      Würden die Schläger sie in Ruhe lassen?

      Diese drei Fragen kreisten ununterbrochen in meinem Kopf, sie bildeten ein neurologisches Perpetuum mobile.

      Irgend einmal hatte ich genug. Als ich das letzte Palett mit Rohren abgestellt hatte, parkte ich den Gabelstapler in der Ecke und verzog mich ins Bistro meiner Firma. Da konnte ich vor mich hin brüten, ohne dass jemand oder etwas darunter zu leiden hatte.

      Als ich endlich Feierabend hatte, ging ich nach Hause. Überraschenderweise fand ich da meine Mutter vor, tief über den Esstisch gebeugt sass sie an jenem.

      „Mama, was tust du hier? Musst du nicht arbeiten?“

      Erschrocken fuhr sie herum, ihre Augen waren gerötet, als hätte sie geweint.

      „Alessandro!“ Mit einem Lächeln versuchte sie, ihre Traurigkeit zu überspielen. Vergebens. Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich zu ihr.

      „Was ist los?“, fragte ich.

      „Dein Grossvater...“, begann sie. Ich erstarrte. Nein, das durfte nicht sein! Er war noch fit, meine Oma war seit Jahren bettlägerig, irgend ein Nierenleiden. Mein Grossvater pflegte sie seit Jahren, ich wusste, dass er darunter litt. Hatte dies etwa Auswirkungen auf sein Herz gehabt?

      „...ist ein Alkoholiker“, beendete sie den Satz. Beinahe atmete ich erleichtert auf. Dass er einem Bierchen nicht abgeneigt war, war für mich nichts Neues - irgendwo her musste der Apfel nicht weit vom Stamm fallen, zudem sass er gerne in seiner Männerrunde im Finca. Er blühte dort auf, wie schon seit Jahren nicht mehr im Familienkreis.

      Ja, er war einer der Stammgäste, die Marija suspekt waren.

      Nein, sie wusste nicht, dass einer davon mein Grossvater war.

      „Wie geht es Oma?“, wollte ich ablenken. Meine Mutter zuckte mit den Schultern. „Wie immer. Doch sie wird für deinen Grossvater immer mehr zur Belastung, der Alkohol soll ichn ablenken. Und ins Heim will er sie nicht schicken!“

      Darf ich vorstellen, Marlies und Herbert Zwyssig - meine Grosseltern!

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