Prince Mario Munibert Gulbrand

Die Annalen von Naschfuhd; aus den Chroniken von Biglund


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Gebäude, welches über einen kleinen Vorraum, eine Bedürfnisanstalt und der eigentlichen Ältestenhalle, einem großen Innenraum, verfügte. Albin ging durch den Vorraum, vorbei an der Bedürfnisanstalt in den nächsten Raum. In der Ältestenhalle selbst saß nur der Dorfälteste in einem breiten Sessel am anderen Ende des Raumes und blinzelte Albin merkwürdig zu. Es war Baldomir der Dreiundvierzigste, der in der einen Hand den Ältestenstab der altvorderen Dorfältesten und in der anderen Hand einen bunten Malstift hielt.

      „Hoher Dorfältester. Ich wurde zu Ihnen hineingebeten“, begann Albin das Gespräch.

      „Ja, das stimmt“, krächzte der Dorfälteste. „Wieso trägst du einen Schlafanzug? Hast du nichts Anständigeres zum Anziehen?!“

      „Doch“, versicherte Albin. „Aber der Bürgermeister gab mir dafür keine Zeit und...“

      „Jaja, um Ausreden nie verlegen, die Jugend von heute!“ unterbrach ihn der Dorfälteste schroff. „Doch ich will dir trotzdem sagen, warum ich dich hier her bestellt habe.“ Der Dorfälteste machte eine lange Pause, atmete ein paar Mal schwer ein und aus und fuhr fort: „Ich hatte diese Nacht eine Vision. Ein sehr dunkles Omen, aiiiaiiiaiii!!!“

      Eine kurze, unangenehme Pause entstand, in der niemand wusste, was er daraufhin sagen sollte, vor allem nicht Albin.

      „Waren Sie schon beim Dorfarzt?“ erwiderte er höflich besorgt mit dem Erstbesten, das ihm einfiel. Und es war das erste und einzige, das ihm in diesem Moment einfiel.

      „Schweig du nichtsnutziger Narr! Ein Omen ist keine Krankheit oder blödes Gewäsch eines senilen alten Mannes“, klärte der Dorfälteste Albin auf und bohrte sich dabei mit dem Malstift in der Nase herum. „Du musst mir jetzt ganz genau zuhören.“

      Albin hörte dem Dorfältesten aufmerksam zu und wartete, bis der eine weitere lange Pause beendet hatte.

      „Wo waren wir gerade stehen geblieben?“ krächzte der Dorfälteste.

      „Bei eurem Omen, Hoher Dorfältester“, erläuterte Albin.

      „Ach ja, richtig, das Omen. Ich sah in dieser Nacht in einem schier endlos langen Traum etwas sehr Mysteriöses und unglaublich Merkwürdiges vor meinem geistigen Auge, das mich zutiefst erschrocken hat. Mir sitzt der Schrecken immer noch in allen Gliedern und glaub mir mein Junge, in wirklich allen Gliedern!“ erzählte der Dorfälteste und begann zu zittern.

      Albin wusste, dass der Dorfälteste ein sehr guter Geschichtenerzähler war, der jeder Legende seinen eigenen Stempel auflegte, allein seiner Art der Erzählung wegen. Wahrscheinlich würde er bei der Erzählung der Ereignisse wieder einmal deutlich übertreiben, dachte Albin.

      „Höre gut zu, junger Albin“, mahnte er mit gebrochener Stimme. „Es war eindeutig. Furchtbare Dinge werden geschehen. Furchtbarer als du sie dir in deinen schlimmsten Träumen auch nur vorstellen könntest. Es werden Tage kommen, an denen sich beide Sonnen und der grüne Mond verfinstern und die Tiere verrückt werden. Unsere Felder werden verdorren und unsere Häuser brennen!“

      Klassischer Fall eines Weltuntergangsszenarios, dachte Albin. Aber was denn für ein grüner Mond und welche beiden Sonnen?

      „Unsere Weiber werden den Tieren gefügig und, und, und“, krächzte der Dorfälteste und versank augenkullernd sein Gesicht in die Brust. Dann schnarchte und sabberte er ein wenig und fiel in einen leichten, dösigen Schlaf.

      „Hoher Dorfältester!“ weckte ihn Albin auf.

      „Aaahhh! Was, wie?!“ krächzte er. „Wo war ich stehen geblieben?“

      „Bei Eurem Omen.“

      „Ach ja, das Omen, richtig.“

      „Was habt Ihr genau gesehen?“ fragte Albin.

      Der alte Mann atmete tief durch und dachte noch einmal über den Traum nach. „Ich sah, ich sah“, begann er und sah nach oben an die Decke der Ältestenhalle, ganz so als würde sich dort sein Traum wie ein Film noch einmal von vorne abspulen lassen. Albin blickte unweigerlich ebenfalls nach oben, konnte jedoch nicht mehr erkennen, als restaurierungsbedürftigen, alten und schlecht gemachten Stuck. „Ich sah die große alte Wellhornschnecke. Sie kam immer näher auf mich zu. Sie war riesig und fett und so schleimig wie du sie dir nicht vorstellen kannst“, krächzte der Dorfälteste. „Sie fraß alles auf, was ihr im Weg lag, einfach alles.“

      Das war wirklich ein sehr mysteriöser und unglaublich merkwürdiger Traum, dachte Albin, aber... „Was hat das zu bedeuten?“ fragte er.

      „Was hat das zu bedeuten?!“ polterte der alte Mann, haute mit beiden Fäusten auf seine Stuhllehnen und zog seinen Malstift wieder aus der Nase, um damit wild in der Luft herum zu gestikulieren. „Lest ihr denn heutzutage keine anständigen Bücher mehr, ihr verzogenen kleinen Rotzbälger?!“

      Albin dachte eine Weile darüber nach, wann er das letzte Mal ein Buch über riesige Wellhornschnecken gelesen hatte, das ihm in dieser Situation ein wenig weiterhelfen konnte, doch er musste passen. „Es tut mir leid, hoher Dorfältester. Doch vielleicht erweist ihr mir eine große Gnade und belehrt mich.“

      „Jaja, von mir aus“, krächzte der Dorfälteste und gebot Albin mit einer abweisenden Handbewegung zu schweigen. „Die beiden Dorfmagier haben mir heute Morgen erklärt, dass es sich um das sogenannte böse mausgraue Omen der magisch-dämonischen Düsternis und okkulten Dunkelheit handelt.“

      Albin runzelte die Stirn.

      „Sie meinten, das sei kein gutes Omen“, ergänzte der Dorfälteste.

      Albin wagte es nicht, noch einmal zu fragen, was dieses Omen nun konkret bedeutete und wartete deshalb wieder eine Weile, bis der Dorfälteste ihm mehr darüber erzählen würde. Nachdem dieser jedoch wieder eingeschlafen war, meldete sich Albin noch einmal. „Was bedeutet das Omen und was hat das mit mir zu tun, hoher Dorfältester?“

      Der alte Mann wachte wieder auf. „Was, wie? Wo bin ich?“ keuchte er. „Ach ja, ich vergaß dir zu sagen, was es genau bedeutet. Nun, der uralten biglundischen Prophezeiung zufolge ist es so, dass nun der böse Hexenmeister Prosta unser geliebtes Biglund in ein neues Zeitalter des Chaos stürzen will, weil sich seine Frau von ihm scheiden ließ, dieses blöde Weibsstück“, krächzte der Dorfälteste. „Du musst das verhindern!“

      „Ich!? Aber wieso ich!?“ fragte Albin völlig entsetzt.

      „Weil du der Auserwählte bist. Ich habe die riesige Wellhornschnecke klar und deutlich Armin oder Adolf sagen hören. Ich weiß es nicht mehr genau, welcher von den beiden Namen es war, aber wir haben seit Jahrzehnten keinen Adolf mehr und ein Armin hat hier noch nie gelebt“, erklärte der Dorfälteste krächzend.

      „Und wieso bin dann ich der Auserwählte!? Ich heiße weder Armin, noch Adolf!?“ beschwerte sich Albin. „Und seit wann kann eine fette Wellhornschnecke eigentlich klar und deutlich reden?“ dachte er weiter, ohne diesen Gedanken laut zu äußern.

      „Na weil dein Name noch am Ähnlichsten wie Adolf oder Armin klingt. Hier im Dorf fängt sonst niemand mit dem Buchstaben A an. Die haben doch alle solche Namen wie Treputaf, Kloobolas oder Glattschpater!“ brabbelte der alte Mann, verdrehte dabei die Augen und sabberte ein wenig. „Es steht in der uralten Prophezeiung von Biglund. Gehe in die Bücherei, wenn du mir nicht glaubst und sofern du einen Büchereiausweis hast.“

      „Verdammt“, dachte Albin, denn er hatte keinen Büchereiausweis. „Na schön. Was muss ich tun?“

      „Also, alles was du machen musst, ist das Siegel der Macht zu finden und zu verhindern, dass Prosta es mit den vier Samen der Elemente "upgradet" oder wie ihr nichtsnutzigen jungen Bälger das heutzutage nennt. Am besten du gehst zuerst einmal meinen Schwiegersohn König Theobald den Siebten in Braksop besuchen. Ich habe ihn durch Korruption und Vetternwirtschaft zur Macht verholfen also ist er mir noch einen Gefallen schuldig“, krächzte der alte Mann. „Richte ihm ruhig einen Gruß von mir aus.“

      „Und wo finde ich Das Siegel der Macht und die vier Samen der Elemente?“ fragte Albin, etwas erschlagen von