Dietrich Knak

Der reiche Russe


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Danach hole ich den Vertrag hervor und schwenkte ihn. „Vorausgesetzt, Sie unterschreiben!“

      „Was steht in dem Vertrag?“

      „Dass Sie alle Rechte an dem Manuskript „Die reichen Russen in Baden-Baden“ an den Förderverein, der mich schickt, abtreten.“

      „Sie wollen mich also kaufen!“

      „Nicht Sie, nur Ihr Manuskript!“

      Brandt zeigt auf den Koffer. „Wieviel Geld ist da drin?“

      „Fünfhunderttausend Euro!“ Ich halte ihm den Koffer hin. „ Sie können es gerne nachzählen.“

      „Das ist nicht Ihr Ernst!“ Brandt schließt die Augen und lacht abgehackt. „Lächerliche Fünfhunderttausend! Für das wichtigste Werk, das ich je geschrieben habe! In das all mein Herzblut geflossen ist! Mindestens zwei Jahre lang, ausschließlich nur recherchiert und geschrieben! Bin mehrmals nach Moskau geflogen, um dort Dutzende von Informanten zu beschäftigen! Und die machen das nicht für einen Apfel und ein Ei. Kurzum: Ich habe gewaltige Vorleistungen erbracht! Mich bis über beide Ohren verschuldet. Doch das ist mir mein Buch wert.“

      „Natürlich ….!“, stottere ich, während ich den weitgeöffneten Koffer auf meinen Knien instinktiv ein Stück weiter in seine Richtung kippe, um ihm eine noch bessere Sicht auf den Inhalt zu ermöglichen. Doch er scheint mein Bemühen gar nicht mitzubekommen.

      „Dass Sie sich damit zum willigen Handlanger von reichen, oft auch kriminellen Russen instrumentalisieren lassen, dass ist Ihnen hoffentlich klar?“, befindet Brandt in einem verächtlichen Ton.

      Mir wird jäh bewusst, dass ich unverrichteter Dinge heimkehren muss. Brandt denkt nicht daran, sein Manuskript für Fünfhunderttausend zu verkaufen. Das Einzige, was mir jetzt noch zu tun bleibt: Ich muss einen geordneten Abgang hinbekommen.

      Der Schachbuchautor erhebt sich. Er verschränkt die Hände hinter dem Rücken, um den Mund legt sich ein breites, abfälliges Grinsen, das nichts Gutes ahnen lässt, so kommt er auf mich zu. Als er vor mir steht, fragt er hämisch: „Plagt Sie nicht Ihr Gewissen? Kommen Sie damit ohne weiteres klar?“

      „Wenn ich Sie recht verstehe, lehnen Sie das Angebot ab!“, erwidere ich beiläufig und bemühe mich, cool zu bleiben. Gleichzeitig sehe ich an seinem boshaften Blick, dass er mit mir noch nicht fertig ist.

      „Oder haben Sie möglicherweise gar kein Gewissen? Gehören schlichtweg zu den Typen, die für ein paar Kröten jedem reichen Rindvieh in den Arsch kriechen!“

      Wie meistens, wenn ich angegriffen werde, kommt es in meinem Kopf zu einer Kette von winzigen Explosionen, in deren Folge ich unberechenbar werde. Abrupt schließe ich den Koffer, stelle ihn ab und erhebe mich. Ich trete ganz nahe an Brandt heran und schnappe mir mit der Rechten blitzschnell seinen Hemdkragen, dann ziehe ich ihn zu mir heran, sodass er meinen Atem spüren kann. „Ja, ich arbeite für richtige Russen! Ja, die haben ihre eigenen Gesetze! Ja, die können auch richtig wehtun! Das sind nicht nur feine Leute mit geschliffenen Manieren!“ Ich drücke noch eine Spur fester zu, sodass er kaum noch Luft bekommt und zu röcheln beginnt. „Aber damit kann ich bestens leben! Wissen Sie, was mich dagegen ungleich mehr ankotzt?“

      Brandt schüttelt den Kopf, auch wenn es ihm kaum möglich ist.

      „Dieses widerliche Gutmenschengehabe! Es kotzt mich an! Ich kann gar nicht sagen wie es mich ankotzt! Sie verdammter, aufgeblasener, hohler Frosch! Was denken Sie, wer Sie sind? Der liebe Gott etwa: Der wie ein Gockel umherschreitet und denkt, er kann sich alles erlauben!“

      Brandt scheint mit einem Schlag den Ernst der Lage zu begreifen. Ich sehe es an seinen unruhig flackernden Augen, die mich eben gerade noch ruhig und kalt angeschaut haben. Offensichtlich wird ihm bewusst, dass er zu weit gegangen ist, und ich nicht gewillt bin, ihm sein lockeres Mundwerk durchgehen zu lassen. Auch wird ihm klargeworden sein, dass ich deutlich stärker bin als er.

      „Nehmen Sie nicht alles wörtlich, was ich sage!“, stammelt er entschuldigend, während ich ihn wieder freigebe. Geradezu fluchtartig kehrt er zu seinem Bürosessel zurück. Ich setze mich ebenfalls wieder. Brandt dagegen öffnet rasch eine Schreibtischschublade und entnimmt ihr ein kleines Buch. „Ich habe da etwas für Sie!“ Er schmeißt das Büchlein in meine Richtung, sodass es mit einem Platsch direkt auf meinen Knien landet. „Eine kleine Entschädigung, dafür, dass ich mich im Ton vergriffen habe! Wissen Sie, so kurz vor der Fertigstellung eines Buches ist man immer mit den Nerven am Ende!“

      Ich bleibe stumm. Zugleich stelle ich befriedigt fest, dass meine Attacke Wirkung gezeigt hat und es mir gelungen ist, ihn auf Normalmaß zurückzustutzen.

      „Wobei ich nicht verhehlen möchte, dass mein Versuch, damit russisch zu lernen, kläglich gescheitert ist“, bekennt er freimütig. „Nun ja, ich war schon in der Schule kein Held was Sprachen anbelangte! Mit anderen Worten: Ich brauche dieses Büchlein wirklich nicht mehr! Machen Sie es besser als ich!“

      Es ist ein dürftig gebundenes Exemplar, ausgestattet mit einem grauen Pappeinband auf dem „Russisch in einer Woche“ steht, darunter ist ein Bild mit Kremltürmen zu sehen sowie zwei Autorennamen, die für einen Deutschen geradezu unaussprechlich sind. „Danke!“, murmele ich und lasse „Russisch in einer Woche“ in der Innentasche meines Jacketts verschwinden. Danach fahre ich, um Sachlichkeit bemüht, fort: „Ich werde noch heute mit Herrn Gulja Makarow reden. Soll er mir sagen, wie es weitergeht.“

      „Machen Sie es!“

      Den Griff des Geldkoffers fest in der Linken, den Oberkörper kerzengerade und die Nase steil in die Höhe gereckt, lasse ich den Autor, ohne mich zu verabschieden oder ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, zurück. Als ich die Türklinke herunterdrücke, höre ich, wie er mir hinterherruft: „Herr Marowski, dann bis Morgen! Sagen wir zur selben Zeit! Und entschuldigen Sie nochmals! Eigentlich bin ich ein ganz auskömmlicher Mensch! Fragen Sie meine Frau!“ Ich war schon im Hausflur, da schrie er mir hinterher: “Und bauen Sie keinen Unfall!“

      Ich fasse seinen letzten Satz als einen Hinweis auf, dass er durchaus am Verkauf seines Manuskripts interessiert ist. Offenbar ist das was er hier abzieht, nichts weiter als eine Show, um den Preis mit allen Mitteln in die Höhe zu treiben. Moralische Beweggründe kann ich bei ihm nicht erkennen. Kutusow muss entscheiden, wie der Ankauf weitergehen soll. Wobei mir die Lust vergangen ist, mich hier jemals wieder blicken zu lassen. Aber den Geldboten spielen kann locker auch jemand anderes erledigen.

      3.

      Zurück in meiner Wohnung lasse ich den Geldkoffer wutschnaubend auf den Schreibtischplatte krachen. Mein Körper schmerzt mir derart, dass man meinen könnte, ich hätte einen Boxkampf hinter mir, bei dem mein Gegner mich mehrmals auf die Bretter geschickt hat. Das kann nur daran liegen, dass Eugen Brandt in einem gravierenden Punkt Recht hat. Wenn ich auch nicht zu sagen vermag in welchem. Während der Rückfahrt habe ich ausschließlich über die Frage nachgedacht: Marowski, wo sind deine Ideale geblieben, mit denen du diesen Beruf einmal angetreten hast? Eigentlich wollte ich für Menschen da sein, die in die Bredouille geraten sind und meine Hilfe brauchen. Und das auch dann, wenn sie es sich nicht leisten können. All das ist längst in die Oos gespült worden und von dort weiter in den Rhein. Jetzt dösen meine Vorsätze auf dem Grund der Nordsee vor sich hin. Und je länger ich über diesen vermaledeiten Auftrag nachdenke, umso unerträglicher wird er! Teufelszeug! Ich bin sogar bereit sowohl auf das Honorar als auch auf die angefallenen Nebenkosten zu verzichten. Wobei ich als erstes die Fünfhunderttausend Euro bei Kutusow abliefern werde. Die Schuhe habe ich noch an den Füssen! Und von morgen früh an halte ich mich bereit, die Anrufe älterer Herrn entgegenzunehmen, die ihren jungen Frauen nicht über den Weg trauen. Auch wenn es sich dabei wahrlich nicht um die Aufträge handelt, die mir vorschweben. Es ist jedoch ehrlich verdientes Geld. Egal, dieser Geldbotenservice ist für mich definitiv beendet! Entschlossen greife ich zum Telefon.

      Mein russischer Mandant meldet sich derart schnell, dass man meinen könnte, er hätte auf meinen Anruf gewartet. „Herr Marowski, wie ist es gelaufen?“ Als ich nicht gleich antwortete,