Jan Nadelbaum

Der Nomade


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      Jan Nadelbaum

      Der Nomade

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Kapitel 19

       Kapitel 20

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

      In Martins Augen glomm noch die Glut des lüsternen Feuers, das kurz zuvor aufgelodert war. Da lag er nun, nackt, groß, breit und kräftig, ein Bild von einem Mann – glaubte er zumindest – und beobachtete den schmalen blonden Jungen, der sich vor seinem Bett bekleidete, wie er langsam die Jeans über die Waden, dann die Schenkel streifte, bis der Stoff das kleine zarte Gesäß fast zur Gänze bedeckte. Martin machte einen Satz zu ihm, riss die Hose nach unten, erhob sich, umschlang mit seinen muskulösen Armen den knabenhaften Körper und glitt sachte, aber bestimmt, den Rücken hinab und küsste schließlich die Pobacken, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte. David kicherte. Es war Martins Ungestüm, dieses leicht Animalische, das er an ihm so liebte und weswegen sie sich bereits mehrere Jahre trafen, in der Regel zum Spaß, stets zum Vergnügen. Als Martin genug hatte, warf er sich zurück ins Bett. David zog sich weiter an. Er blickte ein letztes Mal zu Martin, der ihn betrachtete wie ein Falke eine Feldmaus, sagte „Tschüss“ und verließ den Raum, Sekunden später auch das Haus. Auf der Kommode gegenüber dem Bett lagen zweihundert Euro in kleinen Scheinen. David hatte sie dort liegen gelassen. Martin platzierte sie vor jedem ihrer Treffen an ebendieser Stelle – wenn David sie nicht mitnahm, wusste Martin, dass er gut gewesen war und dass es ‚seinem‘ Jungen gefallen hatte. Bisher hatte er sie nie mitgenommen.

      Martin sinnierte noch eine Weile über seine Männlichkeit und überwand sich endlich, aus dem Bett zu steigen um ins Bad zu gehen, wo er zu duschen gedachte. Vor dem Badezimmerspiegel machte er Halt, posierte, ließ die Muskeln spielen und zwinkerte seinem Abbild zu, welches die Geste selbstverständlich zurückgab, was Martin zum Lächeln brachte, genauso wie sein Spiegelbild. Dann beugte er sich nach vorne, näherte sich dem zweiten Martin, der wiederum seinem Original entgegenkam, bis sich ihre Lippen berührten. Der fleischerne Martin wich zurück und lachte laut auf. Dann verschwand er unter der Dusche. Dort dachte er an vorhin, an David und an sich, das heißt, eigentlich dachte er in erster Linie an sich und an diesen Gedanken hatte David irgendwie seinen Anteil, weil sie sich allein nicht denken ließen. Martin war mit sich vollauf zufrieden. Er hielt sich für einen Angekommenen, einen, der – trotz seiner neununddreißig Jahre – schon alles erreicht hatte, was ein normaler Mann erreichen konnte: Eine eigene kleine Firma mit drei Angestellten, ein eigenes Haus, ein Mietshaus mit mehreren Wohnungen, drei Autos, obwohl er immer bloß mit einem fahren konnte, einen großen Bekanntenkreis, teure Freizeitbeschäftigungen – er war passionierter Jäger und im Schützenverein – und, für ihn besonders wichtig, ein ausgefülltes Liebesleben, worin David einen hohen Stellenwert besaß. Er war zwar nicht Martins Einziger, aber Martins Regelmäßiger. Alle anderen liefen eher nach Lust und Laune, wechselten öfter oder waren ohnehin von vornherein lediglich als einmalige Sache angelegt. Übrigens galt das auch für Martins weibliche Bekanntschaften. In den letzten Wochen, ja, es dürfte sich sogar um Monate handeln, fühlte er sich allerdings trotz dieser Abwechslung – oder möglicherweise gerade deshalb? – seelisch nicht richtig wohl. Ihm schien, als fehle etwas in seinem Leben und dabei handele es sich nicht nur um Beständigkeit auf diesem Feld. Ach! Was sollten jetzt diese Gedanken!? Er schob sie beiseite, wollte nichts von ihnen wissen, stieg aus der Dusche und legte sich ein Badetuch um die breiten Hüften. So schlurfte er in die Küche, wo er sich einen Kaffee kochte. Nackt, nur mit Badetuch, stand er am Fenster und schaute auf den ruhig dahinfließenden Rhein, während der Duft des Kaffees seine Nase umströmte.

      Nach einer Weile griff Martin sein Handy, das auf dem Küchentisch unter einer leeren Bäckertüte versteckt war. Er wollte nachschauen, wer ihm möglicherweise alles eine Nachricht geschrieben hatte an eines seiner Profile, die er bei zwei Portalen besaß: ein Portal für Männer für Männer, eines für Männer und Frauen. Die letzte Zeit fesselte ihn mehr das reine Männerportal, wohlwissend, dass sich dies schnell ändern konnte. Dort tauschte er sich allerdings seit einigen Wochen mit Dominik aus, den er bisher einmal kurz getroffen hatte, nur zum Reden, nicht für mehr. Martin hatte ihn sympathisch gefunden, er war ruhig, intelligent und hatte Humor, wenn auch einen eher schwarzen. Seitdem bemühte Martin sich um ein weiteres Treffen, denn Dominik gefiel ihm nicht bloß auf charakterlicher Ebene: Er war zwölf Jahre jünger, kleiner, leichter, zarter als Martin und hatte außerdem etwas Geheimnisvolles oder tat wenigstens, als hätte er so etwas, nicht wie die vielen anderen, die ihm wie offene Bücher begegneten, nein, bei Dominik – das spürte er – gab es noch viele Seiten, die er umblättern müsste und worauf er jeweils etwas für ihn Neues lesen könnte. Der Altersunterschied störte ihn überhaupt nicht, der störte ihn eigentlich nie, solange er der Ältere war. Heute Abend hätte er eigentlich Lust und Zeit, Dominik zu sehen, wanderte es ihm durch den Kopf und irgendwie durch den Bauch, was ihm stets als ein Zeichen dafür galt, dass es sich nicht um eines seiner Abenteuer handelte, sondern vielleicht mehr draus würde. Er hasste es hingegen, derjenige zu sein, der fragte. Er bevorzugte es, gefragt zu werden. Dominik fragte jedoch nie. Eigenartig. Er meldete sich jeden Tag, teils sogar mehrmals, aber er fragte nie. Sicherlich verbietet ihm das seine Zurückhaltung, mutmaßte Martin. Folglich blieb es an ihm, den Schritt zu tun. Und wenn er nein sagen würde? Noch schlimmer als fragen war es