Kim Scheider

"Brender ermittelt"


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Raum in den anderen. Wie konnte man in so einer Situation an Geld denken? Aber was hatte er von jemandem wie Breckerfeld auch anderes erwartet?

      „Das ist mir egal“, rief er aufgebracht. „Es ist mir egal, wie du denen das klar machst, aber mach es und zwar schnell!“

      Breckerfeld räusperte sich vernehmlich, bevor er antwortete. Es klang, als würde er sich in einem Schwimmbad aufhalten. Frey hatte Mühe, ihn überhaupt zu verstehen, was ihn noch wütender machte. Konnte dieser arrogante Idiot bei so einem wichtigen Gespräch nicht wenigstens irgendwo hingehen, wo er auch Empfang hatte?

      „Christoffer, denk doch bitte mal nach. „Stille Wasser“ soll heute Abend laufen, das können wir nicht mehr absagen.“

      „Warum nicht? Die können doch ständig ihr Programm ändern und wenn es für die Katastrophen-Berichterstattung über zwei Zentimeter Schneefall ist, die den Blockbuster verdrängt.“ Frey redete sich in Rage.

      „Mann, Bernd, es geht hier um Menschenleben! Um echtes Drama! Und verdammt noch mal nicht um Geld!“

      „Für dich vielleicht nicht“, antwortete Breckerfeld kühl. „Obwohl ich da anderes gehört habe.“

      Noch während Frey empört nach Luft schnappte, fuhr Breckerfeld mit demonstrativ beleidigter Stimme fort. „Meinst du, mir ist das alles gleichgültig, was diesen Menschen da passiert ist, Christoffer? Meinst du das wirklich? Dass du mich nicht ausstehen kannst, war mir ja klar, aber dass du so über mich denkst, das enttäuscht mich doch sehr!

      Schade. Wirklich Schade!“

      Ja, Frey glaubte sogar zutiefst, dass es Breckerfeld egal war, dass es Tote gegeben hatte. Solange der Gewinn nur stimmte...

      Aber er hatte jetzt nicht das Nervenkostüm, sich mit Breckerfeld ernstlich zu streiten, also beschloss er, dass Gespräch abzuwürgen.

      „Sieh einfach zu, dass du es dem Sender begreiflich machst!“, sagte er genervt und legte auf.

      Herwig hatte leider vollkommen recht, die ganze Sache würde die Einschaltquoten in ungeahnte Höhen treiben. Nach dem Medienauflauf vor dem Haus am Tag zuvor, dürfte die Berichterstattung schon die obskursten Blüten treiben.

      Auf dem Weg zum Bad schaltete er den Fernseher ein. Sprachlos zappte er sich durch diverse Programme. Fast überall wurde über die Morde berichtet.

      Und zu 90 Prozent offenbar von einem Standort direkt vor seinem Haus!

      Eilig lief er an das Wohnzimmerfenster, das als einziges in seiner Wohnung zur Straße hinaus lag und zog zaghaft den Vorhang ein Stück zur Seite.

      Unglaublich!

      Die gesamte Meute von gestern hatte sich nun unten auf der Straße versammelt. Kaum dass Freys Vorhang sich bewegte, leuchteten dutzende Blitzlichter auf und illuminierten für Sekunden das Haus.

      Frey drehte sich weg und sah zurück auf den Fernseher.

      Es war interessant, wer da so alles in Ermangelung eines wirklich wichtigen Gesprächspartners interviewt wurde.

      Nachbarn der Mörder, die ja schon immer gesagt hatten, dass mit dem was nicht stimme. Wahlweise aber auch solche, die genau das Gegenteil von der selben Person behaupteten und den nun toten Menschen als so nett und zuvorkommend beschrieben.

      Verwandte der Opfer wurden tränenüberströmt in Großaufnahme gezeigt und sinnigerweise gefragt, wie es ihnen nun gehe.

      Der Pressesprecher eines der größten Brender-Fan-Clubs, der sich passenderweise auch noch im Lars-Brender-Look zurechtgemacht hatte, erläuterte dem begierigen Journalisten, was für eine Art von Leiche man nach der Ausstrahlung von „Stille Wasser sind tief“ zu erwarten habe.

      „Lars Brender gelingt es in dieser Folge einen jahrelang ungeklärten Fall zu lösen“, ereiferte sich der Mann mit stolzgeschwellter Brust, als spräche er von sich selber. „Eine vermisste Frau wird als Wasserleiche aufgefunden und Lars Brender ermittelt den Täter über die Schnur, mit der die Leiche gefesselt war.“

      Vermutlich würde heute Nacht bundesweit jedes Gewässer nach angeschwemmten Leichen abgesucht werden. Man konnte nur hoffen, dass die ausufernde Berichterstattung nicht noch Trittbrettfahrer auf den Plan rufen und noch mehr unschuldige Opfer fordern würde.

      Angewidert schaltete Frey um und blieb auf einem anderen Sender gleich wieder hängen. Dort trat gerade ein deutlich übernächtigter Hauptkommissar Herwig vor die Presse. Erstaunlich, dass immer noch Journalisten übrig waren, die sich nicht vor seiner Haustür stapelten. Im Hintergrund konnte Frey auch Grzyek und Müllenbeck erkennen, die ähnlich derangiert wie ihr Chef wirkten.

      Auch wenn sie dem Schauspieler ziemlich übel mitgespielt hatten, empfand er doch großes Mitleid mit der SoKo, die sicher noch keine Sekunde Ruhe gehabt hatte in den vergangenen Tagen. Letztlich hatten sie nur ihren Job gemacht.

      Kein Grund, ihnen böse zu sein.

      Das sah in Bezug auf Walter schon anders aus. Noch konnte Frey sich nicht wirklich entscheiden, ob er wütend, enttäuscht oder vielleicht auch einfach nur geschockt war über das, was sein Freund ihm da gebeichtet hatte.

      „Guten Morgen, die Damen und Herren von der Presse“, lenkte Herwigs Stimme seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm.

      „Ich möchte Ihnen nun einen groben Abriss unserer bisherigen Ermittlungsergebnisse geben. Ich bitte Sie, mich meine Ausführungen erst beenden zu lassen, bevor Sie Fragen zu unklar gebliebenen Punkten stellen. Soweit wir nicht aus ermittlungstechnischen Gründen gezwungen sind, die Informationen zurückzuhalten, versichere ich Ihnen, offen zu antworten.“

      „Was so viel heißt wie, im Grunde erfahren wir nichts“, murmelte einer der Reporter mürrisch.

      „Nun, vielleicht sehen Sie das anders, wenn Sie mir zunächst einmal die Chance geben, mich überhaupt zu äußern!“ Herwig klang zwar freundlich, aber die Worte des muskelbepackten Hünen hatten auf den Mann in etwa die gleiche Wirkung, wie ein scharfes „Platz“ auf einen geprügelten Hund.

      „Es entspricht den Tatsachen, dass wir es momentan mit einer Serie von Morden zu tun haben, die, wie von Ihnen und Ihren Kollegen in den letzten Stunden bereits ausführlich berichtet, in klarem Zusammenhang mit der Fernsehserie „Brender ermittelt“ stehen“, begann Herwig und ließ seinen Blick über die versammelte Menge schweifen. „Es gab bislang vier tote Frauen, deren Todesarten denen der Sendung nachempfunden wurden. Hinzu kommen Widmungen, die auf einen Hintermann, ebenfalls wie in der Serie, hinweisen. Dieser scheint die Ereignisse zu steuern und in einer uns noch unbekannten Weise Macht über die Täter zu haben. Alle vier Mörder wurden mittlerweile nach einem Suizid aufgefunden, alle vier hinterließen Bekennerschreiben zu einem der Morde. Todesursache war bei allen eine Vergiftung mit Schlaftabletten.“

      Einen Moment ließ der Kommissar seine Worte wirken und gab den Journalisten Zeit, sich Notizen zu machen. Doch bevor Unruhe aufkommen und ein vorwitziger Reporter die Gelegenheit ergreifen würde, eine Zwischenfrage zu stellen, fuhr er fort.

      „Wir verfolgen derzeit vor allem die Spuren, die uns auf die Fährte dieses Hintermannes bringen könnten. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen nichts genaueres zu diesen Indizien und Hinweisen sagen kann, das würde unsere Ermittlungen massiv gefährden.

      Sie können nun Ihre Fragen stellen.“

      Augenblicklich flogen dutzende Arme hoch und Herwig teilte die Reihenfolge zu.

      „Herr Hauptkommissar, ist es wahr, dass sie den Schauspieler Christoffer Frey als Tatverdächtigen verhaftet haben?“

      Man sah Herwig förmlich an, dass er sich diese Frage gerne erspart hätte. Gespannt stellte Frey den Ton lauter und wartete auf die Antwort.

      „Es ist richtig, dass wir Herrn Frey zwischenzeitlich zum Verhör mitgenommen haben, jedoch zeigte sich schnell, dass kein dringender Tatverdacht gegen ihn vorlag.“

      So hörte sich das also im Polizeijargon an, wenn man genötigt wurde, Horrorszenarien anzusehen und dann auch noch