Mick Rainer

Achtung, MÄNNERABEND!


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hole mein Smartphone heraus und öffne den Clip.

      „Hier, schau mal!“

      Schon ertönt es aus dem Lautsprecher meines mobilen Alleskönners: „Entschuldigen Sie, haben Sie Cevapcici. Tut mir leid, wenn ich glotze... schöne Königsberger Klopse... hey was geht... haben Sie Hacksteak... mach mir Chili con Carne... ich will ‘ne Hackfahne... in Blankenese... essen sie Bolognese... hör mal zu du Klappsparten... ich will jetzt ‘nen Hackbraten... oder Frikadelle... sonst kriegst du ‘ne Schelle... ich werd gleich zum Attentäter... und aus Hackepeter wird Tage später... alles wird aus Hack gemacht... Oh Baby, alles wird aus Hack gemacht...“

      Im Video sind zwei Typen frontal am Steuer eines Autos zu sehen, die voller Inbrunst ihren Hack-Song singen.

      „Guck dir die beiden Spastis an!“, sagt Andy lachend und ergänzt: „Hey Rene, der Linke hat die gleiche Frisur wie du früher, vorne kurz und hinten lang.“

      „Dafür sieht der Rechte mit seinem Milchbubi-Gesicht deinem damaligen Konterfei ziemlich ähnlich“, kontere ich.

      „Naja, gewöhnungsbedürftig sahen wir früher beide aus, allerdings jeder auf seine eigene Weise.“

      „Aber wir hatten damals mindestens genauso viel Spaß, wie die beiden Verstrahlten hier!“

      „Stimmt, liegt wahrscheinlich daran, dass man so vieles zum ersten Mal ausprobiert hatte und unser Freundeskreis ein ziemlich schräger Haufen war.“

      „Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir in der ersten Zeit an den Wochenenden mit dem himbeerroten Golf deiner Mutter unterwegs waren?“

      Andy schmunzelt bei dem Gedanken an unsere Spritztouren.

      „Ich erinnere mich, Rene! Auch an die schrägen Mixtapes bei unseren Partyausflügen, die waren echt legendär. Einige davon müsste ich noch in irgendeiner Schublade herumliegen haben. Leider ist mein alter Kassettenrecorder kaputt, um die Dinger abzuspielen.“

      „Das wäre echt witzig! Die Achtziger waren musikalisch der absolute Hammer! Das finde ich heute noch.“

      „Für mich das vielseitigste Jahrzehnt in Sachen Mode, Musik und Lifestyle!“ Ich teile Andys Ansicht zwar, schaue ihn aber etwas verwundert an, weil er damals, als wir uns kennenlernten, alles andere als eine Stilikone war.

      „Naja, dein Musikgeschmack war anfänglich genauso mies, wie die Klamottenkombis, die du getragen hast“, lästere ich.

      „Ich pflegte halt einen ganz eigenen Stil.“

      „Genau Andy!“ Ich schüttle schmunzelnd den Kopf.

      „Jaja“, grinst Andy und lümmelt sich lässig in einen Stapel Kissen auf seiner Couch. „Ist halt alles Geschmackssache, Rene!“

      Freitag, 19:31 Uhr: „So lass mal kurz abräumen, bevor die Vorberichterstattung zum Spiel beginnt“, sage ich mit einem Blick auf den vollgemüllten Tisch und einem zweiten auf die Uhr gerichtet.

      „Du hörst dich ja an, wie meine Mutter!“

      „Du musst hier ja nachher auch nicht pennen“, begründe ich meinen plötzlichen Anflug von hausfraulichem Pflichtbewusstsein. Andy schaut mich nur missmutig an.

      „Ich hab keinen Bock!“, weigert er sich und lässt sich demonstrativ noch tiefer in die Kissen sinken.

      „Los jetzt, du fauler Sack! Ich mach das nicht alleine. Außerdem habe ich kein Bedürfnis danach, morgen früh aufzuwachen und von den stinkenden Essensresten begrüßt zu werden. So, auf geht’s! Solange wir noch nüchtern sind!“ Schwerfällig erhebt sich Andy von seinem Platz und folgt meiner nachdrücklichen Bitte, ohne weitere Widerworte abzusondern. Er zeigt mit dieser großzügigen Geste, dass er doch ein liebenswerter Gastgeber sein kann.

      In guter, alter Tradition hat es sich über die Jahre eingebürgert, dass ich bei Andy auf dem Sofa übernachte, wenn wir einen unserer Männerabende bei ihm abhalten. Die Fahrerei nach Hause verlege ich lieber nach einem ordentlichen Frühstück auf den nächsten Tag. Außerdem wäre es etwas mühsam, aufgrund des vorangegangenen Alkoholkonsums mit öffentlichen Verkehrsmitteln nachts die Heimreise anzutreten. Andy wohnt noch immer in dem netten Vorort, wo er auch aufgewachsen ist. Sein Wohnort Wentorf liegt direkt an der südöstlichen Hamburger Stadtgrenze und ich muss nach Winterhude. Alleine das ewige Umsteigen macht die Fahrt nach Hause mit Bus und Bahn äußerst umständlich und ein Taxi ist auf dem Dorf mitten in der Nacht am Wochenende auch schwer zu bekommen. Also ist das Sofa für die Nacht die beste Alternative.

      Noch ein Wort zu meinem Kumpel Andy! Er ist schon ein eigenwilliger Charakter, aber stets ein loyaler Freund. Mittlerweile sind wir beide jenseits der Vierzig und wir kennen uns seit dem Teenageralter. Unsere aufrichtige Männerfreundschaft entwickelte sich während der gemeinsamen Zeit auf dem Wirtschaftsgymnasium. Zunächst konnten wir sehr wenig miteinander anfangen. Die Schnittmenge unserer Gemeinsamkeiten war sehr überschaubar und unsere Ansichten stimmten so gar nicht überein. Ich kam aus der Mittelschicht – beide Eltern arbeiteten, waren SPD-Stammwähler und wir lebten in einem modernen Reihenhaus. Andy stammte hingegen aus recht betuchten Verhältnissen, was man ihm heute im positiven Sinne aber überhaupt nicht anmerkt. Sein Vater war – schon wie der Großvater - zu seiner aktiven Zeit Direktor einer sehr erfolgreichen Hamburger Privatbank und hält noch heute einige Anteile an dem Unternehmen. Seine Mutter war eine herzensgute Frau, die sich als Oberklassenhausfrau - dank entsprechendem Personal – mehr um die gesellschaftliche Stellung der Familie als den eigentlichen Haushalt kümmerte, hingebungsvoll ihren Hobbys frönte und ihren einzigen Sprössling nur so mit Mutterliebe überhäufte, was Andy insbesondere als Heranwachsenden wenig behagte.

      Freitag, 19:47 Uhr: Trotz Andys kurzzeitiger Intervention befreien wir den Wohnzimmertisch rasch von den Überresten unseres üppigen Abendessens. Anschließend setzen wir uns wieder auf seine gemütliche Eckcouch. Jeder nimmt seinen angestammten Platz ein und wir prosten uns mit einem frischgezapften Bier in der Hand zu. Wir trinken einen kräftigen Zug unseres herrlich kühlen Gerstensaftes.

      „Du Andy, ich glaube, das wird mein letztes Bier für heute.“

      „Was schwebt dir denn als Alternative vor?“

      „Ich steige nachher auf Cuba Libre um!“

      „Gute Idee! Meine Geschmacksknospen sehnen sich auch nach einem frischen Impuls.“ Es ist unstrittig, dass ein schöner Rum mit Cola, einem kleinen Schuss Lemon Squash, einer Viertel Limette und vielen Eiswürfeln wesentlich aufregender schmeckt als einfaches Bier.

      „Was gibt dein Sortiment denn heute so her. Hast du irgendeinen neuen Knaller dabei?“

      „Hey Rene, ich glaube schon! Obwohl es immer schwieriger wird, dich mit seltenen Schätzen aus der spirituellen Welt des Hochprozentigen zu überraschen.“

      „Na mein Lieber, stell dein Licht mal nicht unter den Scheffel!“

      „Vielleicht habe ich da diesmal wirklich ein schönes Schlückchen für uns. Kennst du den Blue Mauritius?“

      „Nein, von dem habe ich noch nie etwas gehört.“

      „Der wird dir richtig gut gefallen.“

      „Da bin ich aber neugierig. Andy, zeigst du mir mal die Flasche, bitte!“

      Andy holt den edlen Tropfen aus der Barabteilung seiner 30 Jahre alten, aus feinstem Kirschholz gearbeiteten, Schrankwand. Er gibt ihn mir und ich ziehe den Korkverschluss aus der Flasche. Fruchtige Noten von tropischen Früchten und Schokolade steigen mir in die Nase.

      „Wahnsinns-Bouquet, schöne Aromen!“, sage ich begeistert.

      Andy lächelt und meint: „Der schmeckt auch so vollmundig, wie er riecht, da können wir uns nachher wirklich auf ein feines Tröpfchen freuen.“

      Die Begeisterung für hochwertigen Rum begann bei uns vor mehr als 15 Jahren nach einer gemeinsamen Reise in die Karibik. Seit dieser Zeit haben wir eine Menge unterschiedlicher Rumsorten verkostet und können mit Fug und Recht behaupten, dass wir