Karl Zbigniew Grund

Wie das Leben so spielt


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würde ich keinen von ihnen umbringen. Bin ja kein Killer. Im Gegenteil - wollte mal Sozialarbeiter werden. Ich wünsche ihnen ein langes Leben. Allerdings würde ich schon gerne die Lebensqualität des Hauptverantwortlichen gravierend verändern. Hierfür bräuchte ich ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr. Dann mit Spezialmunition zum Krüppel schießen. Im Rollstuhl dürfte er sich dann auch Gedanken machen, wie er mit der veränderten Situation fertig wird. Solche Gedankenspiele bringen mich meistens etwas besser drauf. Am besten gefällt mir die Vorstellung, wie der Mann nur noch mit einer Schnabeltasse seine Nahrung zu sich nehmen müsste.

      Ich weiß nicht, wie lange diese Isolation noch andauern wird und so versuche ich mit Meditation und Selbsthypnose, ein wenig aus der üblen Realität zu entfliehen. Auch habe ich mir einen runden Kreis an die Wand gemalt mit immer engeren Linien und Kreisen. Zuletzt ist nur noch ein schwarzer Punkt zu sehen. Wie das schwarze Loch, wo Raum und Zeit aufhören zu existieren. Im Schneidersitz sitze ich dann lange Zeit davor und versuche die Gedanken weitgehend auszuschalten. Nur der Punkt ist wichtig. In dieses kleine schwarze Loch möchte ich hinein fliegen. Störende Gedanken lasse ich vorbei fließen. Nichts ist wichtig – nur der Punkt. Heute ist mir die Übung nach einigen Wochen endlich einigermaßen gelungen. Wenn man lange genug in ein schwarzes Loch oder einen Abgrund blickt, dann blickt der Abgrund zurück.

      Der Punkt wurde kleiner und wieder größer. Es ist einfach irre. So sah ich plötzlich nur noch schwarz. War einfach weg. Alles war gut. Ich war in Sicherheit und fühlte eine innere Zufriedenheit. Fühlte Schweiß auf meiner Stirn, aber auch Glück und Wärme. Nichts konnte mich mehr aus der Ruhe bringen. Endlich nach langer Zeit fühlte ich mich wieder glücklich und unangreifbar.

      Irgendwann löste ich mich wieder aus der angenehmen Dunkelheit und öffnete meine Augen. Mehrere Stunden waren vergangen. Noch etwas erstaunt und benebelt wusste ich plötzlich, dass mich hier nichts brechen würde. Ich hatte meinen Fluchtpunkt gefunden und konnte mich jederzeit in meine neue Welt und Wirklichkeit einfach weg denken.

      Ebenso habe ich meine Yoga-Übungen, meine Asanas, immer weiter perfektioniert. Kann inzwischen auch locker eine Stunde auf dem Kopf stehen. Oder in der Totenstellung einen Toten spielen. Manchmal tanze ich auch in meiner engen Zelle. Drehe mich im Kreis und nutze jede freie Fläche. Auch kann ich mich immer länger in meinen schwarzen Punkt hinein denken. Die Zeit spielt keine Rolle mehr. Eines Tages wird sich die Tür endgültig öffnen und ich werde einfach und gelassen hinaus spazieren. Als ob nichts gewesen wäre.

       Betrug

      

       fühle mich betrogen

      

       ungefragt aus dem Nichts

      

       ins Leben geworfen

      

       nach dem Zufallsprinzip

      

       im Spiel der Elemente

      

       sind wir

      

       ich und du

      

       eine Laune der Natur

      

       es darf geträumt werden

      

       Freiheit, Glück

      

       und Liebe

      

       die perfekte Illusion

      

       einen Augenblick

      

       ein Leben träumen

      Das therapeutische Gespräch

      Ich betrete den Raum mit raschen und elastischen Schritten. In ungezwungener Haltung. Im Raum befinden sich ein Tisch und zwei Stühle. Ein dezent bräunlicher Vorhang bedeckt das einzige Fenster, lässt aber graues Licht herein. Die gelbgrauen Wände sind nackt. Kein Bild reizt oder verletzt hier die Augen. Hier richtet man den Blick auf die Schattenseiten der Seele.

      Diese reizreduzierte Umgebung beflügelt tatsächlich die Gedanken und die Phantasie. Nebenbei aber auch die Halluzinationen.

      Auf einem Stuhl sitzt meine neue Therapeutin und Fachfrau für geistige Defekte. Sie wird gleich einen letzten Blick in die Akten werfen und dann wird sie mir den Platz zuweisen. Ich werde mir den Platz auch zuweisen lassen. Das ist wichtig. Sie macht einen energischen und selbstbewussten Eindruck. Die etwas nach unten gezogenen Mundwinkel verraten eine ernste Lebensauffassung. Wahrscheinlich hat sie auch viel gelernt, war immer fleißig und verbissen, hat sich ihr Wissen und ihre gesellschaftliche Stellung erkämpft. Es ist ihr nicht zugeflogen.

      Ich glaube, langweilig wird es nicht.

      Die Kleidung habe ich einfach und unauffällig gewählt. Meine Haare sind geordnet und gepflegt. Ich werde mich als freundlich, höflich und zugänglich erweisen, werde mich situationsgemäß benehmen. Meine Ausdrucksbewegungen, Mimik und Gestik, werden keineswegs unnatürlich ausfallen. Die Stimme habe ich auf mittellaut geschaltet und ich werde mich um eine fließende Sprechweise bemühen. Meine Stimmungslage ist ausgeglichen, das Bewusstsein jederzeit klar, Orientierung unbeeinträchtigt, Gedankenablauf klar und geordnet. Selbstverständlich bin ich auch jederzeit bereit, problemzentriert mit zu arbeiten. Die Frage nach der Motivation darf gar nicht erst gestellt werden.

      So einfach wird sie mir nicht davon kommen. Ich möchte sehen, wie sie langsam die Beherrschung verliert. Die Letzte hat sich eigentlich recht lange gehalten.

      Auf der emotionalen Ebene wurde sie dann aber doch sehr unbeherrscht. Sie verlor zu schnell die Fassung und ließ sich sogar zu unkontrollierten Wutausbrüchen verleiten. Zuerst noch unter vier Augen. Später dann leider auch öffentlich bei der Visite. Da war sie auch nicht mehr zu retten.

      Entgleisungen in Anwesenheit der Kollegen und Vorgesetzten sind nicht förderlich für die Karriere. Zuletzt tat sie mir sogar richtig leid. Ich hätte sie gerne getröstet, aber dafür war sie auch nicht mehr empfänglich.

      Immerhin hat sie es zwischendurch geschafft, sogar mich ernsthaft zu verärgern. Sie war sich auch nicht zu schade, linke und unsaubere Mittel einzusetzen. Zum Schluss versprühte sie blanken Hass. Beim letzten Gespräch bekam sie richtig Farbe im Gesicht, schrie mich an, nachdem ich sie ruhig darum bitten musste, sich doch einer kultivierten Sprache zun befleißigen. Auch machte ich sie darauf aufmerksam, dass die Frustrationstoleranzgrenze bei einer Therapeutin ungleich höher liegen sollte als beim Patienten. Sie hat es nicht mal geschafft, ihr Gesicht zu wahren.

      Ach ja, das ist Schnee von gestern.

      Die Neue könnte aber eine harte Nuss werden. Ich täusche mich da selten. Ich warte, bis sie kurz zu mir aufblickt und mir den Platz zuweist.

      „Bitte setzen sie sich doch“. „Danke, sehr aufmerksam“, sage ich betont höflich und setze mich langsam auf den Stuhl ihr gegenüber. Es liegt an ihr, das Gespräch zu eröffnen. Sie stellt sich kurz vor, erklärt sich für zuständig und stellt mir dann die erste persönliche Frage.

      „Nun, wie fühlen sie sich jetzt?“

      Sie