Verena K. Bauer

Linus P. und ein Aufsatz mit Folgen


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die zu sehen war. Sie setzten sich in die Gondel und los ging die Fahrt über Berge und Häuser und in einen Tunnel hinein. Immer schneller wurden sie und schließlich sahen sie die farbigen Lichter am Rand nur noch als weißen Strich – bis sie auf einmal ruckartig anhielten. Vor ihnen befand sich eine kleine Metalltüre. Helmina und Linus stiegen mit zitternden Knien aus und öffneten die Türe. Geblendet schlossen sie die Augen und als sie sie wieder öffneten, standen sie mitten auf dem Gehsteig vor der Bäckerei Mumpfrich. Frau Mumpfrich kehrte gerade den Platz vor ihrem Laden und wischte sich erstaunt die Augen.

      „Woher kommt ihr Kinder denn so plötzlich?“ wunderte sie sich. „Mir ist höllenübel!“ jammerte Linus und Helmina nickte nur. Dann schlichen sie nach Hause, wo sie mit Vorwürfen überhäuft wurden, weil sie erst jetzt nach Hause kamen. Denn mittlerweile war drei Uhr nachmittags und die Eltern hatten sich grosse Sorgen gemacht. Aber die beiden Abenteurer sagten überhaupt nichts, sondern rannten als erstes ins Bad, wo sie sich übergeben mussten. Zehn Minuten später lagen sie drei Straßen voneinander entfernt in ihren Betten und wunderten sich, weil erst drei Stunden vergangen waren. Dabei war es auf dem seltsamen Rummelplatz schon dunkel gewesen... Die Mütter hingegen wunderten sich einerseits darüber, wo die Kinder wohl gewesen sein mochten und andererseits, wie sie solche Magenverstimmung aufgelesen hatten. Helmina Flohpuschel und Linus Pfortendödel aber träumten von schwindelerregenden Achterbahnen und einem riesigen Löwen, dem sie das Ganze zu verdanken hatten. Am anderen Tag fehlten sie in der Schule, weil ihnen von den vielen Süßigkeiten immer noch schlecht war. Aber am Freitag wurden beide von ihren Eltern zum Unterricht geschickt. Linus streckte seiner Mutter frühmorgens das Aufsatzheft zum Unterschreiben hin. Sie war erfahrungsgemäß nachsichtiger als der Vater. Doch auch Mutter Pfortendödel fand allmählich, dass ihr Sohn sich ruhig ein wenig hätte anstrengen können... Als endlich die Unterschrift unter dem verhauenen Aufsatz leuchtete, sprang Linus auf und beeilte sich, aus dem Haus zu kommen, bevor möglicherweise doch noch ein Donnerwetter losging.

      Schwimm-Kurs

      An der Ampel wartete Helmina. Das traf sich gut, denn Linus hatte mit ihr etwas zu besprechen. „Hallo, Helmina.“ begrüsste er sie. „Tag, Linus.“ sagte sie. Die Ampel sprang auf Grün und sie gingen los. Dabei schlug Linus vor: „Sag mal, wie wär's, wenn wir einfach nicht hingehen würden? Wir könnten uns eine Menge Ärger ersparen.“„Zur Schule? Warum nicht? Allerdings könnten wir uns auch ein kleines bisschen Ärger einhandeln.“ fand Helmina. „Hmm.“ gab Linus zu. Aber Helmina fuhr fort: „Wenn man's genau betrachtet, steht auf der einen Seite viel Ärger und auf der anderen Seite viel Ärger und viel Spaß. Na also, wohin soll's denn gehen?“Linus zuckte mit den Achseln. „Am besten gehen wir in den Park, vielleicht ist der Löwe wieder da. Was machen wir mit den Schultaschen?“„Die werfen wir da in den Abfall.“„Gut“, stimmte Linus zu und sie machten sich auf den Weg. Leider war jedoch der Löwe nicht zu finden, obschon sie ihn in der ganzen Stadt suchten.

      Linus hatte schon Angst, sie müssten doch noch zur Schule gehen, da rief Helmina plötzlich um Hilfe. Schnell wandte er sich um und sah gerade noch, wie sie in einem offenen Kanaleinstieg verschwand. Ohne nachzudenken sprang er ihr nach und fand sich auf einer Rutschbahn wieder, die ganz ähnlich war, wie der Ausgang beim Löwen. In einem Affentempo sausten sie in die Tiefe und Linus hatte bereits ziemlichen Ohrendruck vom Höhenunterschied. Doch da machte es „Platsch!“ und sie schwammen in lauwarmem Wasser. Erst zappelten sie wie verrückt, weil sie dachten, sie müssten ertrinken. Schließlich merkten sie, dass sie normal atmen konnten, wenngleich sie auch mit den Köpfen unter Wasser waren. Helmina versuchte zu reden und auch das klappte problemlos.

      „Wo sind wir hier?“ fragte sie erschrocken und Linus antwortete: „Das würde ich auch gerne wissen. Da vorne ist es hell, komm wir schwimmen hin.“„Aber ich kann gar nicht schwimmen, Linus!“ rief Helmina ängstlich. „Das macht nichts. Schließlich schwimmt der Mensch ja, damit er nicht ertrinkt. Anscheinend ertrinken wir hier aber gar nicht, also kannst du auch auf dem Boden gehen, wenn du nicht schwimmen kannst.“Erstaunt sah ihn seine Freundin an und sagte: „Du hast recht. Ich verstehe gar nicht, wieso der Dämpfel sagt, du seist zu blöd, um dir den...“„Schon gut, ich weiß, was du meinst!“ unterbrach Linus und drängte weiter. Während Helmina auf dem glitschigen Boden dauernd stolperte, schwamm Linus unbeschwert voraus. Es wurde immer heller und sie merkten, dass sie sich in einem Felsen voller verzweigter Gänge befanden. Je näher sie ans Licht kamen, desto mehr Algen wuchsen an den Wänden. Plötzlich tauchte vor ihnen ein riesiger Schatten auf, um gleich wieder zu verschwinden. Zu Tode erschrocken pressten sie sich an die Röhrenwände und wagten lange nicht, den Kopf wieder zu heben. Aber schließlich wurde es ihnen doch zu bunt und sie machten sich wieder langsam auf den Weg. Bald darauf erreichten sie das Ende des Felsenganges. Im selben Augenblick kam irgendetwas Gigantisches, Schwarzes auf sie zu und schob sich genau vor den Ausgang. Ängstlich ließen sie sich auf den Boden sinken und warteten ab, was nun geschehen würde. Bewegung kam ins Wasser und sie spürten kleine Strudel an sich vorbeiziehen. „Was kann das sein?“ fragte Linus besorgt. „Keine Ahnung. Vielleicht ein riesiger Fisch. Aber doch nicht in unserer Kanalisation.“ überlegte Helmina. „Kann ich mir auch nicht vorstellen. Andererseits waren wir auch in dem Löwen und dann auf einmal nicht mehr.“ sagte Linus nachdenklich. „Stimmt. Möglicherweise befinden wir uns überhaupt nicht mehr in der Kanalisation. Oh, sie doch, es verschwindet wieder. Nun aber nichts wie raus, bevor wieder etwas kommt.“

      Auffordernd zog sie Linus am Ärmel und drängte hinaus. Gleich darauf befanden sie sich im freien Fall. Jedenfalls Helmina erging es so. Linus konnte schwimmen und sich abbremsen. Aber als er sah, dass seine Freundin wie ein Sandsack zu Boden sank, tauchte er ihr schnellstens nach und hielt sie am Jackenkragen fest. So raste sie wenigstens nicht allzu schnell in den Untergang. Trotzdem landete sie ziemlich unsanft auf den großen Kieselsteinen, die den ganzen Grund bedeckten. Das machte ihr aber nicht viel aus, denn gleichzeitig erkannte sie, wo sie sich befanden. „Wir sind in einem Aquarium!“ schrie sie. Tatsächlich schwammen Fische in allen Farben um sie herum. Sie waren riesig und Linus flüsterte andächtig: „Wir müssen geschrumpft sein. Sieh dir diesen Neonfisch an, die die werden doch höchstens drei, vier Zentimeter gross. Aber der da ist mindestens so lang wie wir...“ So war es. Linus und Helmina waren winzig klein geworden. Und sie waren in Gefahr, denn die meisten Fische waren mindestens doppelt so gross wie sie... Unter einer buschigen Wasserpflanze, welche einigen Welsen als Versteck diente, krochen sie näher an die Glasscheibe heran. Das war ein sehr anstrengender Weg, denn die Steine am Boden waren sehr glitschig und ab und zu blieben den beiden Schulschwänzern die Schuhe im aufgeweichten Untergrund stecken. Dennoch schafften sie es irgendwann und nun spähten sie im Schutz einer Wurzel angestrengt aus dem Aquarium hinaus.

      „Uiiih!“ rutschte es Linus heraus. „Wir sind in der Zoohandlung oben beim Bahnhof. Dort ist der alte Herr Ringtrampel, dem gehört der Laden.“ „Weißt du sonst noch etwas über dieses Aquarium, außer dass es beim Ringtrampel steht?“ erkundigte sich Helmina. „Hmm. Mal sehen. Ja natürlich! Der Alte ist sehr stolz auf so einen Buntbarsch, der soll uralt sein. Er ist fast dreißig Zentimeter lang!“ Ungläubig starrte ihn Helmina an. „Sag das noch einmal! Dreißig Zentimeter? Falls das keine Prahlerei ist, ist dieser Fisch im Moment fast zehn Mal so gross wie wir!“ „Oh, oh!“ Mehr konnte Linus im Augenblick nicht sagen. Aber das war auch gar nicht nötig, sie wusste beide, dass sie aufpassen mussten, wenn nicht im Magen des Riesenfisches landen wollten. Das war denn nun doch etwas anderes, als im Magen eines Löwen herumzuspazieren; zumal das ja freiwillig gewesen war. Doch nun verspürten sie keine große Lust, Lebendfutter zu werden. Vorsichtig sahen sie sich um. „Wir müssen hier raus, diese komischen Welse gucken uns so seltsam an.“ meinte Helmina ängstlich.

      Also schlichen sie wieder unter dem Busch zurück und gingen tapfer auf den großen Steinbrocken zu, aus dem sie gekommen waren. Doch da sahen sie einen großen Schatten auf sich zukommen! Sie starrten erschrocken nach oben und entdeckten ein wahres Monster von einem Fisch. Es war der alte Buntbarsch, von dem Linus gesprochen hatte und auf den der alte Ringtrampel so stolz war. Trotz seines Alters schwamm der Kerl in einem Affentempo und sie konnten sich buchstäblich in letzter Sekunde unter eine Wurzel retten. Zitternd drückten sie sich in die hinterste Ecke und verscheuchten mit ihrem Gezappel zwei Welse, die über die Störung