Gabriele Beyerlein

Der schwarze Mond


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      Gabriele Beyerlein

      Der schwarze Mond

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       12

       13

       14

       15

       16

       17

       18

       19

       20

       21

       EDITION GEGENWIND

       Impressum neobooks

      1

      Zugegeben, ein Freibad gleich gegenüber hatten wir daheim nicht. Daheim mussten meine Eltern mich mit dem Auto fahren, wenn ich ins Schwimmbad wollte, oder die Eltern von Alex oder von Peter, meinen Freunden. Hier brauche ich bloß über die Straße zu gehen, und schon bin ich in einem Freibad mit Riesenrutsche und Zehnmetersprungturm und einer Glaswand, durch die man die Schwimmer im Becken sieht wie Fische in einem Aquarium.

      Vom Zehnmeter zu springen, trau ich mich sowieso nicht, die Riesenrutsche ist wegen Reparatur gesperrt, und das mit dem Autofahren war gar nicht so schlimm, wir haben immer jemanden gefunden, der uns gefahren hat, Alex, Peter und mich.

      Ohne die beiden ist es langweilig im Wasser, so allein. Na ja, allein auch wieder nicht, jede Menge Kinder kreischen um mich herum, tauchen sich gegenseitig unter Wasser, balancieren auf dem Absperrseil und kennen sich alle. Nur ich kenne sie nicht.

      Den Jungen dort drüben, den mit den kurzen blonden Haaren und der Narbe an der Backe, habe ich schon ein paarmal gesehen. Der muss irgendwo in der Nähe wohnen. In unserer Reihenhaussiedlung nicht, da wohnen nur alte Leute oder Familien mit ganz kleinen Kindern. Mama hat sich gefreut, als sie die kleinen Kinder gesehen hat. „Da haben Anne und Marie immer jemanden zum Spielen!“, hat sie gesagt. Mal wieder typisch. An die Freunde von Anne und Marie denkt sie, obwohl die beiden gar keine brauchen, weil sie eh nichts anderes tun als schlafen oder brüllen, aber an meine Freunde denkt sie nicht.

      „In deinem Alter, Jens, ist es doch kein Problem, neue Freunde zu finden!“, hat Papa behauptet, als er mir eröffnet hat, dass wir wegziehen müssen, weil er eine Stelle in einer anderen Stadt angenommen hat.

      „Ich will aber keine neuen Freunde, ich will Peter und Alex!“, habe ich gesagt. „Und außerdem ziehe ich nicht mit.“

      Ich bin doch mitgezogen. Was hätte ich sonst tun sollen, kann mir das mal einer sagen?

      Neue Freunde habe ich nicht gefunden, obwohl ich schon zehn Tage hier bin und die Ferien nächste Woche vorbei sind. Das ist der Gipfel von allem: Vier Wochen Ferien sind mir geklaut worden, weil wir von Bayern nach Hessen gezogen sind und hier die Ferien viel früher anfangen als bei uns. Während Peter und Alex im Ferienlager in den Alpen sind, darf ich schon wieder in die Schule!

      Der Junge mit der Narbe geht aus dem Wasser. Drei andere Jungen hinter ihm her. Ich glaube, sie sind älter als ich.

      Ich versuche noch mal eine Bahn zu schwimmen, aber ein paar große Kerle paddeln mir im Weg rum und da habe ich keine Lust mehr.

      Mit Peter und Alex habe ich manchmal gespielt, wir wären Spione in geheimer Mission und müssten Leute beschatten, ohne dass die es merken.

      Ich bin allein im Feindesland eingesetzt, ganz auf mich gestellt. Mein Auftrag ist es, eine bestimmte Person mit kurzen blonden Haaren und einer Narbe an der Backe ausfindig zu machen, einen unverfänglichen Kontakt mit ihr zu knüpfen und ihre Identität festzustellen.

      Ich verlasse das Schwimmbecken und schlendere unauffällig über die Liegewiese. Die Person ist nicht zu sehen. Ich prüfe den Kiosk vor der Glaswand, den Gang vor den Umkleidekabinen, die Ballwiese und die Tischtennisplatten. Die Person ist wie vom Erdboden verschluckt. Sehr verdächtig. Ich gehe den Weg an den Rosenhecken entlang und lass mir nicht anmerken, dass ich jemanden suche. Da entdecke ich die Person. Sie hat sich im hintersten Winkel des Freibades zwischen Rosenhecke und Stützmauer mit drei anderen Personen zu einem geheimen Treffen zurückgezogen. Die vier sitzen dicht beieinander und reden, und die Person fasst sich an die Wange und knetet ihre Narbe zwischen Zeige- und Mittelfinger. Dann zeigt sie den anderen einen Gegenstand. Mehr als verdächtig.

      Nun weiß ich, dass mein Auftrag viel gefährlicher ist, als ich dachte. Ich bin einer heißen Sache auf der Spur.

      Durch die Rosenhecke verdeckt, nähere ich mich gebückt. Als ich auf gleicher Höhe bin, lasse ich mich am Wegrand nieder und tu so, als würde ich die kleinen Kinder im Planschbecken beobachten. Leider quietschen sie so laut, dass ich nicht jedes Wort verstehen kann, das hinter der Hecke gesprochen wird. Die Fetzen, die ich höre, sind sensationell: „Wahrscheinlich in der Burg gefangen – aber der Bannwald – erst mal müssen wir diesen Jungen finden – wenn wir die schwarzen Krieger in einen Hinterhalt locken und mit ihnen kämpfen ...“

      Ich bin dabei, eine höchst gefährliche Verschwörung aufzudecken. Es braucht einen Spion meines Kalibers, um dieser Situation gewachsen zu sein.

      Damit ich besser hören kann, rutsche ich näher an die Rosenhecke heran. „Au!“ Ich habe mich in die Dornen gesetzt. Und leider so laut geschrien, dass die Verschwörer es gehört haben und allesamt über die Hecke glotzen. Für heute kann ich meine geheime Mission vergessen. Ich humple zu den Umkleidekabinen und ziehe mir die Dornen aus dem Hintern. Daheim wäre mir so was nie passiert.