Marina Feil

Kreisläufe des Lebens


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Sie ist eine gute Hundemutter und stetig um ihre Jungen bemüht. Als die Welpen für die Geburtskiste zu groß geworden sind und beginnen, ihr Umfeld zu entdecken, wird sie besonders wachsam, und bleibt, wo immer sie kann, in der Nähe der Hundekinder. Da Ondra selbst noch sehr jung ist, tollt und spielt sie mit den vier Geschwistern so oft wie möglich herum. Hierbei erhalten die Jungen ihre ersten Lektionen, wie sich ein Hund zu benehmen hat.

      Es kommt leider auch bald die Zeit, in der die Tiere alt genug sind, um getrennt zu werden. So gehen Pfeffers drei Schwestern und auch die Mutter weg vom Uhlenhof. Es heißt, sie würden in gute Hände abgegeben. Was Pfeffer nicht wissen kann ist, dass sein Frauchen Christin, die Herrin vom Uhlenhof, keine Freude mehr an der Foxterrier-Zucht hat und sie deshalb auflöst, obwohl bereits viele Generationen dieser Tiere auf dem Uhlenhof im Eichengrund geboren wurden und gelebt haben, weshalb alle Hunde in ihren Papieren diesen Namen tragen und so auch beim Zuchtverband eingetragen sind. Wie erfolgreich die Zucht war, zeigen auch die vielen Pokale, die überall im Haus verteilt stehen, die Christin Gruhn auf Unmengen von Ausstellungen für ihre edlen Hunde erhalten hat.

      Pfeffer bleibt allein auf dem Uhlenhof zurück, worüber er glücklich ist, obwohl ihm Mutter und Schwestern zunächst sehr fehlen. Doch da gibt es ja noch sein geliebtes junges Herrchen, dem Pfeffer verdankt, dass er bleiben darf. Matthias ist ganz verrückt nach dem kleinen Hund, nicht zuletzt deshalb, weil er der einzige Rüde in diesem Wurf war. Außerdem kann Pfeffi, wie ihn sein Herrchen liebevoll nennt, nicht wissen, dass Christin und Tristan Gruhn ihrem Sohn aus gutem Grund keinen Wunsch abschlagen.

      Matthi ist ein etwas dicklicher Junge mit rundem Gesicht, braunen freundlichen Augen und blonden wild gelockten Haaren. Matthi ist Pfeffis bester Freund. Die beiden sind fast immer zusammen zu finden. Bereits morgens schallt die Kinderstimme hell durch das gesamte Haus: „Pfeffer! -------------Pfeffiiiiiiiii! ---------Wo steckst du??--------?“Pfeffer springt dann aus seinem Korb und rennt so schnell er kann zu Matthias. Dabei gerät er meist auf dem glatten Terrakottaboden ins Rutschen Die Beine scheinen sich bei seinem Spurt zu verheddern, und man kann hören, wie die Krallen ihren Halt suchen. Dass Pfeffis Korb im großen Flur des Hauses steht, ist für ihn normal. Hier stand die Wurfkiste, in der er geboren wurde, hier hatten all die anderen Hunde ihren Platz, und nun hat er hier seine Ecke.

      Er versteht auch nicht die Bedeutung der Worte von Christin: “Der Hund muss im Flur schlafen. Tiere übertragen immer irgendwelche Keime, die von Matthi unbedingt fern gehalten werden müssen.“ Diese zwei Sätze wiederholt die Mutter meist mehrfach täglich. Dabei macht sie stets ein sorgenvolles Gesicht, und sie wirkt dann wie versteinert, als würde sie mit ihren Gedanken in eine völlig andere Welt eintauchen. Geht Matthi schlafen, darf Pfeffi nicht mit in das Zimmer des Jungen. Er schaut zwar täglich erwartungsvoll zu Christin hinauf, ob vielleicht doch eine Ausnahme zu erwarten ist, erhält aber jedes Mal den barschen Befehl: „Du bleibst hier!“ Christins Blick richtet sich dann scharf und bedeutungsvoll auf den Hund und ihr Zeigefinger weist spitz auf den Hundeplatz. Pfeffer gehorcht, geht wie befohlen in seinen Korb und setzt sich hinein, um von hier noch eine Weile das abendliche Geschehen im Haus zu beobachten bis die nächtliche Ruhe eintritt. Er legt sich dann brav nieder und lauscht den Geräuschen der Nacht. Er hört die Schreie der Eulen, die dem Hof seinen Namen gegeben haben. Hierunter mischt sich oft ein langgezogenes `Kiiiewitttt`. Diesen Ruf benutzt ein Kauz, der neben anderen Eulenvögeln im nahen Eichengrund sein Zuhause hat. Wegen der Ähnlichkeit mit den Worten `Komm mit` und dem Aberglauben vieler Menschen wird das harmlose Käuzchen zum Begleiter des Todes herabgewürdigt. Man sagt diesen Tieren nach, dass ein Mensch stirbt, wenn der Ruf erschallt. Hiervon weiß Pfeffi aber nichts.

      Vielmehr beängstigt ihn ganz etwas anderes. Es passiert immer häufiger, dass das Leben im Haus nicht nur tagsüber sondern auch nachts in eine unerwartete Hektik aufschreckt. Pfeffis Menschen laufen dann durcheinander, und das Stimmengewirr lässt auf nichts Gutes schließen.

      Und dann kommt der große fremde Mann, der so komisch riecht, und der Pfeffi nicht einmal dann beachtet, wenn dieser versucht, an ihm zu schnuppern. Dieser Mann hat immer eine schwarze lederne Tasche dabei. Um den Hals hängt ihm so ein blinkendes Ding, welches die Menschen Stethoskop nennen. Der Mann wird der Doktor genannt. Er betritt mit Eile das Haus und verschwindet mit der gleichen Eile in Matthis Zimmer. Matthias wird dann immer von schweren Hustenanfällen geschüttelt, und der Doktor greift nach seinem Stethoskop, um die Lunge des Jungen abzuhören.

      Der Doktor achtet dabei aber auch auf den Herzschlag, indem er den Puls über dem Handgelenk fühlt. Pfeffi kann spüren, dass alle anwesenden Menschen voll der größten Sorge um Matthias sind. Christin wischt sich dann immer fast unmerklich für alle anderen Tränen aus den Augen. Sie liebt ihr Kind über alles und hat dabei die schrecklichsten Vorahnungen….

      Wegen der Erkrankung kann Matthias nicht mit den anderen gesunden Kindern zusammen zur Schule gehen. Er erhält deshalb Hausunterricht. Hierfür kommt fast täglich das bereits etwas ältliche Fräulein Clarissa Rose zu den Gruhns, die mit Matthi den Stoff des dritten Schuljahres durchnimmt. Manchmal kommt an Stelle von Fräulein Rose auch ein junger Lehrer. Der zeigt Matthi den Lehrstoff anhand von vielen Bildern, Grafiken und auch kleinen Filmen. Diesen Unterricht mag der Junge besonders gern, und er kriegt dann vor lauter Aufregung ganz rote Wangen. Außerdem darf Matthias den Lehrer bei seinem Vornamen nennen. Aaron pflegt mit Matthi eine freundschaftliche Lehrer- Schülerbeziehung. Für Aaron ist Matthias ein ganz besonderer Junge, den er sehr gern unterrichtet. Pfeffis Begeisterung für den Unterricht hält sich in engen Grenzen, weil er in diesen Stunden nicht bei seinem kleinen Freund sein darf. Er soll das Kind vom Lernen nicht ablenken. Also erwartet der Hund artig an seinem Platz das Ende des Unterrichts, um dann schnell zu seinem Herrchen zu laufen, sobald die fremden Menschen gegangen sind.

      Matthi hustet im Verlauf der Zeit immer öfter und heftiger. Die Anfälle sind so qualvoll, dass der schnell herangeholte Doktor ihn jetzt meist ins nahegelegene Krankenhaus begleitet. Hier bleibt er dann für einige Stunden bis die verabreichten Medikamente ihre Wirkung tun. Sobald das Kind wieder daheim ist, ist die Familie einschließlich des Doktors total aufgelöst. Matthi weint meist, da er die Schmerzen kaum noch aushält und die Medikamente, die erhebliche Nebenwirkungen haben, auch immer höher dosiert werden müssen, um überhaupt noch eine befreiende Wirkung zu erzielen. Die Aufregung ist dann sehr groß. Alles spielt sich im Kinderzimmer ab. Selbst der Doktor bleibt aus Sorge immer länger im Haus. Draußen bleibt allein der kleine Hund, der sich in seinen Korb verzieht und geduldig wartet bis wieder Ruhe einkehrt. Wenn ein Tier den Begriff Sorge kennt, dann ist es Pfeffi. Zumindest die Empfindungen, die damit einhergehen, kann der Hund nachvollziehen. Er spürt ganz instinktiv den Schmerz und die Qual seines Herrchens und die damit verbundenen Ängste der anderen Menschen. Angst gehört genauso wie Vertrauen zu den Instinkten eines jeden Tieres. Hunde sind Rudeltiere. Die Zugehörigkeit zum Rudel baut auf das gegenseitige Vertrauen der einzelnen Mitglieder auf. Nur so kann ein Rudel funktionieren. Angst schützt die Tiere vor falscher Einschätzung der Feinde. Werden die Funktionen des Rudels durch fremde Einflüsse empfindlich gestört, so bleibt den Tieren keine andere Möglichkeit als geduldig abzuwarten bis sich die Abläufe wieder normalisieren. Genau das tut Pfeffi. Er wartet ab und hofft, dass sich alles normalisiert…...

      Christin ist nicht nur eine liebevolle Mutter, sondern auch eine sehr reinliche Hausfrau. Sie hält alles mit größter Genauigkeit sauber. So wundert es Pfeffi nicht, dass sein Korb regelmäßig geseift und abgeduscht wird. Er erhält täglich frische Kissen und seine immer blitz blanken Näpfe stehen stets an einer eigens dafür vorgesehenen Stelle in der Küche auf einer abwaschbaren Platzdecke. Nur an dieser bestimmten Stelle darf Pfeffi fressen. Pfeffer selbst wird einmal wöchentlich gebadet und geföhnt, wobei der Hund ahnt, dass diese aufwendigen Prozeduren irgendetwas mit Matthis Husten zu tun haben müssen. Pfeffi nimmt es hin und freut sich über jede Minute, die er bei seinem Freund sein darf. Doch hört er eines Tages Tristan sagen: “Eigentlich dürfte der Hund nicht mehr bei dem Jungen sein! Ich habe da große Bedenken.“ Christin antwortet müde: „Du hast natürlich Recht, Tris, aber ich bringe es einfach nicht über das Herz, ihm Pfeffer wegzunehmen!“ Pfeffi erschrickt über diese Worte und wird nachdenklich. Ob er wohl irgendetwas tun kann? Er schaut hilfesuchend zu Tristan hoch. Dieser dreht sich weg und wischt sich die aufkommenden