Andreas Mistele

Getting Pro


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somit z. B. das Erkennen eines Cellos, auch wenn dessen Bassbereich stark beschnitten ist. In diesem Fall kann dies ein Vorteil sein, da du so zwar ein erlernt tieffrequentes Instrument im Mix unterbringen kannst, im Bassbereich jedoch tatsächlich noch Luft für Bassgitarre oder Kontrabass verbleibt.

      Im ungünstigsten Fall erhältst du allerdings einen Mix, der über alle Spuren zu wenig Grundtöne und Basspower verfügt, obwohl er vordergründig ausgewogen klingt. Damit dein Bassbereich dich also nicht übers Ohr haut (Wortspiel!), ist es sinnvoll, auch mal zum Analyzer zu greifen.

      Das Alltagsbeispiel für den Residuumeffekt ist übrigens das Telefon: Obwohl der sprichwörtliche Telefonsound sehr mittig und beschnitten ist, erkennst du alle deine bekannten Anrufer sofort!

      So, was denn nun? Wie laut soll es denn dann sein?

      In der Literatur wird meist auf 83 dB(SPL) als ideale Abhörlautstärke verwiesen. Diese Lautstärke sei ideal für einen ausgewogenen Klang über alle Frequenzen und ermüdungsfreies Hören.

      Idealerweise nutzt du ein Messmikrofon, um deine Abhörlautstärke zu kalibrieren. Hast du aber kein Messwerkzeug, kannst du dich auch über Vergleiche herantasten:

       So laut wie man seine Lieblingsband gerne mal zum Abschalten hört, ist es zu laut.

       Wenn du das Türöffnen im Mischraum noch problemlos beim Mischen hören kannst, ist es zu leise.

       Ca. 6 dB über der Lautstärke beim Musikhören in Zimmerlautstärke ist es OK.

      Selbstverständlich kannst und sollst du im Zuge einer Produktion auch immer wieder leiser und lauter mischen. So bleibt das Gehör gefordert, ermüdet aber nicht. Zudem bleiben Gewohnheitseffekte länger aus.

      Letztere sind besonders bei der Bearbeitung von Einzelspuren zu berücksichtigen: Wenn man ein Instrument lange solo bearbeitet, läuft man Gefahr, sich schnell an den Klang und an das deutliche Hören dessen Details zu gewöhnen. Daher sollte nach der Solobearbeitung der Gesamtmix zunächst wieder ohne das bearbeitete Element abgehört werden. Das gerade bearbeitete Signal gibt man erst dann wieder zu. So vermeidet man auf einfache Weise Überbetonungen auf Grund von Gewohnheitseffekten.

      Um diesem Effekt und der Ermüdung entgegen zu wirken, solltest du zudem immer wieder Pausen machen.

      Um sicherzustellen, dass ein Mix funktioniert, gibt es neben dem Abhören in unterschiedlichen Lautstärken auch einige andere einfache Tricks. Du kannst dich z. B. vom Mischplatz entfernen und mal vom Nebenraum zuhören oder bei laufendem Staubsauger abhören. Nutze zudem deine Zweitabhören oder prüfe den Sound im Auto. Gerade in den Sondersituationen zeigt sich, ob eine Mischung stimmig ist. Probiere dies mal mit Profiproduktionen aus!

      4.6Keine Scheu vor Analyzern

      Einige Produzenten verteufeln Analyse-Instrumente regelrecht und behaupten, sie verlassen sich immer und überall auf ihr güldenes Gehör. Das ist albern! Ein solches Tool soll das Gehör ja nicht ersetzen, sondern soll es nur unterstützen.

      Mit dem sinnvollen Einsatz dieser Tools kannst du deine Produktionsarbeit deutlich erleichtern und letztendlich beschleunigen. Zudem führt die optische Unterstützung der Klanganalyse zu weniger Gehörermüdung. Länger konzentriert an einem Mix arbeiten zu können, ist ein erheblicher Gewinn für deine Produktivität!

      Auf dem Markt tummelt sich eine schiere Unmenge an kostenlosen Analysetools. Zum Testen und Spielen sind diese sicher in Ordnung. Die Aufteilung der verschiedenen Analysebereiche auf zig Plug-Ins ist aber auf Dauer nervig. Zudem kannst du dir bei den Werkzeugen nicht immer sicher sein, dass sie das Klanggeschehen wirklich genau abbilden.

      Wenn du also auf lange Sicht mit Analyse-Software arbeiten willst, solltest du die einmalige Investition in eine hochwertige kommerzielle Software im Komplettpaket wagen. So kannst du komfortabel und verlässlich alle Parameter auf einen Blick in einem einzigen Plug-In erfassen. Trotz kommerziellem Ansatz muss solch eine Software nicht sehr teuer sein. Schließlich steckt hinter der Analyse keine Raketenwissenschaft. Für 75,- bis 150,- EUR solltest du etwas Ordentliches bekommen.

      4.6.1VU-Meter

      Als erstes im Bunde möchte ich die Großmutter der Analysetools ins Spiel bringen: das VU-Meter. Diese Pegelanzeigen waren DIE Messinstrumente der Vergangenheit, werden aber immer noch in vielen analogen Geräten verbaut. Ihre Verbreitung verdanken sie neben der frühen Ausgereiftheit ihrer Technik auch dem Umstand, dass sie einfach billiger waren als die technisch besseren analogen Peakmeter.

      Ihre Anzeigecharakteristik ist unserem Hörempfinden angenähert. Sie zeigen keine Spitzenwerte an, sondern einen RMS-Wert mit einer Ansprechzeit von 300 ms. Da das VU-Meter kurze Spitzen und Transienten nicht mehr anzeigen kann, hat man ihm einen Vorlauf spendiert – je nach Gerät zwischen +4 dB und +6 dB. Daher zeigen VU-Meter lange und gleichbleibende Signale auch immer falsch an, nämlich mit dem Vorlauf entsprechend zu viel dB.

      Bei einem normalen, heterogenen Signal gilt jedoch: Wenn die Nadel des VU-Meters bei 0 dBVU herumeiert, befindest du dich beim optimalen Arbeitspunkt des Gerätes, eben bei dessen bestmöglichen SNR. Man spricht hierbei auch vom „Unity Gain“.

      

Das PSP-VintageMeter - ein VU-Meter Plug-In (PSP-Audioware)

      4.6.2Peak-Meter

      Im Gegensatz zum VU-Meter zeigt das Peak-Meter keine Durchschnittswerte an, sondern die kurzen Impulsspitzen eines Signals. Die Anzeige des Peak-Meters korreliert also nicht mit der empfundenen Lautheit, sondern stellt nur die maximalen Pegelspitzen dar. Das Peak-Meter ist also dein ideales Tool zur präzisen Pegelüberwachung und eignet sich daher perfekt zum Einpegeln.

      Im weiteren Produktionsprozess ist es wichtig, um sicherzustellen, dass dein Signalpegel zum Eingang des Folgeeffekts passt oder für die Folgebearbeitung genügend Spielraum bereitstellt. Das Peak-Meter ist zudem eine wichtige Grundlage für die Einstellung der dynamikbearbeitenden Effekte wie Kompressoren und Limiter.

      Man nennt diese Geräte auch „PPM“, was die Abkürzung für „Peak Program Meter“ ist.

      Digitales Peak-Meter eines Kanalzuges des Cubase C5-Mixers (Steinberg)

      Du musst zwischen analogen und digitalen Peak-Metern unterscheiden:

ParameterAnaloges PPMDigitales PPM
Skalierung-50 dB bis +5 dB-60 dBfs bis -0 dBfs
Bezugsanzeige0 dB0 dB
Bezugspegel+6 dBu0 dBfs
Integrationszeit5 ms< 1 ms
Rücklaufzeit1,7 ms von 0 dB auf -20 dB1,7 ms von 0 dB auf -20 dB
NormDIN IEC 60268-10DIN IEC 60268-18
ZusatzNeben der hier vorgestellten Parametrierung gibt es gemäß DIN noch weitere PPM-Typen (Nordic, British, EBU). In den meisten Fällen hast du es aber mit der obigen Skalierung und Charakteristik zu tun.Eine Skalierung oberhalb 0 dB ist in der digitalen Technik nicht nötig, da man sich hier sowieso im Bereich des Clippings befindet.

      Der Unterschied hinsichtlich der Integrationszeit - also die Zeit, die das Meter benötigt, bis es auf eine Pegelspitze anspricht – erklärt sich aus dem Anwendungsgebiet. Während die analoge Technik auf kurzfristige Pegel oberhalb der jeweiligen 0 dB sehr gutmütig reagiert, darf die Vollaussteuerung (0 dBfs) bei digitalen Pegeln zu keiner Zeit überschritten werden. Ansonsten kommt es zu unschönen, digitalen Verzerrungen. Daher muss die Ansprechzeit eines digitalen Tools kürzer sein als bei den analogen Verwandten.

      Dafür spricht auch die Eigenschaft, dass man Clippings kleiner 5 ms nicht mehr sauber wahrnehmen kann. Definitiv nicht mehr zu hören