Christoph Schalk

Empowerment fürs ganze Leben


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ist das Motto der Multiplikation.

       Zum Weiterdenken

       Wo wird in Ihrem Umfeld (Beruf, Verein, Ehrenamt etc.) noch „geklotzt“? Wo kommt es vor allem auf Größe an?

       Wo sympathisieren Sie selbst mit dem Ansatz „Klotzen statt Kleckern“?

       Wie können Sie das Prinzip der Multiplikation in Ihrem persönlichen Leben nutzbringend anwenden?

       Mit Verlusten rechen

      Wenn ich über Multiplikation spreche, höre ich in Seminaren immer wieder den Einwand, dass es doch so einfach gar nicht geht. Das sei doch Schönrechnerei, da steckten idealistische Annahmen dahinter, die nie erfüllt würden.

      In einem Punkt stimme ich den Kritikern völlig zu: Nie werden wir Multiplikation auf perfekte Art und Weise erleben. Das, was rechnerisch auf dem Papier herauskommt, stimmt nie mit der Wirklichkeit überein. Wir werden immer erleben, dass die tatsächlichen Ergebnisse hinter unseren erhofften Ergebnissen zurückbleiben. Warum ist das so? Weil wir immer mit Verlusten rechnen müssen! Aber gerade deshalb arbeitet die Natur multiplikativ. Sie produziert Überfluss (und manchmal sogar Überschuss), weil von vorne herein klar ist, dass nicht alle Nachkommen überleben.

      Auch hier ist uns das Kaninchen Vorbild und Lehrmeister: Viele der Tiere sterben schon in ihrem ersten Lebensjahr oder überleben den ersten Winter nicht. Sie fallen oft Wildtieren oder wildernden Katzen und Hunden zum Opfer, verhungern oder sterben an Krankheiten. Vom Fenster meines Büros aus kann ich mehrmals im Jahr live beobachten, wie Jäger auf den Feldern vor unserem Gebäude große Treibjagden auf Kaninchen veranstalten, um eine unkontrollierte Vermehrung zu verhindern. Und trotzdem sind Kaninchen nicht vom Aussterben bedroht – im Gegenteil. Sie multiplizieren sich auf eine Art, die mit den Verlusten fertig wird.

      Multiplikation bedeutet deshalb, der Realität ins Auge zu sehen und mit Verlusten zu rechnen. Multiplikation bedeutet, dass wir es uns nicht leisten können, mit weniger effektiven Vorgehensweisen zu arbeiten, eben weil wir nie die idealen Ergebnisse erreichen. Multiplikation bedeutet, dass wir von Anfang an mehr wollen müssen als wir brauchen. Wir zielen auf den Überfluss, um am Ende das zu erreichen, was wir tatsächlich haben wollen. Das ist auch der entscheidende Grund, warum das Prinzip der Multiplikation unbedingt berücksichtigt werden muss, wenn wir uns Gedanken über unsere (Lebens-)Perspektive machen und überlegen, welche Frucht wir bringen wollen. Perspektive ohne multiplikative Anteile läuft Gefahr zu versanden.

      Denken Sie ganz praktisch an das Prinzip von Saat und Ernte: Man sät grundsätzlich mehr aus, als man am Ende an Pflanzen tatsächlich braucht. Man muss bei der Saat fast verschwenderisch umgehen, damit man zur Erntezeit den gewünschten Ertrag bekommt. Wer seine Ziele erreichen will, muss nicht nur multiplikativ vorgehen, sondern auch so planen, als ob er Überfluss anstrebt. Genau das ist die Perspektive, die wir brauchen.

      Wenn Sie also im Handballverein nach einem Co-Trainer suchen, dann bilden Sie doch gleich zwei oder drei gleichzeitig aus. Wenn einer dann wegzieht und der nächste Terminengpässe hat, bleibt Ihnen auf alle Fälle einer. Und von dem, der weggezogen ist, profitiert ein anderer Verein.

      Wenn Sie Ihr berufliches Wissen multiplizieren wollen, weihen Sie doch gleich zwei Kollegen in ein Aufgabengebiet ein. Am Ende übertragen Sie es dann dem Kollegen, der mehr Spaß daran oder mehr Kapazitäten hat.

      Multiplikation scheitert leider oft an unserer inneren Haltung. Ausbildungsprozesse und Mentoring bedeuten Verzicht, das Aufgeben von Bequemlichkeiten, Mühe und Investition in andere – und das manchmal auch noch bei möglichen Verlusten. Wir müssen einen Preis dafür zahlen, wenn wir uns multiplizieren und Frucht sehen wollen.

      Aber wir sollten uns nicht täuschen: Auch Nicht-Veränderung kostet ihren Preis. Versuchen Sie einmal, ein Boot in einem Gewässer über längere Zeit am selben Ort zu halten. Ohne Anstrengung und Gegensteuern ist das selbst auf einem stillen See kaum möglich. Wind und Strömung wirken stets auf das Boot ein und verändern die Position, wenn Sie nichts tun.

      Wir haben also drei Möglichkeiten:

      1 Wer nichts tut, wird von den Kräften um ihn herum verändert, und muss den Preis zahlen, dass er auf das Ergebnis der Veränderung keinen Einfluss hat. Er wird gelebt.

      2 Wer nichts verändern und alles exakt gleich halten will, muss den Preis zahlen, mit hohem Kraftaufwand gegen die Einflüsse der Umwelt kämpfen zu müssen.

      3 Wir bezahlen bewusst den Preis, den Veränderung bzw. Multiplikation kostet, aber wir legen das Ziel der Reise bewusst fest. Und wir nutzen außerdem das Prinzip Energieumwandlung (mit dem wir uns später noch ausführlich beschäftigen werden), um uns mit möglichst geringer Steuerenergie die Kräfte der Umwelt zunutze zu machen.

       Werte-Check

      Überprüfen Sie doch einmal Ihre innere Haltung und Ihr Wertesystem anhand einer konkreten Situation, in der das Stichwort „Multiplikation“ in Ihnen gemischte Gefühle auslöst. Also zum Beispiel, wenn Sie sich in die Ausbildung von Mitarbeitern investieren müssten. In solchen Situationen treiben uns oft die unterschiedlichsten Emotionen um, innere Stimmen raten uns mal dies, mal das. Ein inneres Hin- und Hergerissensein ist bezeichnend für Situationen, in denen wir uns in einem Motivkonflikt zwischen verschiedenen Werten befinden.

      „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, lässt Johann Wolfgang von Goethe seinen Dr. Faust sagen. Auch wir kennen diesen inneren Zwiespalt, der von Psychologen und Therapeuten wie Richard Schwartz, Gunter Schmidt und Friedemann Schulz von Thun zur „inneren Familie“ oder zum „inneren Team“ weiterentwickelt wurde. Dabei handelt es sich um eine einfache Methode, mit der man die unterschiedlichen Aspekte eines Konflikts dadurch sichtbar machen kann, dass sie von unterschiedlichen „Teammitgliedern“ vertreten werden. „Der Ängstliche“ in mir könnte also die Unsicherheit sichtbar machen, die ich immer dann habe, wenn ich es mit Menschen zu tun habe, die ich noch nicht kenne. „Das Gewohnheitstier“ in mir könnte den Teil von mir verdeutlichen, der sich gegen jede Art von Veränderung sträubt. Alle diese inneren Teammitglieder, die Gedanken, Gefühle, innere Stimmen und Werte repräsentieren, stehen immer nur für einen Teil von mir. Einen wichtigen und wertvollen Teil, aber eben nur für einen Teil.

      Deshalb lohnt es sich, dieses „innere Team“ aus Werten, Gedanken, Eindrücken und Gefühlen einmal genauer anzuschauen. Es hilft bei der Selbstklärung, wenn Sie alle diese Stimmen in Ihnen personifizieren und wie Mitglieder eines Teams behandeln, dessen Teamchef Sie selbst sind. Manche der Teammitglieder in Ihnen sind sofort zu erkennen: Sie artikulieren sich laut und deutlich und stehen im Vordergrund. Andere sind vielleicht leise und zurückhaltend. Oder sie verstecken sich irgendwo in einer Schmuddelecke. Spannend ist, dass sich manche Teammitglieder verbünden – gegen andere Teammitglieder oder Grüppchen innerhalb des Teams. Verschaffen Sie sich für Ihre Situation einen Überblick über Ihr inneres Team:

       Wer taucht da auf?

       Geben Sie dann jedem Teammitglied einen Namen (z. B. „Der Ängstliche“ oder „Die Radikale“ oder „Die Beziehungsnudel“)

       Finden Sie für jedes Teammitglied eine typische Aussage – was sagt das Teammitglied zu dieser Situation, am besten in Ichform (einen Satz wie: „Das geht mir zu weit!“ oder „Ich will mich weiterentwickeln.“)

       Hören Sie in sich hinein: Welche Teammitglieder sind dominant? Welche leise und zurückhaltend?

      Zeichnen Sie auf ein Blatt eine Person mit einem großen Bauch. In den Bauch zeichnen Sie alle Teammitglieder mit Namen und ihrem jeweils typischen Satz. Überlegen Sie, wie sich die Teammitglieder zueinander verhalten. Wer ist mit wem verbündet? Und gegen wen? Welche Allianzen und Koalitionen gibt es in Ihrem Team? Wofür treten Sie ein? Wogegen?

      Spielen Sie die Möglichkeiten, die Sie in Ihrer Ausgangssituation sehen, gedanklich einmal durch. Vielleicht hilft Ihnen, wenn Sie sich dabei für jede Option auf einen anderen Stuhl setzen und sich ganz in diese Rolle hineinversetzen. Wie reagieren die einzelnen