Cornelia Gräf

New York City and Me


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gepriesen. Eine Mischung aus klein geschnittenen Pilzen und Karotten würde mit rund sieben Dollar zu Buche schlagen. Aber es gibt ja noch mehr zu schauen. Hinten im Laden, ganz im Eck stehen sie: San-Marzano-Tomaten in der Dose, püriert, gecrusht oder gestückelt. Für tatsächlich super günstige 1,99 Dollar! – That’s a deal, baby!

      Doch ich bin zu faul, nun Dosen zu schleppen, mache mir aber eine Notiz im Hinterkopf. Weiter geht es zu meinem nächsten „Abcheck”-Ziel: Trader Joe’s. Dahinter verbirgt sich eine Supermarktkette der deutschen Albrecht-Brüder. Genau wie bei Aldi in Deutschland gibt es hier auch zahlreiche Eigenmarken zu recht günstigen Preisen. Damit haben sich die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Die Filiale an der 6th Avenue ist ein riesiger, hoher, edler Raum, der von stuckbesetzen Säulen und endlosen Regalreihen durchzogen ist. Am späten Nachmittag brummt der Laden. Aber irgendetwas sollte ich nun schon mal kaufen. Ich schnappe mir ein paar Chiquita-Bananen und weiter geht es von Regal zu Regal. Wahnsinn, diese Angebotsfülle! Und plötzlich finde ich, wonach ich suche. Ich hatte gelesen, dass es bei Trader Joe’s die französische Spitzenschokolade von Valrhona zu fantastischen Preisen geben soll. Tatsächlich! Ein kleiner Riegel für einen Dollar! Unglaublich – sofort rein in den Einkaufskorb!

      Aber noch etwas anderes ist unglaublich oder sagen wir besser kurios. Es ist eine dieser Sachen, die einen (als Deutschen? als Nicht-New Yorker?) nur staunen lassen. Dort läuft ein junger Kerl mit einem Schild in der Hand herum, auf dem End of Line, also Ende der Schlange, zu lesen steht. Die line schlängelt sich zwar tatsächlich durch den halben Laden und ich frage mich, ob es sich für meine vier Artikel lohnt, anzustehen, aber wie ich auf dem Bewertungsportal Yelp gelesen habe, würden die Leute an der Kasse fix arbeiten (ah! doch noch eine Gemeinsamkeit mit Aldi!) und die Schlange sich ganz gut vorwärts bewegen. In der Tat. Nach kurzer Zeit steht ein weiterer Kerl mit dem Schild Middle of the Line neben mir. Gut zu wissen. Nun heißt es, sich auf zwei Schlangen aufteilen.

      Ein paar Meter weiter dann der nächste junge Mann, der den Kunden sagt, an welche der 25 Kassen sie gehen sollen. Die Kassierer recken dafür in der Ferne immer Nummerntäfelchen in die Höhe, um zu signalisieren, dass der nächste Kunde kommen kann. Dann bin ich dran. Kasse 18. Mein Kassierer strahlt mich an und beginnt mit Small Talk. Da ich nun seit über zwanzig Stunden auf den Beinen bin, bin ich wenig gesprächig. Auf sein Bedauern, ob ich mich nicht unterhalten wolle, entschuldige ich mich mit Jetlag und dass bei mir gefühlt zwei Uhr nachts sei. Nachdem er vorsichtig alles in meine Tasche gepackt hat (schön das Obst obenauf), gibt er mir meine Kreditkarte zurück – mit einem breiten Lächeln und den Worten: „Well, Miss Cornelia, I still wish you a great day and sleep well.”

      Ich verlasse den Laden, habe selber ein Lächeln auf den Lippen und weiß: „Ja, ich bin in New York, ja, es ist verrückt, aber es wird sich lohnen!“

      Das Fenster des Grauens (und was sonst noch geschah)

      Ich könnte nun sagen: „Hey Leute, ich bin total cool und hip, lebe in Chelsea und habe jetzt sogar einen personal assistant, der mir das Fenster schließt.” Das würde jedoch die Wahrheit ein bisschen überstrapazieren. Edwin arbeitet zwar auch als personal assistant, aber leider nicht als meiner, sondern ist als Zweitjob hier für das Haus zuständig. Doch das Fenster – eingangs schrieb ich ja, dass es sich nur mit viel Glück und Kraft öffnen und schließen lässt. Nun, die Sache ist die: Mein gesamtes Glück scheine ich immer schon beim Öffnen verbraucht zu haben, Kraft hatte ich noch nie – also musste ich die erste Nacht in New York mit halb geöffnetem Fenster verbringen. Es zog wie Hechtsuppe. In den frühen Morgenstunden begann ich dann, mit einem Handtuch den offenen Fensterschlitz abzudichten. Es handelt sich nämlich um eines dieser typischen Fenster, die man hochschieben (und bestenfalls eben auch wieder runterschieben) muss. Zusätzlich habe ich das Fenster noch mit meinem Koffer verbarrikadiert. Schon besser. Not macht eben erfinderisch. Gleichzeitig habe ich eine E-Mail an Edwin abgesetzt. Und siehe da, als ich von meinem morgendlichen Spaziergang zurückkehrte, hatte der gute Mann es geschafft mein Fenster zu schließen. Ja, es gehe ein bisschen schwer (bisschen?!), das zweite Fenster gehe aber noch schwerer (na toll…) und ich solle einfach kräftig drücken (ja, was glaubt der, was ich gemacht habe? Ich stand auf dem Fenstersims und habe mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen gestemmt! Hat das Fenster nur leider nicht beeindruckt) und wenn es nicht ginge, solle ich ihm einfach eine E-Mail schreiben, dass er mir das Fenster schließen soll. Sie hätten auch schon Leute beauftragt, sich die Fenster im ganzen Haus anzuschauen, aber das dauere leider. Na prima. Übrigens: Während ich das hier schreibe, neigt sich die zweite Nacht dem Ende zu (Jetlag!). Neben mir auf dem Fenstersims: Handtuch und Kofferbarrikaden…

      Aber hey, schließlich berappe ich hier nicht Unsummen dafür, dass ich ein Dach über dem Kopf habe und sich Fenster ordentlich öffnen und schließen lassen, sondern dafür, wo ich mein Dach über dem Kopf habe. Deshalb schnappe ich mir nach der ersten Nacht in New York mein Frühstück (die Banane aus dem Trader Joe‘s) und spaziere wieder Richtung High Line Park. Es ist noch recht früh am Morgen, die Sonne lacht vom Himmel (kühl ist es aber trotzdem noch), die Luft ist frisch. Ja, ist sie wirklich! Auch wenn ich hier in einer Metropole lebe. Aber sie liegt am Meer, meine Straße ist wie eine Allee von Bäumen gesäumt und überall gibt es kleine oder größere Parks mit Bäumen, die die Luft ebenfalls reinigen. Wenn man also nicht gerade an einer der vielbefahrenen Avenues steht oder neben einem food cart, bei dem mal wieder die chicken und lamb kebabs angebrannt sind, hat man hier durchaus tolle Luft!

      Auf meinem Weg zur High Line lasse ich mich per MP3-Player musikalisch von Billy Joel begleiten: I’m in a New York State of Mind. Bei der High Line angekommen, freue ich mich: Wie erhofft, tummeln sich um diese Uhrzeit erst wenige Menschen hier und ich kann mich auf eine Bank setzen, die Morgensonne genießen und auf das Empire State Building schauen, während Alicia Keys in meinen Ohren den Empire State of Mind besingt. Dieser Moment ist kitschig. Er kommt mir unecht vor und ist trotzdem wunderschön.

      Da sitze ich, lasse meine Gedanken schweifen und beobachte die bewundernswert sportlichen Wesen, die an mir vorbei joggen. Überhaupt, joggen: Ich persönlich kann dieser Art der Freizeitgestaltung rein gar nichts abgewinnen und jedes Mal, wenn ich daheim in Deutschland die Jogger das Flussufer entlang hecheln sehe, denke ich bei mir: „So wie ihr ausseht, könnt ihr das auch nicht.” Immer dieser gequälte Gesichtsausdruck, nee nee. Aber hier in New York? Wie die Gazellen laufen sie federleicht an mir vorbei, lächeln oder schauen wenigstens halbwegs zufrieden in die Welt und wirken generell einfach sehr cool, sehr stylisch, sehr New York eben.

      Doch nach einiger Zeit raffe ich mich auf, es gibt Dinge zu erledigen, ich bin ja nicht zum Spaß hier (okay, doch, ein kleines bisschen…). Wie man erahnen kann, ist meine „Hütte” nur äußerst spartanisch eingerichtet und so einiges will besorgt werden: Wasserkocher, Schere, Haartrockner, Messer, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Außerdem fehlte es mir ja immer noch an Duschgel (lang reichen die Probepäckchen aus der Heimat nicht mehr), Shampoo und dergleichen, da ich mich ja geweigert hatte, sieben Dollar für sowas hinzublättern. Die mögliche Lösung meiner Probleme lautet: Jack’s 99 Cent Store. Ich kannte den Laden vom Namen her schon länger, hatte daheim noch ein bisschen recherchiert und gelesen, dass man dort so ziemlich alles und jedes bekommt zu super günstigen Preisen. Das einzige Problem ist, man kann nie vorhersagen, was es gibt, da sich das Angebot stetig ändert.

      Und dann stehe ich da, in einer Art Rudis Resterampe im XXL-Format. Korb geschnappt und losgeshoppt. Giovanni Rana Tortellini für 1,79 Dollar! Schnäppchen! Gekauft! Ziegenfrischkäse mit Kräutern für 1,29 Dollar! Rein damit! Und da – jawooohl, es geht doch! – Marken-Shampoo für vier Dollar. Schwupps, schwupps, schwupps füllt sich der Korb. Auch ein Päckchen Manner-Waffeln kommt noch mit, dazu Föhn, Toaster, Wasserkocher, Messer und und und. Ich schleppe den überbordenden Korb zur Kasse und Bingo – die Kreditkarte streikt. Alptraum. Da stehe ich nun, leicht errötend. Toaster, Wasserkocher und USB-Lade-Port müssen da bleiben und ich kratze das letzte Bargeld zusammen, um wenigstens den Rest mitnehmen zu können.

      Ich verlasse den Laden, der Puls beschleunigt, Schweißausbruch. Haben die mir etwa meine Kreditkarte gesperrt? Ich hatte am Morgen versucht, online eine amerikanische SIM-Karte zu ordern, bei der auch bei mehreren