Norbert Barthelmess

Die heilige Geometrie der Metatron-Pyramide


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blauen Wellensittich das Sprechen beibringen werde.

      Für mich war mein Hansi der Schönste, der Klügste, einfach mein Freund, mit dem ich alles besprechen und meine Geheimnisse anvertrauen konnte.

      Meiner Schwester ihr Wellensittich war schon in der ersten Woche davon geflogen. Sie ließ ihn einfach fliegen, indem sie das Küchenfenster aufmachte und das war’s. Als ich von der Schule heim kam und meinen Hansi begrüßen wollte, war der Vogelkäfig leer. „ Mama, Mama wo ist mein Hansi? Mein Hansi ist weg!“ Schweigen. Meine Mama drückte mich an sich und sagte mit leiser Stimme: „Dein Hansi ist tot!

      Deine Schwester hat ihn in der Hand gehalten. Sie erschrak und ließ ihn fallen und das war’s.“

      „Und wo ist er jetzt?“ Meine Mama zeigte mit dem Zeigefinger drauf. Da lag er mit offenen Augen. Ganz friedlich lag er da - mein Hansi. In diesem Moment hasste ich meine Schwester. Verstehen Sie, warum ich kein Schwesterchen mehr haben wollte? Sie hatte auch damals mein Lieblingsbuch, das Struwwelpeter hieß, als ich wieder mal in der Schule war, bekritzelt und zerschnitten. Ich schlug meine Schwester, sie schlug mich und meine Mama sagte: „Hallo das ist deine kleine Schwester, die schlägt man nicht!“ Und wir zofften uns oft! Hätte doch meine Mama gesagt: „Norbert, willst Du ein Brüderchen haben?“ Dann hätte ich gesagt: „ Ja, ja Mama!“ Aber so, nein.

      Wir wohnten damals im Dachgeschoss. Es war eine kleine Drei- Zimmerwohnung. Meine Schwester und ich schliefen in Mamas Ehebett. Ein Kinderzimmer in diesem Sinne hatten wir nicht. Wir hatten ein Wohnzimmer, eine Küche, eine Toilette und Mamas Schlafzimmer und ein paar Möbel. Einmal war ein Mann da, der klebte Aufkleber auf unsere Möbel. Nachdem ich meine Mama fragte was der Mann da macht, sagte sie, dass er einen Kuckuck draufklebt. Kuckuckkuckuck ruft es aus dem Wald sang ich. Nachts waren wir oft alleine, denn Sie müssen verstehen meine Mama war alleinerziehend und musste uns ernähren. Sie arbeitete in Amberg bei den Amis in den Kasernen als Bedienung. Sie brachte des- öfteren auch Männer mit, was ich blöd fand.

      Die tranken viel und dann wurden sie so albern, einfach doof. Als es wieder einmal soweit war und es so doof lustig für die zwei wurde, kam ich gerade in das doofe Wohnzimmer. Da sprach mich der komische Mann an: “ Du bist ja schon ein grosser Junge und darfst auch schon was trinken“, sprach er in gebrochenem deutsch. „Da trink!“ Und ich trank und trank um ihm zu beweisen, dass ich schon ein grosser Junge war. Mir wurde schlecht, schwindelig und ich kotzte alles wieder heraus. Scheiß Mann dachte ich.

      Die Geschichte, die ich Ihnen jetzt erzähle, kann ich bis heute noch nicht begreifen.

      Es war wieder mal so ein doofer blöder Ami da. Er spielte mit uns verstecken, er war auch netter zu uns. Wo wir uns auch versteckten, fand er uns.

      Er fand uns in der Küche. Er fand uns in der Kammer. Meine Schwester hatte keine Lust mehr, aber ich, denn ich wusste ein ganz tolles Versteck. Ich versteckte mich auf Mamas Kleiderschrank im Schlafzimmer. Der Ami suchte und suchte und suchte.

      Die Stimme wurde von leise zu lauter, vom lauten zum sehr lauten und vom sehr lauten zum Schreien. Ich bekam Angst.

      Eine eiserne Hand packte mich und schleuderte mich auf Mamas Bett. Er nahm Mamas Kissen und drückte zu. Es kam mir so vor als wenn ich in einen Schraubstock geraten wäre. Ich zappelte, ich schrie. Es drehte sich alles wie im Karussell um mich. Eine innere Stimme sagte zu mir: „Du wirst sterben!“

      Die Stimme wurde immer lauter und lauter: „Du wirst sterben!“ In meinem Kopf fing es zum Brummen an. Ich sah lauter grelle Lichtblitze vor meinen Augen. Mein Körper wurde immer ruhiger und ruhiger. Meine innere Stimme sagte zu mir:“Stell dich tot!“ Er nahm das Kissen ab, schaute mich an und musterte mich.

      Jetzt schrie meine innere Stimme: „Lauf los !!!“ Ich riss meine Augen auf, rappelte mich hoch und schnellte wie eine Sprungfeder aus dem Bett. Was weiter passierte, wie der weitere Ablauf danach war, an den kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Ich weiss nur noch, dass ihn meine Mama mit einem mächtigen Geschrei hinaus geschmissen hat.

      Heute weiss ich, dass ich diesem meinem geistigen Engel mein Leben verdanke.

      Ich möchte zu dieser wahren Geschichte nichts mehr hinzufügen, nur das eine. Es hat mich in meiner Entwicklung quantenmäßig weiter gebracht, denn ich wusste in diesem Moment, dass ich nicht alleine bin.

      Nachts wenn wir alleine waren, und das waren wir oft, hörten wir sonderbare Geräusche in unserer Wohnung und vor unserer Wohnungstür. Wir versteckten uns hinter dem Fernsehsessel und verharrten dort oft zitternd.

      In solchen Situationen schmuggelte sich meine Schwester ganz eng an mich. In ihren Augen war ich der grosse Bruder und so fühlte ich mich in diesen Momenten. Ins Bett brachte uns keiner. Wir legten uns irgendwann wenn wir übermüdet waren in Mamas Bett. Eine Gute-Nacht-Geschichte gab es nicht.

      Morgens wenn es zur Schule ging, machte Mama das Frühstück, das meist aus einem Margarinebrot bestand, einem Kakao dazu und das war’s. Oftmals machte ich mir ein Zwiebelbrot. Mehr fand ich in dem Speiseschrank nicht. Ich hatte damals schon gelernt, weniger ist mehr.

      Es war im Winter. Auf einmal bekam ich Schüttelfrost, hohes Fieber und mir ging es nicht gut. Der Arzt kam nachts und sagte wenn es bis zum Morgen nicht besser wird, muss er ins Krankenhaus. In dieser Nacht habe ich zum zweiten Male meinen Schutzengel gesehen, einen Engel in leuchtendem Weiß. Der Schutzengel winkte mir zu, kam näher und umarmte mich, wie es meine Mama immer machte. Am nächsten Tag ging es mir schon etwas besser. Ich bekam Zwieback mit warmer Milch und Honig. Das war lecker.

      Als Mama mir die Honigmilch reichte, flüsterte sie mir was ins Ohr. „Was für eine Überraschung Mama?“ „Das wirst Du schon sehen!“ Wir standen vor einem Fahrrad- laden und gingen zusammen rein. „Du darfst Dir ein Fahrrad aussuchen“, sagte Mama. Etwas enttäuscht war ich schon als ich nur Oma- und Opafahrräder zur Auswahl hatte.

      „Na, gefällt Dir eins?“, sagte der Verkäufer verschmitzt. „Nein, die sind ja viel zu gross und schauen blöd aus!“ Der Verkäufer drehte sich um und ging. Als er wieder herein kam, traute ich meinen Augen nicht. Ein nagel- neues orangefarbenes Bonanza-Rad schob er vor sich her. „Wow“ kam es aus meinem Mund. Dabei vergaß ich den Mund wieder zu schließen.

      „Das Bonanza-Rad wurde extra für einen Jungen bestellt!“ sagte der Verkäufer. „Oh!“ sagte ich. Meine Mama kniete sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr: „Für Dich mein Schatz!“ Ich machte einen Freuden- tanz und drückte meine Mama ganz fest. Das war mein glücklichster Augenblick in dieser Zeit.

      Es wurde jeden Tag geübt, anfangs mit Stützrädern und nach und nach brauchte ich sie nicht mehr. Ich schaute aus wie ein Indianer mit Kriegsbemalung durch das Jod und die Pflaster, die auf meinen vielen Auas klebten. Ein paar Wochen später war ich der traurigste Junge in meiner Straße.

      Da wo mein Bonanza-Rad stehen sollte, stand es nicht mehr. Es wurde einfach geklaut mitsamt meinem Fuchsschwanz, der beim Fahren so schön hin und her wedelte. Verzweifelt suchten wir es und fanden es aber nicht mehr. Viele Nächte suchte ich mein Fahrrad in meinen Träumen. Ich ging durch fremde Wohnungen, dunkle Gänge und sah viele schauerliche Gestalten. Das war meine erste Erfahrung mit geben und nehmen.

      Ich möchte nicht wissen, wie lange meine Mutter dafür gearbeitet hatte, um mir diese Freude zu machen.

      Heute hatten wir einen Schulausflug. Wohin das weiss ich nicht mehr. Als ich frühzeitig nach Hause kam und leise die Tür öffnete, schaute ich ins Schlafzimmer rein wo meine Mama vor dem Spiegel stand. Überrascht schaute sie mich an. Als ich einen Blick auf das Bett erhaschen konnte, erschrak ich fürchterlich. Schnell zog Mama das Laken darüber. Ich stand da und konnte das Gesehene nicht begreifen. Was war das? Nachts wollte ich nicht mehr in der Mitte neben Mama schlafen, sondern schlief rechts außen und meine Schwester in der Mitte. Ich lag die ganze Nacht wach und hatte unheimliche Angst. Die Angst frass sich wie ein gefräßiger Virus durch meinen ganzen Körper. In meinen Träumen sah ich Fürchterliches.

      Was war das? Heute weiss ich es. Oh Gott warum?

      Und meine Aussage trug vielleicht dazu bei.

      Diese Zeilen zu schreiben,