David Perteck

Die Zauberer von Atlantis


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bloß, du Aufschneider!“, rief Adebar dem Bruder nach. „Ich sehe keinen Sinn darin, wie ein Wilder Füchse oder Hirsche abzu­schlachten.“

      „Beneide uns, wenn wir mit ihrem Fell zurück­kehren!“, erwiderte Adama und verließ mit Andron den Saal. Bald darauf sah man sie mit einer Gruppe weiterer Männer, bewaffnet mit Pfeil und Bogen oder Armbrust, geschwind vom Hof reiten.

      „Noch immer kein Zeichen von den Jungen“, mel­dete der Hofmeister nach Einbruch der Dunkelheit.

      „Sie müssten seit Stunden wieder hier sein“, sagte die Mutter besorgt.

      „Vielleicht sind sie auf die absurde Idee ge­kommen, draußen in der Wildnis zu übernach­ten“, überlegte Adebar.

      „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte der Vater. „Sie haben dafür keine Ausrüstung mitge­nommen.“

      „Die anderen Jäger könnten dafür etwas dabei gehabt haben“, gab Adebar zu bedenken. „Oder man hat sie vielleicht auf einen anderen Hof einge­laden zur Übernachtung.“

      „Niemals hätten sie uns im Ungewissen gelas­sen“, sagte die Mutter. „Wir wissen alle um die Ge­fahren dieser Tage. Unheimliche Dinge gehen vor sich. Und erst recht dort draußen in der Wildnis.“

      „Es kommt jemand!“, verkündete der Hofmeis­ter.

      Kurz danach ritten Adama und ein halbes Dutzend anderer Männer in den Hof und stiegen mit Fa­ckeln in den Händen von ihren Pferden.

      „Wo ist Andron?“, rief die Mutter, die mit den anderen gemeinsam in den Hof gelaufen war.

      „Es ist furchtbar“, sagte Adama verzweifelt. „Wir haben stundenlang gesucht, aber nichts ge­funden. Die Füchse müssen sich Andron ge­schnappt und ihn in die tiefsten Höhlen ver­schleppt haben.“

      Über zwei der Pferderücken hingen schlanke tote Leiber. Die Männer hatten zwei Füchse erlegt, deren nackte elegante Körper mit menschlichen Gliedmaßen und wildem tierischen Antlitz von zar­tem roten Fell bedeckt waren.

      „Andron war über einen Hügel voraus ge­ritten“, berichtete Adama. „Dann haben wir ihn aus den Augen verloren und nicht mehr wiedergefun­den. Es ist alles meine Schuld! Wir stellen einen schwer bewaffneten Trupp zusammen und machen uns sofort wieder auf die Suche!“

      „Wenn die Füchse einen Menschen greifen“, erklärte der Vater grimmig, „dann sieht man ihn nie mehr wieder. Dieses ganze wilde Gesocks ge­hört ausgerottet!“

      „Sonst sind sie doch immer geflohen“, sagte Adebar. „Sie waren kaum gefährlicher als Ha­sen und Rehe. Seit Jahren wurde hier kein Mensch mehr von Füchsen angegriffen.“

      „In letzter Zeit wurde öfters von seltsamem Verhalten der Unwesen berichtet“, sagte Ada­ma.

      „Das kann nur eins bedeuten“, sagte der Vater. „Im Wilden Volk ist wieder ein Zauberer herange­wachsen. Das ist in der Tat seit Jahrzehnten nicht passiert. Fragt sich, ob zuerst die rote Sonne er­lischt oder die Wilden alle Menschen in diesem Landstrich vernichten.“

      „Haben die Füchse Andron getötet?“, fragte Alena entsetzt.

      „Sie töten für gewöhnlich keine Menschen“, erklärte die Mutter wie entgeistert. „Soweit man es von früher weiß, halten sie Menschen als Sklaven - und foltern sie auf grausame Weise!“

      „Wir müssen den Kampf aufnehmen!“ stellte Adama fest und gab den anderen Männern hitzig Anweisungen.

      Adebar schloss seine Augen und flüsterte eine Formel. Er wollte einen Suchzauber we­ben, aber entweder war Andron bereits zu weit entfernt oder etwas anderes verhinderte, dass der Zauber wirkte und Adebar geistig die Spur des Bruders aufneh­men konnte. Er sah vor seinem inneren Auge ledig­lich dunkle Hügel und Felder, aber keine Hinweise auf den Gesuchten.

      Kurz darauf ritten die mit Schwertern, Streitäx­ten, Speeren und Hellebarden bewaffneten Männer unter Adamas Führung wieder los. Doch die Füch­se hatten sich in die tiefste Wild­nis des Nordens zurückgezogen und drei Wochen später war noch immer keine Spur des entführten Jungen gefunden.

      Das nächste Jahr brachte weiteres Unheil über die Menschheit. Im Süden wurden viele Tausende in Schlachten und Raubzügen getötet, bevor es zu zahlreichen starken Erdbe­ben, mächtigen Vulkan­ausbrüchen, gewaltigen Stürmen und schrecklichen Flutkatastro­phen kam, deren todbringende Verhee­rungen hunderttausende Menschen und Tiere in kurzer Zeit das Leben kosteten. Die letzten Städte des Reiches verloren zunehmend die Verbindung zu anderen Weltgegenden und bald kam es auch hier, im vormals reichen und sicheren Atlantis, zu schweren Engpässen bei der Versorgung mit den nötigsten Lebens­mitteln. Die städtischen Einrich­tungen des früheren bürgerlichen Daseins wurden weitge­hend abgebaut, da die Bevölkerung sich vor­nehmlich um die Reste von Landwirtschaft und Viehhaltung für das nackte Überleben kümmern musste. Einzig am Hofe von Atlanti­um wurde der gewohnte Lebenswandel des Königshauses und des Hochadels vorerst noch aufrecht erhalten.

      Der Landsitz von Adebars Familie und die be­nachbarten Fürstenhöfe hatten sich mit ihren ge­treuen Mannschaften bis unter die Zähne bewaffnet und ein Netzwerk zur eigenen Ver­sorgung gegrün­det, dass man in den nächsten Jahren erbittert ge­gen die zu erwartenden Begehrlichkeiten der ar­men Bevölkerung aus den nächsten Städten und Dörfern zu vertei­digen gedachte. An gesellschaftli­chen Austausch oder kulturelle Betätigung war deshalb für Adebar nicht mehr zu denken.

      In die Wildnis des Nordens konnte man sich in­dessen ebenfalls nur noch in größeren be­waffneten Gruppen wagen, um Wildbrett zu jagen, da die wil­den Tiere und die lange Zeit verborgenen Unwesen sich dort so schnell wie der Wind vermehrten und auf Menschen­fleisch lauerten. Einzig von den Füchsen war vorerst kaum mehr etwas zu sehen. Die Hoffnung, Andron jemals wiederzufinden und zu befreien, hatten deshalb alle aufgegeben. Denn falls auch die roten Hybridwesen unter Hunger und anderen Bedrohungen litten, würden sie eine kräf­tige Mahlzeit den sadistischen Spielfreuden ihrer Sklavenhaltung si­cherlich vorziehen.

       2. Kapitel: Dunkle Gefährten

      Der Schwarzmagier Pandorax blickte in die Kris­tallkugel. Er wirkte finstere Beschwörun­gen, um zu ergründen, wo er seinen Feind finden konnte. Das Glas leuchtete dunkelblau und dunkelrot und nach einiger Zeit wurde es wieder schwarz. Pan­dorax verdeckte die Ku­gel mit einer schweren De­cke. Dann erhob er sich, begab sich in seine Bi­bliothek und suchte ein bestimmtes Buch heraus. Er setzte sich mit dem alten Band an ein Pult und blätterte darin, bis er zu der Seite mit dem Zauber­spruch kam, den er gesucht hatte. Dar­aufhin begab er sich eine schmale Wendeltreppe hinab in ein un­terirdisches Gemach. An den Wänden dieser run­den Kammer entzündete er Kerzen, bevor er auf dem Boden mit weißer Kreide einen großen Kreis und darin ein Pentagram zeichnete.

      Pandorax setzte sich weihevoll im Schneider­sitz in die Mitte des Bannkreises und führte das Ri­tual durch. Er schloss die Augen und wisperte die Beschwörungsformel in unheimli­chem Singsang. Nach einigen Augenblicken begann der magische Zirkel phosphoreszie­rend zu leuchten und es ka­men Schwefeldampf und Metallgerüche auf. Dann breitete sich ein unheimliches Knistern im Gemach aus, bis endlich das silbern glitzernde Antlitz des Dämons erschien.

      „Stets zu Diensten“, sagte das schlanke Unwe­sen höhnisch grinsend mit einer eleganten Verbeu­gung.

      „Dämon Ulangarth“, sagte Pandorax. „Ich habe dich beschworen, um einen widerlichen Feind zu vernichten. Ich habe den Unhold in der Kristallku­gel aufgespürt. Wenn du ihn mir als Folteropfer auslieferst und ihn dann in deine Dunkelwelt hinab ziehst, um ihn unendlich weiter Leiden zu lassen, dürfte das ein angemessener Lohn für deine Diens­te sein.“

      „Jawohl, Meister“, versicherte das Unwesen.

      Felarion trennte seinem Gegner mit brutalen Strei­chen die Nase und die Ohren ab. Dann führte er einen schnellen Stich durch das Herz und schlug dem Besiegten in einer elegan­ten Drehung den Kopf ab. Aus allen