Christl Vogl

Frühlingsmärchen


Скачать книгу

„Na, unser kleiner Benjamin hat endlich begriffen, dass der Frühling nun wirklich da ist.“

bild2

      Endlich wieder Frühling

      Ganz leise und ganz zart kam der Frühling. Da sprossen die kleinen Schneeglöckchen aus der Erde. Da läuteten irgendwo die gelben Narzissen und die Palmkätzchen reckten und streckten sich auf dem Weidenbusch.

      Aber da wurde der Winter böse. Zwar wusste er ganz genau, dass er Platz machen musste für den Frühling. Aber so schnell gab er nicht auf, oh nein. Also brauste er mit seinem eiskalten Atem über das Land, ließ den Waldsee wieder zufrieren und bedeckte alles mit einer dicken Schneedecke. Da froren die ersten Hummeln, da erstarrte die Erde wieder und die kleinen Veilchen duckten sich tief in den Schnee hinein.

      Ganz traurig wurde der Frühling und faltete seine duftigen Schleier zusammen und setzte sich müde und traurig in den kalten Schnee.

      Vergebens versuchten die Schwalben und die Vöglein den Frühling aufzumuntern. „So komm schon, gib nicht auf, du musst gegen den Winter ankämpfen“, zwitscherten sie.

      Nein, der Frühling hörte sie nicht, er war ganz einfach eingeschlafen.

      Da freute sich der Winter. „Vielleicht“, dachte er, „vielleicht kann ich auch den Sommer entmutigen. Was mir bei dem Frühling gelang, wird mir bei dem Sommer sicherlich auch gelingen.“ Ja, so dachte er, der kalte, eisige Winter.

      Aber so dachten die ersten Schwalben, die gerade aus den warmen Ländern zurückgekommen waren, gar nicht, nein, sie fürchteten sich vor dem Winter nicht, denn sie hatten einen starken, kräftigen Freund, und den wollten sie holen. Jawohl, nur er konnte dem Frühling beistehen, nur er konnte den Frühling wieder aufwecken.

      Also zogen die Schwalben los und bald hatten sie ihren großen, starken Freund gefunden.

      Er saß auf einem Regenbogen und erzählte den Regenkindern, die zahlreich auf dem Regenbogen saßen, gerade eine schöne Geschichte.

      Schon von weitem riefen die Schwalben ihm zu: „Südwind, wir brauchen dich, komm herunter auf die Erde, der Frühling ist eingeschlafen, beeile dich, es ist keine Zeit mehr zu verlieren.“

      „Was?“, rief der Südwind, „das ist ja schrecklich, ich komme, zeigt mir den Weg.“ Und schon wehte er von dem Regenbogen herunter, breitete seinen weiten Mantel aus und brauste über das Land.

      Bald hatte er den eingeschlafenen Frühling gefunden.

      Oh, wie schön und zart er doch war. Ganz zärtlich und sanft weckte der Südwind den Frühling auf.

      Aber der schlief fest und tief. Da hauchte er einen kleinen Kuss auf den Apfelblütenmund des Frühlings. Da schlug der Frühling seine Augen auf und schaute direkt in die himmelblauen Augen des Südwinds.

      „Wie schön, dass du da bist“, hauchte der Frühling, „ich fühle mich gleich viel wärmer und fröhlicher.“

      „Das freut mich“, erwiderte der Südwind und ein tiefes Lächeln huschte über sein edles Gesicht. „Komm, dann verjagen wir zusammen den Winter, es wird höchste Zeit, dass er verschwindet.“

      Da erhob sich der Frühling und jauchzend flog er zusammen mit dem Südwind der warmen Sonne entgegen.

      Sofort spürte der Winter, wie er müde wurde und alles tat ihm auf einmal weh. „Ich muss mich ausruhen“, dachte er, setzte sich auf die Flügel des Nordwindes und zusammen flogen sie, so schnell sie nur konnten, zurück zum Nordpol und legten sich zur Ruhe.

      Nun konnte sich der Frühling ungehindert über das ganze große Land ausbreiten, endlich.

bild3

      Mairegen

      Der Apfelbaum war voller rosaroter Blüten. Ein richtiges Apfelblütenmärchen war das.

      Da summten die Hummeln, da zwitscherten die Vögel und bauten sich ein Nest mitten in den herrlichen zartrosa Blüten.

      Und das Apfelblüten-Elfchen hopste und sprang von Ast zu Ast auf und nieder. Ach, es freute sich ja so, dass es Mai war, der schöne Wonnemonat Mai.

      Plötzlich hörte das Elfchen ein schlürfendes, nagendes, schmatzendes Geräusch. Nichts Gutes ahnend bog es die Blätter auseinander und sah zu seinem großen Schreck viele schwarze, stachelige Raupen, die sich über die Apfelblüten hermachten.

      Oh, du meine Güte, das war ja schrecklich!

      „Macht, dass ihr wegkommt, ihr Raupenpack!“, schrie es aufgebracht und fuchtelte mit seinen Ärmchen wild hin und her.

      Aber davon waren die Raupen gar nicht beeindruckt und ohne sich um das aufgebrachte Elfchen zu kümmern, fraßen sie einfach weiter.

      „Wartet“, sagte es, „ich werd’s euch zeigen“, und schnell flog es zu den Vögeln, die fleißig dabei waren, ihre Nester zu bauen.

      Aber die Vögel wussten schon von den Raupen, nur fressen wollten sie das Raupenpack gar nicht. „Nein“, sagten sie, „die sind uns zu giftig.“ „Du musst sie wegjagen“, meinte eine Amsel.

      „Leichter gesagt, als getan“, entgegnete das Elfchen, „die haben überhaupt keine Angst vor mir, ich bin eben nur ein kleines Elfchen. Ja, wenn ich groß wäre, dann wäre alles viel leichter.“

      „Dann frage doch mal die Mairegenkinder!“, rief eine Blaumeise. „Man sagt doch: Mairegen macht, dass man größer wird.“

      „Ach ja? Ist das wirklich so? Wenn das so ist, dann werde ich den Mairegen rufen, sodass er mir seine Mairegenkinder schickt“, erwiderte das Elfchen und laut rief sie hinauf in den Himmel zu den kleinen weißen Wölkchen.

      „Mairegen, Mairegen, so komm und schicke mir deine Kinder, deine Mairegenkinder.“

      Und tatsächlich, es dauerte auch gar nicht lange, da wurden die weißen Wölkchen grau und es fielen kleine süße Mairegenkinder auf den Apfelbaum hernieder.

      Sie setzten sich auf einen Ast und sagten: „Na du, was willst du von uns?“

      „Ganz einfach, ihr müsst mich größer machen, denn der Mairegen macht, dass man größer wird, und größer will ich wohl sein, dann kann ich die Raupen verjagen, versteht ihr?“, erklärte das Elfchen und schaute erwartungsvoll auf die Mairegenkinder.

      Da lachten die Kinder und sagten: „Na gut, wir lassen den Mairegen auf dich niederprasseln, aber ob du davon groß wirst, das wissen wir nicht. Aber man kann es ja versuchen.“

      Und flugs spannten sie ihre kleinen Regenwolkenschirme auf und daraus fiel der warme sanfte Mairegen.

      Schnell stellte sich das Elfchen darunter und sang: „Mairegen macht, das man größer wird, und größer, das will ich wohl sein. Und bin ich dann endlich groß genug, tanze ich wieder im Sonnenschein.“

      Nach einiger Zeit ließ der Regen nach und die Mairegenkinder verschwanden wieder.

      „So“, dachte das Elfchen, „nun bin ich groß und stark und jetzt werde ich die Raupen verjagen.“

      Aber sie suchte vergebens die gefräßigen Raupen, sie waren verschwunden.

      „Na, die haben wohl Angst bekommen“, dachte das Elfchen und zufrieden setzte es sich in die Sonne, um zu trocknen. War es nun wirklich größer geworden oder war es nur der Regen, der die Raupen verjagt hatte?

      Ach, wer kann es sagen, ist ja auch nicht so wichtig. Hauptsache, die Raupen waren weg …

bild4

      Veilchenduft