Julianne Becker

Reich mir den Apfel, Eva!


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besaß ein Haus in der Runde und ohne ein solches zu durchqueren konnte nun keiner mehr zur Quelle gelangen. Bald kam man nicht einmal mehr auf die Idee, sie zu suchen!

      Die Quelle war nun also vollständig umgeben von all diesen auch recht widersprüchlichen Systemen und sprudelte einfach so vor sich hin. Und in jedem Tempel, jedem Heiligtum, jeder Kirche, jeder Moschee, jeder Synagoge wurden die Menschen ein wenig anders darauf vorbereitet, durch die Hintertür hinaus in den sonnigen Innenhof zu treten und von dieser Quelle zu trinken. Denn die Quelle selbst war für alle gleich.

      Im Laufe der Geschichte hatten es dann aber trotzdem nur ganz wenige Menschen geschafft, wirklich von ihr zu trinken. Und so vergaß man mit der Zeit die Tür und den Innenhof mit der Quelle in jeder Religion und dass sie der eigentliche Grund für die Religionsgründung gewesen war. Dafür rückte der Altar neben der Tür in den Mittelpunkt, um wenigstens ein gottgefälliges Leben zu führen, und dann stellte man in der unbenutzten Ecke vor der Tür auch immer mehr Zeugs ab. Einen Tisch für Kerzen, Räucherwerk und alles, was man sonst noch so für die wichtigen Rituale brauchte. Schließlich vergaßen die Menschen sogar, dass es da überhaupt eine Tür gab und dass es eigentlich um das Trinken aus einer Quelle ging. Noch später hielt man sogar die ganze Geschichte von der Quelle des Lebens, aus der man trinken könne, um das ewige Leben zu erlangen, für erfunden und belächelte diejenigen, die noch immer nach dem Gral suchten.

      Alle Glaubenssysteme konnten nur vorbereiten. Das Gerümpel beiseite räumen, die Tür in seinem eigenen Glaubensgebäude finden, entschieden hinaustreten und von der Quelle trinken, das konnte ein jeder Mensch nur alleine, wenn er dazu bereit war und sich durch nichts und niemanden mehr davon abhalten ließ.

      Mündliche Überlieferung nach Danaan Parry, spiritueller Lehrer, Atomphysiker und klinischer Psychologe, verstorben 1996.

      Vorwort

      Ich bin weder Historikerin noch in irgendeiner anderen Form qualifiziert, über einen Bibeltext zu schreiben. Ich kam ganz anders dazu: Seit mehr als einem Dutzend Jahren filze ich Schlangen und Drachen, und so verrückt das auch klingen mag, sie haben von Anfang an mit mir geredet!

      Sie schickten mich auf eine kreative innere und äußere Reise, die mich einerseits in unsere menschliche Psyche und andererseits in unsere prähistorische Geschichte eintauchen ließ und mich dabei mit der Rolle vertraut machte, die sie selbst darin spielten. Meine innere Reise inspirierte mich zu dem Buch ‚Mein Drache frisst gern Pizza‘, dem literarischen Gegenstück zu diesem Buch, das sich mit dem inneren Drachen befasst, wie man ihn wecken kann und warum man ihn überhaupt wecken sollte.

      In diesem Buch geht es um die Rolle, die Drachen und Schlangen in unserer Geschichte gespielt haben. In unseren Gesprächen erzählten sie mir nicht nur ihre Geschichte, sie behaupteten auch Dinge, die ich noch in keinem anderen Buch gefunden hatte und die so unerhört schienen, dass ich Jahre gebraucht habe, um sie zu verdauen und mich damit in die Öffentlichkeit zu wagen.

      Natürlich konnte ich diese Gespräche anfangs nicht ernst nehmen: Das war doch auch zu verrückt, dass ich innerlich mit meinen eigenen Filztieren redete! Es belustigte mich andererseits, und dort, wo es mich beunruhigte, verdrängte ich es einfach. Die Informationen sickerten auch immer nur häppchenweise in mein Bewusstsein. Erst allmählich und über die Jahre hinweg formte sich ein klares Gesamtbild, das plötzlich Sinn machte und neues Licht auf alte Überlieferungen und auf unsere ganze Geschichte warf.

      Ich selbst halte mittlerweile Drachen und Schlangen für austauschbar, sie scheinen ein- und dasselbe Phänomen zu benennen und ein Wesen zu beschreiben, das keinem anderen auf der Erde glich, aber doch irgendwie an ein Reptil erinnerte. Menschliche Kulturen weltweit erzählten von solchen Geschöpfen, angefangen bei Quetzalcoatl in Mittelamerika bis hin zum Lindwurm der Nibelungen: Da gab es ein sprechendes, intelligentes Wesen, das sah irgendwie aus wie eine geflügelte Schlange oder zumindest wie eine Echse. Die Chinesen beschreiben die äußerlichen Merkmale eines Drachen sogar als eine Mischung aus ganz vielen Tieren. Mit einem Bauch aus Schlangenhaut.

      In der christlichen Überlieferung, in der ansonsten Drachen unbedingt zu töten waren, spielte eine Schlange bei der Vertreibung aus dem Paradies eine herausragende Rolle: Die Schlange im Garten Eden verführte Eva dazu, einen Apfel vom Baum der Erkenntnis zu essen. So landete ich in den Gesprächen mit meinen Drachen schließlich auch bei der Schlange im Garten Eden.

      Mein roter Drache sah mir beim Schreiben immer aufmerksam und beratend über die Schulter und manchmal kam ich mich selbst vor wie diese Eva. Ich bin ja auch eine Frau, neugierig und angeblich leicht verführbar. Und so fragte ich mich: Was verbirgt sich hinter dieser Schlange? Und was wäre eigentlich gewesen, hätten Adam und Eva auch noch die Frucht vom zweiten Baum gegessen?

      Wenn du fest verwurzelt in deinem Glauben stehst und dein heiliges Buch wortwörtlich auslegst, solltest du mein Buch besser nicht lesen. Dann warte lieber in Ruhe auf dein Jüngstes Gericht und mache um mich und meine Drachen einen großen Bogen. Es könnte sonst deine ganze Weltsicht auf den Kopf stellen.

      Der Garten Eden in der Bibel

      Jeder kennt doch eigentlich die Geschichte vom Garten Eden aus der Bibel, oder? Nun, vielleicht doch nicht, wir werden sehen. Die Lutherbibel ist der zum Gebrauch empfohlene Bibeltext der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), an diesen Text will ich mich halten. Als klassische deutsche Bibelübersetzung ist sie nach wie vor die in Deutschland am weitesten verbreitete. Die Nummern wurden von mir entfernt und die Verse zu einem lesbaren Text zusammengefügt, ohne sie ansonsten zu verändern. Diese Zeilen lasse ich erst einmal für sich selbst sprechen.

      Aus dem Ersten Buch Mose – Genesis

      Lutherbibel, Übersetzung von 1984 (Internet)

      2. Kapitel - Das Paradies

      Es war zu der Zeit, da GOTT der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn GOTT der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte GOTT der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.

      Und GOTT der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und GOTT der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. Und GOTT der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

      Und GOTT der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

      Und GOTT der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. Und GOTT der HERR machte aus Erde all die Tiere auf dem Felde und all die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden, die um ihn wäre. Da ließ GOTT der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und GOTT der HERR baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird