Julianne Becker

Reich mir den Apfel, Eva!


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vor: Es gab diesen Garten ganz real hier auf der Erde. Die Geschichte beschreibt sogar genau den Standort mit vier Flüssen, von denen zwei als die großen Ströme Euphrat und Tigris noch heute bekannt sind. Und dieser Garten von GOTT, sein Garten Eden, ist kein natürliches Biosphärenreservat, indem die örtliche Natur sich frei entfalten kann, es ist ein botanischer Garten mit bewusst ausgesuchten Pflanzen und Tieren. Vermutlich handelt es sich sogar um Raritäten und besondere Züchtungen, also vielleicht auch um andere genetische Experimente. Denn wer Menschen erschaffen kann, kann auch Obst, Gemüse und Getreide genetisch erschaffen! Wobei der Urform genetische Eigenschaften hinzugefügt werden, so wie Monsanto das heute tut. Ist Monsanto deshalb GOTT?

      Dass der fruchtbare Halbmond aus sich heraus einfach die fruchtbaren Arten mit vergrößerten Früchten und Samen für die menschliche Ernährung hervorbrachte, ließ schon so manchen Biologen staunen, denn selbst unser Apfelbaum soll ursprünglich von dort gekommen sein. Würden sie sich auch wundern, wenn ein vorgeschichtliches Monsanto dort seinen Sitz gehabt hätte? Genetisch veränderte Arten sind schon immer aus ihren Pflanzungen ausgebüchst. Und wer weiß, vielleicht haben die aus dem Garten Eden verjagten Menschen auch ein paar Samen in ihren Taschen mitgeschleppt.

      Ein ganzes Team von menschlichen Gärtnern hatte da vermutlich jede Menge zu tun, um diesen Garten in Ordnung zu halten. Sie arbeiteten bis zum Biss in den Apfel nackt und das war für GOTT und seine Engel offenbar auch in Ordnung gewesen. Vielleicht hat es ihnen sogar den Spaziergang dort zusätzlich versüßt, wenn sie ihnen in ihrer prächtigen Nacktheit zuschauen konnten. Der Garten diente also wie alle späteren Gärten der Welt dem gesamten Hofstaat zum Lustwandeln, Erholen und Erfrischen. So sehe ich das. Und so hat es mein Drache auch behauptet. Die geschilderte Episode klingt für mich allerdings eher wie eine Szene aus dem Leben Ludwig XIV und nicht eines Gottes im Himmel. Viele Herrscher dieser Erde ließen sich Gärten nach ihrem Geschmack anlegen. Es gehörte auch einfach zu ihrem Pomp und ihrer Pracht dazu. Vor allem aber demonstrierte es ihre Macht.

      Doch wir halten auch fest: Es geht hier nicht um irgendeine geschichtliche Figur, es geht um den GOTT, der im Mittelpunkt aller drei monotheistischen Weltreligionen und all ihren Absplitterungen steht und den Millionen Menschen auch heute noch weltweit anbeten! Für ihn und für seine Gebote sind Fundamentalisten sogar bereit zu morden und totzuschlagen.

      Dieser geschilderte Vorfall im Garten Eden lieferte außerdem die zentrale Begründung dafür, patriarchale Herrschaftsstrukturen zu legitimieren und alle Menschen zu bevormunden und zu beherrschen. Begründet wird es ihnen damit, dass sie per se in Sünde geboren wurden (die Erbsünde genannt) und auf die Gnade Gottes angewiesen sind. Sie mussten in Folge bitten und hoffen und glauben, dass GOTT ihnen gnädig sei. Sie mussten sich an alle Regeln halten und hatten doch eigentlich im Staub zu kriechen zu seinen Füßen. Das betont GOTT auch noch einmal ausdrücklich in seinem letzten Satz an die Menschen bei ihrem Rauswurf: „Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“

      Für GOTT waren die Menschen nichts als Staub oder Dreck. Abgesehen davon, dass hier deutlich wird, wie wenig dieser GOTT seine erschaffenen Geschöpfe tatsächlich liebt, ist dieser Satz nur zu verstehen, wenn man den Zusammenhang zu dem zweiten Baum herstellt, denn der Rauswurf sollte ja vor allem verhindern, dass sie auch noch vom zweiten Baum essen. Das ganze Tamtam rund um Schuld und Scham ist nur ein Verwirrspiel, das die Religionen später um die Geschichte herumgesponnen haben, um davon abzulenken, dass dieser GOTT keineswegs Liebe verströmte, so wie wir uns einen Vater wünschen, sondern vor allem an Herrschaft interessiert ist und mit Furcht und Unterdrückung die Menschen lenkt. Er war eben GOTT der HERR. Was dieser zweite Baum für eine Rolle spielt, dazu kommen wir später.

      Der Fluch, den dieser GOTT über die Menschen verhängt hatte, war sehr real: Den muss man ernst nehmen. GOTT hatte eiskalt alle seine Gärtner samt Familien in der Wildnis ausgesetzt, ohne ihnen irgendetwas mit auf den Weg zu geben, wie man da überlebt. Der war offenbar sauer und es war ihm egal, was mit diesen Männern, Frauen und Kindern weiter passierte, ob sie da draußen überlebten oder nicht. Gut, ein paar Fellkleider hat er ihnen nähen lassen, da hat es ihm vielleicht schon wieder leidgetan.

      Die menschliche Neugier war geweckt

      Die Menschen hatten von dem Baum gegessen, der ihre Intelligenz und ihr Bewusstsein weckte. Jetzt musste alles getan werden, damit die Menschen auf keinen Fall auch noch so werden würden wie Gott. Genauer gelesen: „und lebe ewiglich!“ Denn mal ehrlich: Die Schlange hatte doch recht behalten, was die Frucht vom ersten Baum betraf. Eva, die sich zuerst getraut hatte, davon zu essen, war nicht daran gestorben! Und Adam auch nicht. Stattdessen wurde eine evolutionäre Entwicklung des Verstandes angestoßen, im Zuge dessen wir Menschen ein eigenes, individuelles Bewusstsein erlangt haben, eine neue Bewusstseinsstufe. Und diese Entwicklung geht bis heute weiter und ist auch noch lange nicht zu Ende. Genau die wird es den Vertriebenen dann ermöglicht haben, in der Wildnis zu überleben und die ersten Kulturen zu entwickeln.

      Wenn die Schlange also mit dem einen Baum recht hatte, musste doch auch etwas an der Geschichte mit dem anderen Baum dran sein, oder? Hast du dich nie gefragt, was passiert wäre, wenn die beiden auch noch von dem anderen Baum gegessen hätten?

      Und dann möchte ich hiermit auch noch ausdrücklich klarstellen: Es war Eva, die den Mut hatte, sich über ein einschränkendes Verbot hinwegzusetzen und der Menschheit die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis weiterzugeben, halten wir das mal fest! Eva steht hier auch für alle Frauen, die nach ihr kamen. Diese Eva hätte uns auch noch das Geschenk vom anderen Baum vererbt! Doch so muss ich kommen, viele Jahrtausende später, und euch die Frucht des anderen Baumes nachreichen: Hier ist mein Apfel. Und ich teile ihn gern (im Verlauf des Buches).

      Wir müssen mal über GOTT reden

      Als mein neuer Drache mit dieser Buch-Idee das erste Mal vorbeikam ("Lass uns doch mal über den Garten Eden schreiben."), ging es da draußen in der Welt grade auch wieder um Gotteskrieger, die sich ISIS nannten oder kurz IS. Und wie viele andere fragte ich mich, ob es da tatsächlich eine Instanz über uns gibt, die helfen, einschreiten und das Drama endlich beenden könnte. Sollte ich zu ihm beten? Ich wollte endlich Frieden auf der Welt! Und ich wünsche mir, dass alle miteinander gedeihen, Menschen, Natur und Erde. Genug ist genug! Wie lange wollte Gott da noch zusehen? Es wurde doch Zeit! Aber hatte Gott sich jemals eingemischt, und wenn er es heute täte, auf welcher Seite stände er? Oder hat er immer schon mitgespielt und wir haben es nicht bemerkt?

      Wenn ich von Frieden und Beten spreche, so nenne ich dieses Höhere Wesen 'Gott' und nicht 'GOTT', weil ich da zwei ganz unterschiedliche Instanzen wahrnehme, die beide in der Bibel auftauchen und gemischt werden. Da ist einerseits diese Quelle von allumfassender Weisheit und Liebe (Gott) und andererseits eine brutale, narzistische Herrscherpersönlichkeit (GOTT der HERR), der absoluten Gehorsam fordert und den man um Gnade anflehen muss. Vielleicht ist dir auch schon dieser krasse Unterschied aufgefallen.

      Martin Luther war ein großer Genius, der die Menschen aus einer engen und dunklen mittelalterlichen Vorstellung von Religion befreite. Luthers wichtigste These war: Jeder hat in sich selbst eine Verbindung zu Gott, er braucht keine Mittelsmänner da draußen. Luther dachte dabei an alle, die die Bibel auslegten, wie es für sie gerade günstig war, und die den Gläubigen dann das Blaue vom Himmel erzählten. Vor allem aber wetterte er gegen den Ablasshandel. Die einfachen Leute hatten bis dahin keine Chance, selbst das Buch der Bücher zu lesen. Alles wurde ihnen von der Kanzel nacherzählt. Und weil Luther wollte, dass jeder selbst das heilige Buch lesen sollte, setzte sich dieser mutige Ketzer jahrelang daran, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen. Er warf auch alle Heiligenstatuen raus aus den Gotteshäusern mit der Behauptung, alle Menschen seien bereits heilig, auch da brauche man keine Anbetung oder Vermittlung durch ganz besondere Menschen.

      In diesem Sinne fühle ich mich immer noch als evangelischer Protestant, obwohl ich aus der Kirche schon lange ausgetreten bin. Ich tat dies, weil ich Luther in diesem Punkt noch ernster genommen habe: Dass es nichts zwischen dieser liebenden Schöpfungsinstanz in meinem Inneren (Gott) und mir geben sollte. Auch kein Buch und keine netten Interpretationen von der Kanzel.

      Du merkst, wir müssen über Gott reden. Und ich will dieses