Geri Schnell

Das Team


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sind überrascht, als sie zu später Stunde noch Besuch vom Chef persönlich erhalten. Andi zieht sich ein Blaumann an und stellt sich neben Jeff. Wie vor zwei Wochen funktioniert das Team, als ob sie immer zusammengearbeitet hätten. Andi hört aus den Gesprächen der Mechaniker, dass der Besuch von Madonna einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Einen so prominenten Boxengast hatten sie bis jetzt noch nie begrüssen dürfen. Trotzdem stellt Andi erfreut fest, dass sehr intensiv gearbeitet wird. Es ist beinahe Mitternacht, als sie endlich die Boxen verlassen können. Alles ist für das morgige Training bereit.

      Am zweiten Trainingstag herrscht erneut viel Betrieb an den Boxen des Jon Franklin Racing Teams. Bob sorgt für die Unterhaltung der Gäste. Heute kann man nicht mit einer Madonna aufwarten, die hat einen Termin beim Staatschef, aber es wimmelt nur so von lokaler Prominenz. Dieser Umstand ist der argentinischen Presse zu verdanken. Die lokalen Prominenzen, lassen die international tätigen Journalisten kalt, so dass ruhiger gearbeitet werden kann, als noch am Vortag. Heute ist auch ein wichtiger Tag, es gilt sich unbedingt für das morgige Rennen zu qualifizieren. Keine leichte Aufgabe, denn die Konkurrenz ist stark und die 107%-Marke ist nicht einfach zu schaffen, da muss alles stimmen. Entsprechend gross ist die Nervosität, sowohl bei den Fahrern, wie auch bei den Mechanikern.

      Im Warm-up vom Vormittag, liegt Ted wieder mehr als 7 Prozent zurück, allerdings hatte Andi beiden Fahrern noch einmal eingeschärft, die Boliden ganz um den Kurs zu bringen. Risiken werden erst eingegangen, wenn der Startplatz kurz vor Trainingsende nicht gesichert wäre.

      Seit fünf Minuten läuft das Qualifikationstraining bereits. Die Spannung an der Box steigt, man muss darauf achten, dass die Fahrer abwechslungsweise draussen sind. Der Regisseur hat zugesichert, dass sie auf alle Fälle in die Direktübertragung kommen, einzig wenn die Ferraris und Williams draussen sind, wird es schwer werden, aber diesen Teams kann man ausweichen.

      Andi redet noch einmal mit Mick: «Bitte sei vorsichtig. Wir brauchen ein ganzes Auto. Versuche die Kurven sauber zu fahren, dann gibt es auch eine gute Zeit.»

      Der zweite Ferrari kommt eben rein, das ist das Zeichen für Mick. Langsam rollt er aus der Box. Bereits die Ausfahrt wird gross gezeigt. Andi ist zufrieden, die Aufschriften sind gut zu lesen.

      Endlich taucht er aus der Zielkurve auf und beginnt seine erste schnelle Runde. Andis Nerven sind zum Zerreissen gespannt. Er schaut auf den Monitor. Im Gegensatz zu Brasilien, kann man ihn wenigstens im Bild bewundern. Er hält sich an die Anweisungen, sauber zieht er durch die Kurven, kein Ausbrechen, wie ein Skifahrer zieht er auf der Ideallinie seine Spur. Die erste Zwischenzeit.

      «Gut!», kommentiert Andi und gibt die Zeit in den Rechner ein, «nur drei Prozent über der Bestzeit.»

      Die zweite Zwischenzeit, noch immer stimmt der Fahrplan. Jetzt hat er sich leicht verbremst, kriegt aber die Sennakurve trotzdem gut hin, das war sogar recht schnell, aber Andis Puls stieg augenblicklich an. Endlich taucht Mick in der Zielkurve auf. Das sollte bereit die Qualifikation sein, nur vier Prozent hinten, das muss einfach reichen. Der argentinische Reporter schreit vor Freude. Platz zehn, so gut wie noch nie in dieser Saison, das gibt Motivation.

      Nun ist Ted gefordert. Noch während Mick auf der Auslaufrunde ist, verlässt er die Boxen. Vor lauter Freude über die gute Runde von Mick hat Andi beinahe den Start von Ted verpasst. Das Bild der Direktsendung wechselt auf Ted.

      Ted hat immer noch grosse Probleme mit seinem Wagen. In jeder Kurve bricht er aus. Die Zeiten liegen deutlich hinter jenen von Mick. Diese Strecke liegt Ted einfach nicht. Mit einer 1:31er Zeit kommt er in die Box zurück. Das wird nicht reichen.

      Jetzt gehört die Strecke wieder den Topteams. Sieben Mechaniker kümmern sich um den Ersatzwagen. Zwei verändern an Micks Wagen die Flügelstellung, um ihn auf der Geraden noch etwas schneller werden zu lassen. Man ist bewusst mit etwas viel Flügel gestartet, um sicher durch die Kurven zu kommen. Jetzt, da der Startplatz gesichert ist, kann man etwas mehr Risiko eingehen.

      Nachdem die Topteams wieder an die Box fahren, startet Mick sofort zur nächsten Runde. Diesmal kommt er noch besser durch das Senna-S, er wird sich noch einmal verbessern. Eine Verbesserung ist notwendig, denn inzwischen ist er auf Platz 18 abgerutscht.

      Die erste Zwischenzeit erscheint auf dem Monitor. Zwei Zehntelsekunden schneller, das müsste für Platz 12 reichen. Die zweite Zeit ist immer noch gut. Die Spannung legt sich etwas. Aber noch ist er nicht durch die Zielkurve. Alle schauen gespannt nach links, wo er nächstens auftauchen müsste. Da ist er auch schon, sauber zieht er durch und beschleunigt. Die Zeit, 1:27,942, leider nur Platz 13, aber immerhin, damit ist man für heute zufrieden.

      Jetzt gilt die Aufmerksamkeit von Andi vor allem Ted. Ab Rundenmitte ist das Fernsehen auf Ted aufmerksam geworden. So kann das Team am Bildschirm verfolgen, wie Ted unterwegs ist.

      Andi flucht und haut mit der Faust auf den Tisch, dass sein Becher umfällt. Wieder hat es Ted quergestellt. Jetzt ist Andi etwas abgelenkt. Er muss den Kaffee aufwischen. Das Manöver von Ted veranlasst wenigstens das Fernsehen die Schlenker mehrmals in Zeitlupe zu zeigen. Aber die Zeit reicht natürlich nicht für eine Qualifikation. Jetzt wird es langsam eng.

      Mick geht nochmals raus, als die Topteams in der Box sind. Es gelingt ihm nur eine unwesentliche Verbesserung. Inzwischen ist er auf den 14. Platz abgerutscht. Nicht so schlimm, beim Rennen ist er dabei und dass ein Mercedes hinter ihm liegt, zeigt, dass auch Topteams mit der Strecke Probleme haben.

      Jetzt ist Ted bereit für seinen vorletzten Versuch. Die Mechaniker haben den Frontflügel etwas steiler eingestellt, so müsste er mehr Bodenhaftung haben. Andi geht zu im hin und redet ihm gut zu. «Versuche eine saubere Runde zu fahren, ohne jedes Risiko, aber alles auf der Ideallinie. – Mach‘s gut!»

      Andi klopft ihm noch freundschaftlich auf den Helm, dann fährt Ted los. Die Hände von Andi sind nass vor Schweiss, er hat wirklich einen aufregenden Job. Gespannt schaut er auf den Monitor, aber dort ist nur Frentzen zu sehen, man kann nicht mehr warten, bis die Topteams in der Box sind, die Zeit drängt.

      Endlich taucht Ted in der Zielkurve auf. Diesmal erwischt er sie gut und beschleunigt schön heraus. Die Spitzengeschwindigkeit ist nicht ganz so hoch wie bei Mick. Bei der ersten Zwischenzeit liegt er zwei Zehntelsekunde zurück. Damit hat er sich deutlich gesteigert. Nur noch das Senna-S und die Zielkurve. Jetzt ist er wieder in der Direktübertragung. Andi stellt fest, dass er diesmal eine saubere Linie hält. Andi hat sich die Zeit notiert, welche unterboten werden muss. Gefährlich nähert sich die laufende Zeit der 1:30. Andi wagt nicht mehr hinzusehen, Wieder nichts, denkt er! Doch dann die Erleichterung, 1:30,276, elf Hundertstel unter der 107%-Marke. Geschafft, jetzt kann man nur noch hoffen, dass Villeneuve seine Zeit nicht tiefer drücken. Noch fünf Minuten sind zu überstehen.

      Dann endlich die karierte Flagge. Platz 14. für Mick und Ted als 24. und letzter im Fahrerfeld, nur elf Hundertstel Luft nach hinten, die Erlösung! Es ist geschafft, beide Franklins sind morgen am Start. Das Team fällt sich in die Arme, jeder küsst jeden. Dixi wird fast erdrückt. Andi ist erschöpft, eine solche Anspannung hat er noch nie erlebt, da waren die Prüfungen an der Uni richtig langweilig. Endlich spukt der Computer die definitive Schlussrangliste aus. Es ist tatsächlich geschafft, beide Wagen im Starterfeld. Mick in der siebten Reihe und Ted als letzter.

      Drei Minuten nach Trainingsende läutet das Telefon. «Gratuliere, zwölf Minuten und dreizehn Sekunden auf dem Bildschirm der Direktübertragung. Das hat Jon nie geschafft», stellt der Manager von Bausch und Lomb fest, «wir zahlen noch 200’000 Dollar extra! Aber verlängern werden wir den Vertrag trotzdem nicht, die Formel-1 bringt in Amerika einfach nicht genügend Leute vor den Fernseher. Aber mit dieser Bildschirmpräsenz werden sich weitere Sponsoren finden. Ich gratuliere, für einen Neuling nicht schlecht.»

      Dixi lässt im Auftrag von Andi ein kaltes Buffet auffahren. Die Leute vom Team können herzhaft zugreifen. Jeder fühlt sich als kleiner Sieger. Andi schüttelt jedem einzeln die Hand und die vier Models verteilen grosszügig Küsschen. Die Stimmung ist ausgezeichnet.

      Eine Stunde später erhebt Andi sein Glas, er prostet dem ganzen Team zu und hält eine kleine Rede: «Ich möchte mich bei jedem einzelnen für den grossen Einsatz, der die letzten drei Tage geleistet wurde, bedanken.