Arnulf Meyer-Piening

Ein rabenschwarzer Tag


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die Karten.

      Klaus mischte lang und sorgfältig, denn er wollte, dass das Kartenglück nicht beeinträchtigt wird oder ihn jemand der Manipulation bezichtigte.

      - Neulich in Köln soll sich mal einer tot gemischt haben, sagte Anton.

      - Hab ich auch gehört.

      Mit großer Entschlossenheit knallte er die Karten vor seinem rechten Nachbarn auf den Tisch. Vorschriftsmäßig hob dieser die obersten paar Karten ab. Klaus verteilte sie auf die Spieler: Drei, vier drei und zum Schluss der Skat.

      Nach reiflicher Prüfung hatte jeder Spieler seine Karten nach Farben geordnet und auf ihren Spielwert geprüft.

      - Ich höre, sagte Anton und blickte seinen Mitspieler in die Augen, als ob nun das Unerhörte zur Sprache käme.

      - 18, 20, 2, 3, 4, 7, 30, sagte er.

      - Weg sagte Hinrich.

      - Wer bietet mehr?

      - Passe!

      Die Herren sogen noch einmal genüsslich an ihren Zigarren und bliesen den Rauch zur Decke. Herrmann beobachtete seine Mitspieler aufmerksam, als wolle er ihre Gedanken lesen, aber sie blickten ohne sichtbare Regung auf ihr Spiel. Er nahm noch einen Schluck Wein, um seine Sinne zu beflügeln oder sich zu entspannen und den Abend unter Freunden zu genießen.

      Klaus gewann sein Spiel haushoch.

      - Das Spiel hätte meine Oma auch gewonnen, sagte Hinrich.

      - Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln.

      - Und das musst gerade du sagen.

      Hermann notierte das Ergebnis.

      Beim nächsten Spiel war er mit von der Partie und erhielt das Spiel bei 23.

      - Wie heißt denn dein schlechtes Spiel?, fragte Hinrich.

      - Null, sagte er mit Überzeugung. Die Schauspielkunst war ihm nicht fremd.

      - Contra, sagte Anton in der Annahme, dass Hermann sein Spiel verlieren würde, und die Minus-Punkte doppelt zählten, was auch geschah.

      - Ein kluger Bauherr baut zuerst den Keller, sagte er mit gleichmütigem Gesichtsausdruck. Gut Spiel kommt wieder!

      Weitere Spiele folgten in kurzer Zeit. Schließlich verlor Hermann noch weitere Spiele und addierte Gewinne und Verluste für jeden Spieler, machte einen dicken Strich unter die Rechnung, wobei er theatralisch sein überdimensionales Lineal bemühte. Zum Schluss stellte er den Spielstand zusammen und erhob sich.

      - Meine Freunde, für heute muss ich mich leider von euch verabschieden, denn ich habe noch eine Verabredung, bei der ich nicht zu spät kommen darf. Johann soll alles auf meine Rechnung setzen. Damit verließ den Raum durch den Hintereingang.

      Als die Skat-Brüder unter sich waren, begannen sie mit etwas gedämpfter Stimme das Resümee des Abends zu ziehen. Was sie allerdings nicht wussten oder beachteten, war, dass man am Nebentisch über eine Schallbrücke im Gewölbe fast jedes Wort mithören konnte.

      - Was Hermann wohl so eilig nach Hause drängt?, erkundigte sich Klaus. Seine Frau kann’s wohl nicht sein, die soll ihn nämlich vor einiger Zeit verlassen haben. Sie wohnt jetzt allein in seinem Sommerhaus in Worpswede.

      - Ach, deshalb habe ich sie schon so lange nicht mehr im Konzert gesehen.

      - Er scheint jetzt mit seiner Sekretärin enger verbandelt zu sein. Sie ist oft an seiner Seite zu sehen.

      - Das kann man ja auch verstehen, sie ist wirklich sehr attraktiv und seine Alte ist ein rechter Besen. Ich wundere mich, dass er sie so lange ertragen hat. Ich hätte sie schon viel früher verlassen. Es ist ja nicht nur, dass sie in den letzten Jahren so unmäßig auseinander gegangen ist, es ist viel mehr, dass sie so indiskret ist. Oft ist es mir richtig peinlich, wenn man hört, was sie so alles an Interna aus seinem beruflichen Umfeld ausplaudert.

      - Ich glaube, auch wir sollten jetzt gehen, sagte Frau Wohlgemuth, die alles mitgehört hatte. Kommissar Degenhardt bat um die Rechnung, zahlte und sie verließen das Lokal, ebenfalls durch den Hintereingang, denn der vordere Eingang war zu dieser späten Stunde bereits geschlossen.

      - Es ist jetzt kurz nach elf, sagte er. Ich bringe Sie noch die paar Schritte zu Ihrem Hotel, das hier gleich um die Ecke liegt. Sie hakte sich vertraulich bei ihm unter und sie gingen durch die Böttcherstraße. Am Hotel-Empfang verabschiedete er sich von ihr und wünschte ihr für den morgigen Konzertabend viel Erfolg.

      - Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.

      - Das würde mich freuen. Wie wäre es wenn wir uns Samstag zu einem Stadtbummel träfen?

      - Sehr gern.

      - Wenn Sie Lust haben, dann rufen Sie mich an. Hier ist meine Karte mit Telefonnummer im Büro und privat.

      - Vielen Dank für den anregenden Abend, Herr Kommissar.

      - Lassen Sie doch bitte diese förmliche Anrede und nennen sie mich einfach Martin.

      - Gern, dann bin ich Silke und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Backe. Bis morgen, ich freue mich.

      - Gute Nacht.

      Er ging die Böttcherstraße hinunter zur Martinistraße, überquerte die Weser über die große Weserbrücke und wandte sich nach rechts zur Herrlichkeit zwischen den beiden Weserarmen. Unwillkürlich musste er bei diesen Namen an die Frau denken, die die letzten Stunden seine Begleiterin war. Das war wirklich ein herrliches Weib, bestimmt hätte Richard Wagner ihr zu Füßen gelegen und eine Arie extra für sie komponiert. Und er?

      Er hätte sie gern in den Arm genommen, aber das wäre für einen Kriminalkommissar in seiner Heimatstadt unpassend gewesen, vielleicht ein andermal, wenn sie sich besser kennengelernt hätten, so ging er die paar Schritte zu seinem Apartmenthaus, nahm den Fahrstuhl in den dritten Stock und streichelte seine Katze, die ihn kläglich miauend begrüßte. Nachdem er ihr etwas zum Fressen gegeben hatte, schnurrte sie behaglich auf seinem Schoß. Sie war die einzige, die auf ihn wartete, seitdem ihn seine Frau vor ein paar Jahren verlassen hatte. Vielleicht hätte er Silke fragen sollen, ob sie nicht am Wochenende zu ihm kommen wollte. Nein, das wäre zu aufdringlich gewesen. Außerdem würde er sie am nächsten Tag im Konzert sehen, dann könnte er sie ja immer noch fragen.

      Er nahm behutsam seine Katze und setzte sich auf den Balkon, denn es hatte aufgehört zu regnen. Sein Blick fiel auf die Altstadt, die von den Domtürmen sicher bewacht wurde. Er liebte diesen Blick auf seine Stadt, denn von hier aus hatte er alles im Griff, bildete er sich wenigstens ein. In der Stadt schien ihm alles still und wohlgeordnet zu sein. Kein Lärm, kein Streit, nur wenige Menschen auf der Straße, kein Hasten und Jagen. Nur von den Domtürmen hörte er zwölf Glockenschläge, die den neuen Tag einläuteten. Alles lag im tiefen Schlaf. Aber das täuschte. Einige Straßenbahnen fuhren über die Große Weserbrücke, vereinzelte Fußgänger schlenderten am gegenüberliegenden Tieferufer.

      Schließlich löste er sich von dem Anblick, ließ die Rollladen herunter und fiel todmüde ins Bett. Ein letzter Gedanke: Ob Silke jetzt auch an ihn dachte? Er wollte es gern glauben und schlief in dieser Zuversicht ein.

      Aber er hatte einen schrecklichen Traum, in dem jemand, den er nicht kannte, ermordet wurde. Er war erschossen worden. Man hatte seine Leiche in der Weser direkt vor seiner Wohnung gefunden. Er sprang aus dem Bett, blickte angestrengt aus dem Fenster, aber alles war in tiefer Ruhe gehüllt. Der Nieselregen hatte wieder eingesetzt. Die Uhr zeigte auf viertel nach sechs. Zu dieser Jahreszeit war es noch dunkel. So kehrte er wieder ins Bett zurück. Am liebsten wäre er den ganzen Tag im Haus geblieben und hätte die Sportschau gesehen. Das langweilige Zeug im Büro könnte auf ihn warten, wenn es nicht bis dahin ein anderer für ihn erledigt hätte.

      Der Tote im Swimmingpool

      Wie gewohnt, ging er pünktlich um neun Uhr in sein Büro im ersten Stock des historischen Polizeigebäudes, das einer trutzigen Festung glich. Gleichsam