Steffen Digeser

Chicago - L.A.


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in, we had just a little problem in the basement“. Just in dem Moment als sie diese beschlichtenden Worte sprach, kamen aus dem besagten Basement zwei mit vollem Atemschutz ausgerüstete, schwer nach Luft schnappende Feuerwehrmänner herauf. Von der anderen Seite hatte sich eine mit kurzem, sehr engen Minikleid und Pumps bekleidete Dame die elf Stockwerke über die Feuertreppe heruntergearbeitet und begrüßte die Empfangsdame mit den Worten: „The fucking hotelroom is full of smoke and the fucking elevator do not work“. Diese zwei Begebenheiten ließen uns nochmals nachfragen, ob denn alles so seine Richtigkeit habe. Die Reizschwelle der Empfangsdame war fast erreicht, deshalb antwortete sie nur mit einem kurzen aber kräftigen: „Everything is fine“. Und nun passierte das, was ich bis heute noch nicht begreifen kann. Mandy, eine Freundin die mit uns unterwegs war, fragte beim Einchecken mit ernstem Ton: „Is it possible to get a non-smoking room?“ Was zugegebener Maßen beim Check-In in ein Hotel eine legitime Frage ist. In dieser speziellen Situation brachte diese Frage die Drähte im Gehirn der, ich kann schon sagen, sehr erregten Person zum Durchbrennen und sie schrie uns an: „We only have non-smoking rooms and we do not have any problems.“ Das hatten wir jetzt verstanden. Das anschließende Einchecken erfolgte wortlos und wir konnten unseren non-smoking room beziehen. Seit dieser Begebenheit hatte ich nie mehr die Gelegenheit, die tollen fire fighter trucks so nah zu erleben und auch nicht eine Hotelangestellte so schreien zu hören.

      Nun bin ich aber ganz schön abgeschweift. Joe und ich hatten eigentlich in den ersten zwei Wochen dringende Aufgaben zu erledigen. Da waren zum einen die schon erwähnten Motorräder zu suchen und zu kaufen, und zum anderen natürlich den richtigen Straßenkreuzer für unseren bevorstehenden Road Trip zu organisieren. Mit allem was dazugehört an Versicherung und Zulassungs-Paper-Work. Da wir bei der Ankunft unseres dritten Mannes sofort gen Westen aufbrechen wollten, blieb uns deshalb in dieser Phase kaum Zeit die Schönheit der Stadt zu genießen. Um nicht doch von den Versuchungen der Stadt abgelenkt zu werden, verlagerten wir den Kommandostand nach Rock Island, etwa zweieinhalb Autostunden westlich von Chicago. Hier in dieser gottverlassenen Stadt wohnten Joes Onkel und Tante. Das hatte den ungeheuren Vorteil, dass wir eine feste Adresse in den USA angeben konnten, ohne die eine Zulassung eines PKWs nicht möglich war. Auf der anderen Seite wollten wir der Verwandtschaft nicht allzu sehr auf die Pelle rücken. Deshalb mieteten wir uns in einem kleinen, heruntergekommenen Motel ein. Hier studierten wir die überall ausliegenden Anzeigeblätter für gebrauchte Fahrzeuge.

      Wir mussten nicht lange suchen und fanden bald eine interessante Annonce für eine Kawa Z900.

      Chicago erleben

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      Nach einem kurzen Telefonat mit Sally machten wir uns auf den Weg in einen Chicagoer Vorort. Je näher wir der Adresse kamen, umso verwahrloster wurde die Gegend, bis wir schließlich mitten in einem Schwarzen-Ghetto landeten. Es stellte sich heraus, dass Sally die Bewährungshelferin eines Häftlings war. In dessen Auftrag sollte sie die Maschine verkaufen, um Geld für die Bewährungskaution aufzutreiben. Sie führte uns hinter das Haus zu einem alten Schuppen. Die Kawa Z900 stand versifft und verrostet in einer Ecke. Bei der ersten Untersuchung stellten wir fest, dass die Auspuff-Endtöpfe fehlten, der Kupplungszug gerissen und die Batterie defekt war. Das sollte uns von einer Probefahrt jedoch nicht abhalten. Also setzte ich mich auf die „Z“, Joe schob mich an, ich riss ohne Kupplung den zweiten Gang rein, der Motor schluckte kurz, dann aber zündete er mit so einem mächtigen Brüller, dass mir die Ohren klingelten. Gleich darauf schob die Maschine nach vorne und man vernahm den unnachahmlichen Sound einer Vierzylinder Kawa und das ohne Auspuff. Einfach nur geil. Ich fuhr die nicht asphaltierte Hinterhofstraße hinauf; Beim Zwischengas für den dritten Gang bollerten einige Fehlzündungen, die von langen Stichflammen aus den Auspuffkrümmern begleitet wurden. Ein paar Jugendliche die das Treiben beobachteten, warfen die Hände in die Höhe und riefen: „This guy drive all the shit out oft the engine“. Der Kübel lief und war billig. So gaben wir Sally das Geld und vereinbarten, dass wir die Kawa abholen sobald ein Unterstellplatz gefunden war.

      Es dauerte einige Zeit bis wir den Inder, Besitzer unseres verwanzten Billigmotels überzeugt hatten, unsere neue Errungenschaft so lange in seiner Garage zu lagern, bis sie vom Spediteur abgeholt werden sollte. Deshalb waren wir erst wieder am späten Nachmittag in der bekannten Gegend. Nun war jedoch die Euphorie des Vormittags verflogen und wir registrierten erst jetzt in welches bad neighborhood wir uns hier vorwagten. Der Schuppen war schnell wiedergefunden. Wir versuchten den Motor erneut zum Leben zu erwecken, was uns dieses Mal jedoch nicht gelang. Wir schraubten und schoben und fluchten. Dieses Treiben blieb in der Gegend nicht unbemerkt und so sammelten sich nach und nach Zuschauer, die uns interessiert aber auch misstrauisch beobachteten. Wir waren mit unserer Maschine beschäftigt und bemerkten deshalb erst spät, dass sich ein doch erheblicher Menschenauflauf vor dem Schuppen angesammelt hatte. Dann plötzlich hörten wir das dumpfe Brabbeln eines mächtigen V8 Aggregats. Die Zuschauer traten zur Seite und in der engen Hinterhofstraße stand ein 71er Chrysler Newport Coupé. Es war der großvolumige 6,3 Liter Motor der sein Auftauchen ankündigte. Das war eigentlich unser Traumwagen aber in dieser Situation eher ein Albtraum, denn bei diesem Exemplar fehlte die Frontscheibe und auf der breiten vorderen Sitzbank saßen, nein thronten, drei sehr kräftige schwarze Jungs mit verchromten Schneidezähnen und Halsketten so dick wie Abschleppseile. Aus den Boxen des Dreitürers wummerte ein Bass, der die Spiegel unserer Kawa zum Zittern brachte.

      Das ist der Zeitpunkt, bei dem sich die Löwen normalerweise zurückziehen und die Beute den Hyänen überlassen. Doch hier kam uns die menschliche Evolution oder schlicht die Kreativität von Joe zu Hilfe. Er zog den hinteren Haltegurt unseres Leihwagens soweit es ging aus dem Abrollmechanismus heraus, klemmte ihn zwischen Tür und Rahmen ein, sodass eine Schlaufe aus der Hecktür heraushing. Ich sprang auf die Kawa hielt mich am Gurt fest, und schon setzten wir uns in Bewegung.

      Nun muss ich erwähnen, dass der Eisenhaufen auf dem ich saß schlappe 250 Kilogramm wog und mir der Arm langezogen wurde. Aber das fällt ja in die Kategorie Weichei.

      Als unsere Beobachter die Abschleppaktion sahen, schlug ihre feindselige Einstellung plötzlich in Überraschung und zum Schluss in sowas wie Begeisterung um. Das ging so weit, dass einige Ghetto-Kids am Straßenrand eine Art afrikanischen Freudentanz aufführten und uns zujubelten.

      Wir brachten die Kawa in die besagte Garage des Inders und waren froh, heil aus der Sache herausgekommen zu sein. Der Kauf der zweiten Maschine war weniger spektakulär, denn wir fanden ein schönes Teil etwas östlich von Chicago, im Bundesstaat Indiana. Die Gegend war sauber mit gepflegten Vorgärten und schönen weißen Einfamilienhäusern. Vor einem dieser Häuser erwartete uns der etwa fünfzigjährige Verkäufer. Die alte „Z“ stand im Garten und war sehr gepflegt, hatte aber zu unserem Leidwesen eine riesige Plastik-Frontverkleidung mit einer noch größeren Scheibe darüber. Wir erklärten, dass die Maschine O.K. sei aber die Verkleidung könnten wir nicht gebrauchen. Das hässliche Teil beleidigte das Auge. Der Besitzer war aber gerade auf diese Stolz, da man ja so den Fahrtwind und die Mücken nicht immer ins Gesicht bekommt. Daraufhin versuchten wir ihm klar zu machen, dass man in Deutschland sowieso mit Helm fahren muss und sich somit das Problem gar nicht erst stellt. Nun war der gute Mann ganz von den Socken. Immer mit Helm? Das kann doch nicht sein, was ist das für ein komisches Land? Man kann doch mit Helm gar nicht richtig Motorrad fahren und außerdem macht das dann gar keinen Spaß.

      Wir kauften schließlich das Motorrad mitsamt der Plastik-Mütze.

      Bei einem Gebrauchtteile-Händler fanden wir für unsere erste Maschine die begehrte 4 in 4 Auspuffanlage und für die zweite Z900 den original Frontscheinwerfer, der nach Demontage des Plastikfurunkels fehlte. Die Zubehör-Verkleidung wollten wir dem Händler in Zahlung geben, doch der hatte dafür nichts als ein breites Grinsen übrig, denn dieses hässliche Ding würde nur seinen Müllcontainer zum Überlaufen bringen. Nun hatten wir jedoch noch ein Ass im Ärmel oder besser gesagt ein Stereo-Kassettenradio in der Frontverkleidung. Der Deal lautete dann also: Mr. Wertstoffhändler schmeißt für uns den Plastik-Eimer weg und bekommt dafür das dort eingebaute Radio. Hand drauf. Diese blaue Kawa Z900 wurde nach Bereinigung der Frontpartie zusammen mit der Abgasanlage in die Garage gestellt.

      Es war der 29.08.1992.