Martin Schlobies

Galvans Onkel


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anders und wir verstanden nicht, was denn nun eigentlich anders war. Es war nicht möglich, zu sagen, was. Wir waren auf eine unerklärliche Art und Weise angestrengt. Um nur irgendetwas zu sagen, sagte ich leise:

      "Was tut sich da draußen? Gott bewahre uns, kommt etwa ein noch schlimmeres Unwetter?"

      Kurz danach hörten wir eine Tür gehen, ich blickte auf und sah wie Edmund sein Gesicht einer Tür im hinteren Bereich des Salons zuwandte. Und ich war kurz davor zu sagen:

      "Wo bleibt sie denn?" Aber wer, fragte ich mich? Wer hätte denn kommen können?

      Jetzt hörten wir es kratzen, die Tür öffnete sich einen Spalt, ein kleiner alter Hund schoß hervor und lief jemandem entgegen. - Ich habe es gesehen! Er lief jemandem entgegen, der nicht kam! Ich spürte auch merkwürdigerweise, daß es eine Frau war. Für den Hund war sie gekommen. Auch Edmund schien den Eindruck zu haben, daß der Hund jemandem entgegenlief.

      Zweimal blieb der kleine Hund stehen und blickte sich nach uns um, als ob er uns etwas fragen wollte. Dann raste er auf diese Frau, - die nicht zu sehen war, - zu, so, wie er es anscheinend immer getan hatte, und erreichte sie; er begann, rund herum zu springen, - um etwas, was nicht da war, - und dann hinauf an ihr, vielleicht um sie zu lecken.

      Wir hörten ihn winseln vor Freude, und wie er so in die Höhe schnellte, mehrmals rasch hinter-einander, hätte man wirklich meinen können, er verdecke sie uns mit seinen Sprüngen.

      Auf einmal heulte er auf, drehte sich von seinem eigenen Schwunge in der Luft um und stürzte, merkwürdig ungeschickt, lag ganz flach da und rührte sich nicht mehr.

      Eine Tür an der anderen Seite des Salons wurde jetzt geöffnet. Die Hausdame erschien, den Brief in der Hand, den wir ihr übergeben hatten. Sie zögerte; offenbar war es nicht ganz leicht, auf unsere Gesichter zuzugehen.

      Sie sagte etwas zu dem Tier, etwas Kurzes, Einsilbiges. Der Hund erhob sich zögernd, und mit eingekniffenem Schwanz schlich er aus dem Raum, offenbar wußte er genau, wohin er zu gehen hatte.

      Die Hausdame fragte uns, wo wir den Brief herhätten. Wir berichteten ihr von der jungen Frau, der Anhalterin, die ihn uns gegeben hatte. Die Hausdame sah uns sehr seltsam an, und schüttelte mehrmals den Kopf. Sie blickte zu meinem Freund Edmund, dann zu mir, dann wieder zu Edmund, sah mehrmals auf den Brief in ihrer Hand, und nickte endlich, wie in Gedanken.

      Schließlich sagte sie:

      "Der Brief ist von der Tochter der Condessa. Die Schrift läßt keinen Zweifel zu! Und sehen Sie hier," und damit deutete sie auf den Kaminsims, wo mehrere Briefe aufeinander lagen, "das alles sind Briefe von ihr, die wir ab und zu erhalten, und immer auf diese Art, wie von Ihnen!"

      Wir fragten uns, was daran wohl so merkwürdig wäre und wollten gerade unsere Verwunderung darüber aussprechen, daß sie uns diese Einzelheiten berichtete, als sie uns eröffnete:

      "Die Tochter der Condessa ist tot! Sie ist vor acht Jahren bei einem Autounfall in der Nähe von Sines ums Leben gekommen, genau an der Stelle, wo Sie diese junge Frau, diese Anhalterin, mitgenommen haben."

      Wir erfuhren, daß im Kastell ein Hotelbetrieb war und da es spät in der Nacht war, beschlossen wir zu bleiben, gingen zurück zum Wagen und holten unser Gepäck.

      "Warum seid ihr so lange fortgeblieben und warum seid ihr so blaß?", fragte Michelle mit ungnädiger Stimme. Edmund murmelte etwas Unverständliches, was wohl eine Erklärung sein sollte.

      Ich habe nie Ahnungen, jedenfalls hatte ich bisher nie welche gehabt, doch als ich mein Gepäck aus dem Wagen nahm, überfiel mich ein unheimliches Gefühl, etwas legte sich auf mich, eine Beklemmung.

      "Bitte, laß uns woanders ein Quartier suchen!", bat ich Edmund.

      "Warum, du bist verrückt, hier ist es wunderbar, bequem, romantisch."

      "Ich bin nicht verrückt, aber ich habe das Gefühl, ich könnte es hier werden."

      "Es ist schon so spät," erwiderte Edmund, "wie willst du da ein besseres Hotel finden?"

      Und Michelle maulte:

      "Ich will ins Bett, ich fahre keinen Kilometer mehr ..." Schließlich gab ich nach.

       3. Kapitel

      Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, schienen die düsteren Erlebnisse der Nacht vergessen. Ich stand auf, öffnete eines der beiden Fenster meines Zimmers und das Fliegengitter davor. Es war herrliches klares Wetter. Unten, im hellen Innenhof des Kastells ruhten ein älteres Ehepaar und ein Mädchen auf Liegestühlen, offenbar Gäste des Hotels.

      Das junge Mädchen hob neugierig den Kopf, als sie mich am Fenster erblickte. Ihre Lippen bewegten sich zu einem unhörbaren: "Bon jour!" mit dem sie mich begrüßte. Es trug einen Badeanzug, hatte schwarze lockige Haare, war vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, und hatte offenkundig Langeweile.

      Auf der anderen Seite des Hofes lagen ebenfalls auf Liegestühlen zwei Frauen, von denen ich aber hier, von meinem Fenster aus, nur die Füße und die Beine bis zu den Oberschenkeln sehen konnte. Die eine der beiden drehte sich jetzt und ich sah einen schweren Rücken. Vielleicht waren es eine Mutter mit ihrer Tochter.

      Das junge Mädchen drehte sich noch einmal hoch und wagte kurze Blicke voller Neugier. Doch der Wind schob jetzt die grüne Gaze des Fliegengitters an meinem Fenster vor die suchenden Augen von unten.

      Ich duschte, rasierte mich, zog mich an und begann, meine Reisetasche auszupacken, in dem Moment kam Edmund in mein Zimmer.

      "Komm!", sagte er, nachdem wir uns begrüßt hatten, "Komm, hilf mir, das Auto auszuräumen!"

      Kaum war Edmund wach, hatte er schon eine Beschäftigung - für sich selbst, aber auch für mich. Im Auto waren nur noch wenige Dinge, aber es hätte Edmunds Freude an den Ferien sehr geschmälert, wenn sie im Wagen verblieben wären. Der mußte leer sein, frisch aufgetankt, Ölstand und Wasser nachgesehen, bereit stehen für neue Taten!

      Das erste Mal ging Edmund allein und kam beladen mit Strickjacken, Karten und Mützen zurück. Das zweite Mal mußte ich mit.

      "Es ist so heiß!", maulte ich. Ich hätte es vorgezogen, im Innenhof des Kastells auf einem der bequemen Liegestühle zu sitzen, zu dösen, in den Himmel zu starren und nichts zu tun.

      "Heiß?", fragte Edmund in bester Laune, "Prächtiges Wetter!" Er ging zum Fenster, als hätte er dort ein Thermometer entdeckt.

      "Wie sollte es nicht heiß sein? Es sind mindestens 33 Grad!" Er sah hoch zur Sonne, als könne er am Sonnenstand die geographische Position feststellen,

      "Schließlich befinden wir uns auf 38 Grad nördlicher Breite und 11 Grad westlicher Länge!" Ziemlich lustlos trottete ich hinter Edmund her.

      Es konnte eigentlich nichts mehr in dem Auto sein, als zerknülltes Papier, Taschentücher und Edmunds Feldstecher. Doch wir fanden noch die Thermoskanne mit Kaffee, schmutzige Tassen, und allerlei Kleinigkeiten, wie sie Frauen gern vergessen, Schals und Hüte, Michelles Klappkoffer für ihre feinen Kleider und meinen Schirm.

      Edmund warf noch einen Blick auf seinen Wagen,

      "Sollte ich ihn nicht waschen lassen? Er ist furchtbar schmutzig!" Edmund mußte als Repräsentant von Citroen natürlich immer die neuesten Modelle fahren, und es war so etwas, wie der Firma ein Schnippchen zu schlagen, wenn er in den Ferien seinen alten Wagen fuhr, diesen alten 'Gangster - Citroen', zudem war er sehr geräumig und bequem. Edmund hätschelte ihn, als ob es ein lebendiges Wesen wäre, ein treues edles Pferd. Michelle dagegen haßte das alte Auto.

      Wir schleppten nun alles in das Kastell, und so beladen begegneten wir Michelle.

      "Paß auf, daß du meine Kleider nicht wieder zerknitterst und zerdrückst!", rief sie Edmund zu. Der stand, beladen wie ein Packesel, und konnte sich nicht wehren. Michelle, Edmunds Frau, war klein, rundlich und rührte sich nie, - behauptete jedenfalls seine Mutter.

      Endlich war wirklich alles ausgeräumt und nach oben getragen, und ich stand mit Edmund