Edgar Sigmanek

Sally - Magierin wider Willen


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Mal. Dann, als sie geendet hatte, erhob sich Belonia und wandte sich an ihre Begleiterinnen.

      “Schnell, sucht die Gefährten von Sally, damit ihnen nichts geschieht und bringt sie unversehrt hierher, ich werde mich in der Zwischenzeit um Sally kümmern und versuchen, sie von diesem Bann zu befreien.”

      Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehten sich ihre Begleiterinnen um und verließen den Stalagmitenpalast, um Schnurz und Ziofotta zu suchen.

      Dann wandte sie sich zu Sally um und sagte:

      “Komm Sally, folge mir. Wir haben nicht sehr viel Zeit, um dich von diesem Bann zu befreien. Ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist.”

      Sie verschwand nebenan und Sally folgte ihr gehorsam. Sie fand sich in einem Raum wieder, der schlicht eingerichtet war. Keine Verzierungen an der Wand, keine Bilder, Tische oder Stühle. Nur auf dem Boden, in der Mitte des Raumes, waren sonderbare Zeichen zu sehen, die in einem großen Kreis angeordnet waren.

      “Lege dich in diesen Kreis und schließe die Augen.” sagte Belonia zu Sally. “Denke an etwas schönes, was dir Freude macht.”

      Sally tat, wie ihr geheißen. Als sie auf dem Boden lag, begann Belonia leise zu singen, in fremdartigen rhythmischen Tonfolgen, immer lauter werdend. Ihre Worte nahmen beschwörenden Charakter an. Sally spürte, wie eine Wärme vom Erdboden ausging und sich in ihrem Körper auszubreiten begann. Sie spürte auch, wie sich diese Wärme in ihrem betroffenen Arm auszubreiten versuchte. In kleinen Schüben drang die wohlige Wärme immer weiter vor, doch plötzlich kam sie zum Stillstand, verharrte einige Augenblicke und wurde dann durch die innere Kälte wieder zurückgedrängt.

      Sofort verblassten die Gedanken, denen sich Sally hingegeben hatte. Sie spielte in ihrem Garten, schaukelte dort auf der Schaukel, die ihr Vater eigenhändig für sie gebaut hatte und beobachtete, wie eine Katze vergeblich versuchte, einen Vogel zu fangen, der sich in der Nähe auf einem Ast niedergelassen hatte und einen wunderschönen Gesang startete.

      Als sie die Augen öffnete, blickte sie in das traurige Gesicht Belonias. Tränen rannen aus ihren Augen und sie erblickte eine Spur von Hoffnungslosigkeit. “Es ist zu spät, seine Macht ist schon zu groß über dich geworden. Meine Kraft reicht nicht aus, ihn aus dir zu vertreiben. Ich fürchte, er wird schon bald über dich gebieten.”

      Bei den letzten Worten war es Belonia unmöglich, Sally länger anzuschauen. Sie hatte ihr Möglichstes versucht, war bis an die Grenzen ihrer Kraft gegangen, musste dann aber doch aufgeben, um nicht selbst verzehrt zu werden.

      Trotz machte sich nun in Sally breit.

      “Ich bin nicht bereit, mich diesem Herrscher der Unterwelt kampflos zu ergeben. Schon einmal habe ich es geschafft, ihm zu entkommen.”

      Eine Idee keimte in Sally auf.

      “Bitte Belonia, versuch es noch einmal, ich werde versuchen, dich diesmal zu unterstützen, vielleicht schaffen wir es gemeinsam.”

      Fragend blickte Belonia sie an, nickte dann aber traurig und setzte erneut zu singen an. Sally aber streckte ihre noch gesunde Hand zum Kristall aus und umschloss ihn fest. Schon spürte sie seine Wärme. Sie konzentrierte sich fest auf den Kristall, im Unterbewusstsein immer dem Rhythmus Belonias folgend. Sally merkte, wie sich die Wärme nun viel schneller auszubreiten begann. Schon spürte sie den halben Arm wieder. Das Flackern war bereits zu einem intensiven Leuchten geworden. Die Kälte wurde immer mehr zurückgedrängt. Schließlich war es soweit, mit einem letzten Aufbäumen schoss die Wärme bis in ihre Fingerspitzen und ein kühler Luftzug entwich aus dem Zimmer.

      Völlig erschöpft öffnete Sally die Augen und bemerkte, wie Belonia zusammenbrach. Ein Schrei des Entsetzens rief die Bergtryade zu Hilfe, die sie im Palast in Empfang genommen hatte. Schnell eilte diese zur Königin und beugte sich über sie.

      “Was ist mit ihr?”, fragte besorgt Sally. “Ist ihr etwas passiert?”.

      Sanft strich sie ihr das Haar aus dem Gesicht und wandte sich Sally zu: “Keine Angst, Belonia ist sehr stark. Sie lebt noch und wird bald wieder zu sich kommen.”

      Vorsichtig nahmen die beiden die Bewustlose auf und trugen sie in einen Nebenraum, wo sie sie auf eine Art Couch legten. Die Bergtryade eilte aus dem Zimmer, um kurz darauf mit einem Gefäß zurückzukehren, in dem sich eine dunkle Flüssigkeit befand. Behutsam öffnete sie Belonias Mund und ließ ein wenig der Flüssigkeit hineinlaufen. Kaum benetzte die Flüssigkeit ihren Mund, ließ sie ein leises Stöhnen vernehmen. Nachdem sie dann den ersten kleinen Schluck getrunken hatte, öffnete sie ganz langsam die Augen.

      “Es tut mir leid, ich habe versagt”, kam es traurig über ihre Lippen.

      “Aber nein!”, stieß nun freudig Sally hervor. “Sieh nur, ich kann wieder meine Finger bewegen und die Kälte ist auch vollkommen verschwunden. Du hast mich geheilt!”

      Sally beugte sich zu ihr hinab und umarmte sie.

      “Wenn du mich noch länger so drückst, werde ich die Erste sein, die du besiegt hast”, scherzte sie.

      Verschämt löste sich Sally und trat einen Schritt zurück.

      “Entschuldige bitte, aber meine Freude war so groß, dass ich nicht anders konnte.”

      “Ist schon gut, ich freu mich ja genauso für dich. Aber wie hast du das nur gemacht? Ich spürte auf einmal das Hundertfache meiner Kraft in dir aufsteigen und dann wurde ich ohnmächtig.”

      “Das muss der Kristall gewesen sein, den mir die Elfen gegeben haben. Ich habe ihn fest umschlossen und an nichts anderes gedacht, als diese Kälte aus mir zu vertreiben.”

      “Was ja auch wunderbar geklappt hat”, antwortete Belonia. “Aber dann hättest du ja meine Hilfe gar nicht gebraucht, du bist mächtiger als ich.”

      “Aber nein!”, beeilte sich Sally zu sagen. “Ich hätte doch gar nicht gewusst, wie ich den Zauber bannen sollte. Das mit dem Kristall war reiner Zufall. Warum er so stark auf mich reagiert weiß ich auch nicht. Das ist auch schon den Elfen aufgefallen.”

      “Das kann nur bedeuten, dass du wirklich die Auserwählte bist. Du musst lernen, deine Fähigkeiten zu erkennen und diese gezielt zu nutzen. Dann haben wir eine Chance, gegen Saldera zu gewinnen. Aber nun lass uns erst mal etwas Essen gehen, du musst ja schon ganz ausgehungert sein und ich brauche auch dringend eine Stärkung. Ich hoffe, dass man deine Gefährten schon in Kürze zu uns bringen wird. Ihnen wird selbstverständlich die gleiche Gastfreundschaft, wie auch dir gewährt.”

      Mit diesen Worten entfernte sich Belonia in Richtung einer Wendeltreppe und winkte, ihr zu folgen. Gehorsam schloss sie sich ihr an.

      Die Treppe war mit einem Teppich ausgelegt, so dass das Gehen keine Geräusche machte und man auch nicht Gefahr lief, auszurutschen. Sally konnte sich an einem Geländer festhalten und entlang der gesamten Treppe waren weitere Szenen in Form von Bildern auf der Wand verewigt. Alle wirkten so plastisch, als wären sie lebendig.

      Oben angekommen traten sie in einen großen Raum, in dessen Mitte ein großer Tisch mit vierzehn Stühlen stand. Der Tisch war mit einer Vielzahl von Speisen gedeckt.

      “Dies ist der Raum, in dem ich zusammen mit den Elfen Versammlungen abhalte, wo wir Schlachtpläne schmieden oder auch uns einfach nur einmal jährlich zum Erfahrungsaustausch treffen.”

      Sally ging langsam um den Tisch herum, jeden Stuhl an der Lehne ehrfurchtsvoll berührend, und blieb schließlich am Stuhl stehen, der dem Fenster am nächsten stand. Als sie hinausblickte, konnte sie die ganze Stadt überblicken.

      Sie sah in weiter Ferne die Fledermäuse kreisen und die Bergtryaden auf den Feldern arbeiten. Sie sah auch noch weitere Eingänge, die dem glichen, aus dem sie in die Stadt hinunter gekommen war. Dann bemerkte sie an einem Eingang ein bisschen Trubel. Beim näheren Hinsehen dachte sie, die Gestalt Ziofottas auszumachen.

      “Du hast gute Augen”, sagte da hinter ihr Belonia. “Es sind deine Gefährten, sie werden gerade zu uns geleitet. Lass uns schon einmal Platz nehmen, sie werden gleich bei uns sein.”

      Belonia